Rund 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert die Weltbevölkerung aktuell pro Jahr – das ist so viel Gewicht, wie alle erwachsenen Europäer gemeinsam auf die Waage bringen würden. Deutschland verschuldet dabei mit 2 Millionen Tonnen nur 3,7 Prozent des globalen Elektronik-Müllberges, doch pro Kopf sind wir Spitzenreiter: Jeder Deutsche hinterlässt mit 20 Kilogramm pro Jahr so viel Elektroschrott wie kein anderer Weltbürger. Was sind die Gründe unserer Wegwerfmentalität und was lässt sich dagegen unternehmen?
Warum produzieren wir so viel Elektroschrott?
Die Faktoren für das Wachsen des weltweiten Schrottbergs unterscheiden sich in ärmeren und wohlhabenden Gesellschaften:
- Wachsender Wohlstand: In Entwicklungs- bzw. Schwellenländern verzeichnet der Global E-Waste Monitor 2020 etwa eine überproportionale Zunahme an Kühlschränken und Klimaanlagen. Diese Wärmetauscher verbessern den Lebensstandard in heißen Regionen entscheidend und stehen einer größeren Bevölkerungsgruppe erst seit Kurzem zur Verfügung. Hier werden Altgeräte in Zukunft die Elektroschrottmenge deutlich anwachsen lassen. Dennoch produzieren die Einwohner Afrikas pro Kopf und Jahr nur 2,5 kg elektronischen Müll – die Hauptverursacher leben in Deutschland und den USA (je 20kg/Kopf und Jahr).
- Trendbewusstsein: Wenn ein Elektrogerät vom Funktionsträger zum Mode-Accessoire avanciert, ist es dem schnellen Wechsel von Trends unterworfen. „Geplante Obsoleszenz“ nennen Experten diese Marketingstrategie – besonders gut sichtbar wird sie bei Smartphones oder den Neuerscheinungen aus dem Hause Apple. Viele Kunden hinterfragen den Rhythmus nicht, sondern kaufen automatisch ein neues Smartphone, sobald das neue Modell auf den Markt kommt. Doch Hersteller nutzen hier nicht nur Werbung, um vom Neukauf zu überzeugen: Jüngst wurde Apple gerichtlich vorgeworfen, Altgeräte per Update in der Leistung zu drosseln.
- Kurzlebige Geräte: Zunehmend scheinen viele Kleingeräte kurz nach Garantieablauf nach zwei Jahren kaputtzugehen. Fachleute vermuten hier einen „geplanten Verschleiß“ vonseiten der Hersteller. Bislang konnten Verbraucherschützer zwar keine Zeitschaltuhr nachweisen, die Elektrogeräte planmäßig außer Kraft setzt, aber zahlreiche Einzelbeispiele belegen fahrlässige Konstruktionsmängel: So werden hitzeempfindliche Kondensatoren in vielen Monitoren oberhalb von Wärmequellen montiert – eine Garantie für eine kurze Funktionsperiode. Einige Drucker-Modelle arbeiten mit einem Schwämmchen, das Tintenreste absorbiert, und den Drucker per Fehlermeldung lahmlegt, wenn es sich nach einiger Zeit vollgesogen hat.
- Zeitmangel und teure Reparaturen: Durch Suchmaschinen, Online-Shopping und Express-Versand lassen sich kaputte Elektrogeräte in Rekordzeit ersetzen. Jemanden zu finden, der Smartphone, Monitor und Wäschetrockner reparieren kann, gestaltet sich da schon schwieriger. In Zeiten der asiatischen Billigproduktionen argumentiert auch der Preis für die Neuanschaffung. Vielfach kostet hier nämlich eine fachmännisch durchgeführte Reparatur annähernd so viel wie das Gerät selbst. Bei Markengeräten treiben die Preise für Ersatzteile die Reparaturkosten stark in die Höhe.
- Ungenügende Recyclingquote: Wer Elektrogeräte in den Hausmüll wirft, vernichtet wertvolle Rohstoffe, die recycelt werden können, z.B. Edelmetalle. Die Recyclingquote hat in Deutschland aktuell noch nicht die 50-Prozent-Marke erreicht, obgleich 65 Prozent gesetzlich angepeilt sind. Zwar besteht seit 2016 die Pflicht, dass Anbieter ihre kaputte Elektroware kostenlos zurücknehmen, um sie adäquat zu entsorgen. Die Umsetzung fällt gerade im Online-Handel jedoch schwer – viele Verbraucher wissen schlichtweg nicht, wie und wohin sie ihre kaputten Geräte zurückschicken können.
Selbst reparieren statt neu kaufen
Ein defektes Gerät zu reparieren, schont die Umwelt und das Portemonnaie, gleichzeitig verschafft es dem Nutzer ein gutes Gewissen. Doch was lässt sich in Eigenregie wieder in Gang bringen?
Kleingeräte haben oft reversible Defekte
Hier lohnt sich die Fehlersuche mithilfe der Web-Suchmaschine: So kann der Wasserkocher streiken, wenn er verkalkt ist, oder die Kaffeemaschine abschalten, weil Dreck ihr Innenleben verstopft. Dann setzt ein Reinigungs- und Entkalkungsdurchgang die essenziellen Küchengeräte wieder in Gang. Bei batteriebetrieben Geräten oder solche, die wie ein Wasserkocher auf eine elektrische Basis-Einheit aufgesetzt werden, können die metallischen Kontakte verbiegen, sodass der Stromfluss abbricht. Doch Vorsicht: Wer Geräte aufschraubt oder Elektro-Kontakte verbiegt, muss die Geräte unbedingt vorab vom Netz nehmen.
