Kultur

„Der Verdingbub“ – Max Rubin-Lesung in Aschau

„Drei Jahre habe ich für mein Buch gebraucht, ich habe die Geschichten aus meiner Kindheit gesammelt und zwischen zwei Buchdeckeln zusammengefasst“, eröffnete Max Rubin die Lesung aus seinem Buch „Der Verdingbub“, Geschichten aus (m)einem verrückten Leben im Aschauer Kurpark. „Der zweite Band ist im Entstehen, beim Schreiben habe ich gemerkt, dass ein einzelner Band für ein ganzes Leben nicht ausreicht. Der Schwerpunkt des „Verdingbuben“ waren die ersten Lebensjahre, die Kindheit und die Ausbildung. Weitere Einzelheiten, was das Leben für einen Koch und Hotelbetreiber in Ungarn brachte, sollen im Folgeband erscheinen“.

Der Begriff „Verdingbub“ ist in der Region nicht geläufig, es ist ein Begriff aus der Schweiz. Es handelt sich dabei um Kinder, die zur Lebenshaltung und Erziehung von den Behörden aus den Familien entnommen wurden und in fremden Familien untergebracht wurden. In der Schweiz gab es die Verdingung von 1800 bis in die 1960er Jahre.

Packend erzählte Max Rubin im Aschauer Kurpark – über den Buchtext hinaus – wie er als letztes von vier Kindern als Kind eines Trinkers und einer hoffnungslos überforderten Mutter in den 40-er Jahren in der Innerschweiz aufwuchs. Schon frühzeitig musste er sich im Kleinkindalter selber durchbringen, von den Eltern war nichts zu erwarten. So war es kein Wunder, dass die Armenbehörde eines Tages mit zwei Autos vorfuhr, die vier Geschwister mitnahm und als Verdingkinder an verschiedene Bauern weiterreichte. Damit war seine Kindheit praktisch beendet, der Sechsjährige hatte nun einen Arbeitstag, der im Sommer von 6 Uhr früh ohne größere Pause bis 20 Uhr ging. Die Schule musste nebenher laufen, Zeit für die Erledigung von Hausaufgaben gab es nicht. So waren Religion und Sport seine besten Fächer, „da bekam praktisch jeder die beste Note“. Freizeit war auf die Sonntage beschränkt, drei Stunden etwa waren freie Zeit für ihn und die anderen Verdingkinder. Die vollkommen rechtlosen Kinder wurden als günstige Arbeitskräfte in die Landwirtschaft vermittelt, wo sie ausgenutzt, meist aber auch seelisch und körperlich misshandelt und oft auch missbraucht wurden. „Ich war in den 50-er Jahren ein Gefangener mitten in Europa im schweizerischen Emmenthal“.

Eindringlich schilderte Max Rubin, wie er nach der ungeliebten Schule eine Lehre als Metzger anfing. „Ein fester Monatslohn war ausgemacht, im letzten Jahr hätte ich 100 Franken pro Monat verdienen sollen. Bekommen habe ich – nichts“. Nach der harten Kindheit folgten als weitere Lebensstationen die Hotelfachschule in Bern, ein reich bewegtes Arbeitsleben und die Auswanderung nach Ungarn. Mit 73 Jahren kam er in den Chiemgau und wohnt seit fünf Jahren in Aschau.

„Wenn ich etwas lernen musste, war ich stets ein Minimalist und habe es mit dem geringst möglichen Aufwand betrieben, wenn ich etwas lernen wollte, war ich ein Perfektionist, dem es nicht genau genug gehen konnte“, zog er die Bilanz seines Lebens.

Viola Rehbach umrahmte die Lesung musikalisch auf der Harfe.

Bericht und Fotos: Heinrich Rehberg

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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