Voraussichtlich Ende Oktober 2021 soll der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer gemeinsam mit den NASA-Astronauten Raja Chari, Thomas H. Marshburn und Kayla Barron an Bord einer Dragon-Raumkapsel des US-amerikanischen Raumfahrtunternehmens SpaceX zur Internationalen Raumstation ISS starten. Maurer soll rund sechs Monate in Schwerelosigkeit verbringen und im April 2022 zur Erde zurückkehren. Es ist der erste Raumflug des 51-Jährigen, der seit Juli 2015 Teil des ESA-Astronautenkorps ist und sich seit dem erfolgreichen Abschluss seiner Grundausbildung als Astronaut auf seinen ersten Einsatz im All vorbereitet. Dazu gehörten unter anderem Trainingseinheiten im Astronautenzentrum der ESA in Köln, am Johnson Space Center der NASA in Houston, im sogenannten SpaceX-Crew-Dragon-Cockpit in Kalifornien sowie bei den weiteren ISS-Partnern in Russland, Japan und Kanada.
Matthias Maurer ist promovierter Werkstoffwissenschaftler und stammt aus dem saarländischen St. Wendel: „Mich faszinieren Technik und Wissenschaft und die Kooperation in internationalen Teams und genau das wird meine Arbeit sein in den sechs Monaten im All. Ich werde an mehr als 100 Experimenten teilnehmen und hoffe, dass die Erkenntnisse hieraus zum Fortschritt für unseren Alltag im All, aber auch hier auf der Erde beitragen werden.“
„Eine Weltraummission ist nicht einfach“, sagt er wenige Wochen vor seinem Start und fährt fort: „Ein Großteil meiner mentalen Kraft entsteht durch die Begeisterung für das, was jetzt vor mir liegt. Für mich wird bald ein Lebenstraum in Erfüllung gehen – mit einem fantastischen Team, auf das ich mich jederzeit blind verlassen kann.“
Als ausgebildeter Werkstoffwissenschaftler freut er sich besonders auf die Versuche mit neuen Materialien, die „wir dann hoffentlich in ein paar Jahren im Erdalltag wiederfinden werden.“ Vieles werde einzigartig sein: „Das beginnt mit dem feurigen Ritt auf einer Rakete, die mich in weniger als zehn Minuten auf über 28.000 Stundenkilometer beschleunigt. Die Ankunft auf der Raumstation und meine erste Erdumrundung im All in nur 90 Minuten, wo ich die Schönheit der Erde von unserem Fenster im All aus, der Cupola, in mich aufsaugen werde. Ein Außenbordeinsatz wird hoffentlich stattfinden und auch ein Höhepunkt sein.“
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist in vielfältiger Weise in die Mission eingebunden: Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Sitz in Bonn ist für die Auswahl und Koordination der Experimente und Beiträge deutscher Universitäten und Hochschulen sowie aus der Industrie verantwortlich. Ebenso führen DLR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler eigene Experimente durch. Das Columbus-Kontrollzentrum der ESA, beheimatet im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum des DLR in Oberpfaffenhofen, ist zuständig für die Planung und Durchführung der Experimente, die im europäischen Columbus-Modul auf der ISS stattfinden. Von hier aus gehen die Daten der Experimente an die nationalen Nutzerkontrollzentren und von dort aus weiter zu den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den beteiligten Partnern aus der Industrie. 36 Experimente der Cosmic Kiss Mission stammen aus Deutschland. Sie umfassen Grundlagenforschung wie anwendungsorientierte Wissenschaft und Technologietests aus den Bereichen Lebens- und Materialwissenschaften, Physik, Biologie, Medizin, Künstliche Intelligenz oder Erdbeobachtung. Zudem steht ein umfangreiches Nachwuchs-Programm für Schülerinnen und Schüler auf der Agenda von Matthias Maurer.
„Deutschland ist der beitragsstärkste Partner im Explorationsrahmenprogramm der ESA. Wir sind aber auch der stärkste Nutzer der ISS und schaffen für Top-Wissenschaftler und die deutsche Raumfahrtindustrie exzellente Rahmenbedingungen für innovative Forschung und High-Tech an der Grenze des Machbaren. Die ISS bietet einzigartige Möglichkeiten, um Forschung zum Nutzen der Menschen auf der Erde durchzuführen. Mit Matthias Maurer haben einen exzellenten Wissenschaftler und einen hervorragenden Botschafter für die internationale Zusammenarbeit“, betont Dr. Walther Pelzer, Mitglied des DLR-Vorstands und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, die im Auftrag der Bundesregierung für das deutsche ESA-Geschäft zuständig ist. „Wir wünschen Matthias Maurer für Cosmic Kiss Alles Gute und sind gespannt auf die Ergebnisse seiner Arbeit. Denn Raumfahrt ist ein Innovationsmotor, bietet erhebliche Chancen für Kommerzialisierung, hochspannende Arbeitsplätze und ist für mich eine unverzichtbare Investition in unsere Zukunft.“
Matthias Maurers Mission heißt „Cosmic Kiss“. Der Missionsname ist eine Art Liebeserklärung an das Weltall, an die Raumstation als Bindeglied zwischen Menschheit und Kosmos und an das, was die Menschen dort tun und zukünftig tun werden. Gleichzeitig steht er für den Wert der partnerschaftlichen Erkundung des Weltraums und für den respektvollen und nachhaltigen Umgang mit unserem Heimatplaneten. Im Zentrum des Missionslogos befindet sich daher auch die ISS, die über einen menschlichen Herzschlag mit der Erde und dem Mond verbunden ist. Der Herzschlag soll die Leidenschaft und Neugier symbolisieren, die die Menschen bei der Erforschung des Weltalls antreibt, sowie die lebenswissenschaftlichen Experimente, die die Raumstation ermöglicht. Für das Logo hat sich Matthias Maurer von der Himmelsscheibe von Nebra (die älteste bekannte Darstellung des Nachthimmels) und den Datenträgern der Raumsonden Pioneer und Voyager (mit dem gesammelten Wissen über die Menschheit) inspirieren lassen. Sie stehen für die Faszination der Menschheit für den Weltraum und den Wunsch, mehr über die Entstehung des Lebens und das Universum sowie unseren Platz darin zu erfahren. Das Emblem umfasst außerdem verschiedene kosmische Elemente wie die Erde, den Mond, die Sterngruppe der Plejaden (Siebengestirn) und den Mars.
Matthias Maurer ist einer von aktuell sieben aktiven Astronautinnen und Astronauten der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Mond und Mars haben für Maurer eine besondere Bedeutung. Vor dem Start des Missionstrainings im April 2020 war er als Projektleiter für die Entwicklung der zukünftigen ESA-Mondsimulationsanlage Luna, einem Gemeinschaftsprojekt von ESA und DLR, in Köln tätig. Außerdem hat er an mehreren geologischen Feldübungen im Zusammenhang mit der zukünftigen Monderkundung teilgenommen. 2016 war er Teil der Crew der NASA-Analog-Mission NEEMO 21. Dafür verbrachte er insgesamt 16 Tage unter Wasser und testete Erkundungsstrategien und Werkzeuge für zukünftige Mars-Missionen.
Bericht und Fotos: Deutsches Luft- und Raumfahrzentrum
Layout: Egon Lippert (www.lippert-egon.de)