Teure Geräte – hier rettet die Reparatur das Haushaltsbudget
Eine kaputte Waschmaschine ist in vielfacher Hinsicht ein Alptraum: Einerseits wachsen die Schmutzwäscheberge täglich, andererseits kostet ein Neugerät viel und erfordert viel Recherche vor dem Kauf. Doch gerade bei der Waschmaschine kann der Nutzer häufig selbst Hand anlegen, um das Gerät wieder in Gang zu bringen. Pumpt sie das Wasser beispielsweise nicht mehr restlos ab, liegt das häufig an einer Lappalie wie einem verstopften Flusensieb oder einem blockierten Ablaufschlauch. Auch der Totalausfall des Geräts bietet noch Reparaturchancen, z.B. falls der Keilriemen gerissen ist. Einen Ersatzriemen für 10 bis 40 Euro kann jeder geschickte Nutzer selbst einsetzen. Informationen und Anleitungen für die Reparatur von Haushaltsgeräten finden Interessierte auf diversen Webseiten. Auch eine ausgefeilte Suche nach den Ersatzteilen ist oft verfügbar.
Mit DIY gegen den weltweiten Müllberg
Setzt sich die aktuelle Tendenz fort, erwarten Wissenschaftler für 2030 mit 74 Millionen Tonnen Elektroschrott eine Zunahme von über 50 Prozent in zehn Jahren. Gegensteuern können vor allem die Industrieländer mit einer Abkehr von der Wegwerfmentalität und mehr Reparaturangeboten.
Repair Cafè als Alternative
Europaweit setzen sich bereits politische Initiativen für ein Recht auf Reparatur ein – doch bis mehr Elektrogeräte wiederhergestellt als neu gekauft werden, ist es ein langer Weg. Als Vorreiter der Nachhaltigkeits-Bewegung sehen sich auch Repair-Cafés und Reparatur-Initiativen. Bundesweit sind derzeit etwa 860 Anbieter aktiv. Adressen und Termine lassen sich online abfragen und buchen.
Was ist ein Repair-Café?
Hier treffen sich kompetente Hobby-Handwerker, um kaputte Geräte wieder in Gang zu bringen. Die Profis bieten dabei auch Hilfe zur Selbsthilfe und führen kleine Reparaturen mit den Besuchern gemeinsam durch. Für den jeweiligen „Kunden“ ist das Angebot unschlagbar günstig: Oft werden nur die Kosten für Ersatzteile fällig, denn der Service ist ein ehrenamtliches Angebot.
Wie gut arbeiten Repair-Cafés?
Das betreute Reparieren unter Anleitung des Profis klappt sogar bei High-End-Elektronik wie dem Smartphone, resümiert Stiftung Warentest. Dafür erprobten die Redakteure die Reparaturleistungen in drei Berliner Einrichtungen. Im Test sparten die Café-Besucher dabei 27 bis 160 Euro gegenüber der gewerblichen Reparatur ein.
Gebrauchtmarkt checken
In den vergangenen 5 Jahren stieg allein in Deutschland die Elektroschrottmenge um rund 20 Prozent. Eigentlich unverständlich angesichts der wachsenden Möglichkeiten, Elektrogeräte in einem guten gebrauchten Zustand kaufen zu können. Wer Kaufabsichten hat, sollte deshalb folgende Optionen checken:
- Online-Kleinanzeigen: Hier lässt sich bundesweit im Gebrauchtmarkt stöbern – das ist besonders für Kleingeräte interessant, die leicht verschickt werden können. Auch Geräte, die ein Nutzer nur zeitweise braucht (z.B. Flaschenwärmer für Säuglinge), zirkulieren hier zu sehr günstigen Preisen. Der Nachteil: Meist muss die Kaufsumme vor dem Versand überwiesen werden. Bei teurer Elektronik-Ware lauern deshalb auch Fake-Anbieter. Hier helfen Nutzer-Bewertungen und abgesicherte Zahlungsmethoden dabei, das Geschäft seriös zu gestalten.
- Schwarze Bretter: Im Supermarkt, an der Uni und am Arbeitsplatz hängen häufig „Schwarze Bretter“ mit Verkaufsanzeigen; zuweilen auch für gebrauchte Elektrogeräte. Der Vorteil: Wer lokal kauft, kann das Gerät problemlos besichtigen, und wer lokal anbietet, verkauft meist solide und funktionstüchtige Geräte.
- Sozialkaufhäuser: Diese Second-Hand-Kaufhäuser erhalten ihre Gebrauchtgeräte vornehmlich aus Haushaltsauflösungen. Elektrisches wird vor Ort getestet und dann zu günstigen Preisen weiterverkauft. Eine weitere Plattform bieten oft die lokalen Entsorgungsbetriebe: Hier kann man funktionstüchtige Altgeräte auf einem Flohmarkt-Portal anbieten, bevor man sie endgültig entsorgt.
Fazit: Den eigenen ökologischen Fußabdruck verbessern
Funktionstüchtige Elektrogeräte nur wegen eines neuen Trends austauschen ist out – denn der größere weltweite Trend heißt hier Nachhaltigkeit. Wer unbedingt neu kaufen will, sollte zumindest sein Altgerät dem Gebrauchtmarkt zugänglich machen. Im Falle eines Defekts lohnt sich die kurze Recherche, denn viele Fehler lassen sich einfach und in Eigenregie beheben. Wer sich das nicht zutraut, ist in Reparatur-Cafés an der richtigen Adresse. Hier können selbst Kopfarbeiter ein Mindestmaß an handwerklichem Geschick lernen, das eigentlich jeder zum Überleben in einer hochtechnisierten Welt braucht.
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