Wenn in den frühen Abendstunden des 5. Januars 2026 vom neuen Kolbermoorer Rathaus fröhliche Blasmusik ertönt, beginnt wieder eine ganz besondere Zeit – nämlich die 17. Schäfflersaison. Bis zum Faschingssonntag sind dann über 220 Tänze zu absolvieren. Da die Tänzer das Brauchtum ehrenamtlich aufführen, wird an den Wochenenden von Freitag bis Sonntag getanzt. Wo aber hat der Tanz seinen Ursprung? Vielen kennen ihn oder haben schon einmal davon gehört und wissen, dass dieser mit der Pest zusammenhängt.
Der Legende nach wütete 1517 die Pest in München und die Menschen gingen vor lauter Angst nicht mehr aus dem Haus. Um nach dem Abklingen des „schwarzen Todes“ den Leuten wieder neuen Mut zu geben, ging die Zunft der Fassmacher und Schäffler als erstes wieder auf die Straßen. Mit Trommeln und Pfeifen zogen sie durch München und versuchten mit einem Reigentanz den Menschen wieder neuen Lebensmut zu geben. Ob sich dies tatsächlich so abgespielt hat, kann heute nicht mehr geklärt werden, da das Sterberegister für dieses Datum keine auffälligen Todesraten für München aufweist. Für das Jahr 1702 wurde der Tanz jedoch das erste Mal nachgewiesen und seit 1760 wird dieser im 7 Jahresrhythmus aufgeführt. Wie es zu diesem Turnus kam ist heute auch nicht mehr aufzuklären. Es wird vermutet, dass es alle paar Jahre zu Pestausbrüchen kam, die man durch den Tanz eindämmen wollte. Im Lauf des 19. Jahrhunderts verbreitete sich der Tanz auch auf viele Gemeinden in Altbayern und wird heute noch aufgeführt. Mit diesem Hintergrund spiegelt der Tanz durch seine verschiedenen Figuren die Ängste und Nöte der Menschen, er spiegelt aber auch das Neuerwecken des Lebens, sowie die Verbundenheit zum christlichen Glauben und zum Herrschaftshaus.
Sind die Schäffler zum Tanz geladen, marschieren sie zu einem schneidigen Marsch ein und bilden einen Kreis. Ist dieser geschlossen erlischt die Musik und der Schäfflermeister tritt hinein, nimmt seine Kappe ab und begrüßt das Publikum – ebenfalls zum Gruß senken die Tänzer ihre Bögen. Zu den Klängen eines Schottischen beginnt der Auftanz, dieser stellt die Königsschlange da – diese symbolisiert die Pest als schlangenartiges Wesen, welches mit seinem giftigen Dunst die Seuche verbreitete. Danach gehen die Tänzer zur Laube über. Hierbei stehen sie eng zusammen, was die Frucht vor dem schwarzen Tod sowie die Zurückgezogenheit der Menschen zum Ausdruck bringt. Im Anschluss bilden die Tänzer ein großes Kreuz, dass die Verbundenheit zum christlichen Glauben und zur Kirche versinnbildlicht. Auf dieses folgt eine Auflösung zu 4 Quadrillen, welche das Ende der Pest und das neue Leben darstellen. Als Höhepunkt folgt nun die optisch wirkungsvollste Figur die sogenannte Krone, die an das damalige Herrscherhaus (Wittelsbacher unter Herzog Wilhelm IV) erinnert. Nach Ende dieser Figur bilden die Schäffler wieder einen großen Kreis. Zwei Fasschlager mit Fass ahmen beim Fassklopfen das Handwerk der Schäffler nach. Dabei changieren die Tänzer mit ihren Bögen im Takt des Klopfens, im Kreis gegeneinander. Dabei werden die Bögen, harmonisch im Wechsel geschwungen und eine Schlange getanzt. Nach dieser Figur erlischt die Musik wieder, die Tänzer bilden erneut einen Kreis und der Schäfflermeister steigt auf das Fass. Zum Takt eines flotten Galopps lässt er zwei Reifen, auf dessen Innenseite jeweils ein Stamperl Schnaps steht, über seinen Kopf kreisen ohne dabei einen Tropfen zu vergießen. Zum Schluss seiner Darbietung, lässt er den Tanzgeber mit einem Trinkspruch unter den Hochrufen seiner Tänzer hochleben. Im Anschluss erklimmt der Fasskasperl das Fass, schwingt einen Reifen und ehrt den Tanzgeber mit einem lustigen Vers und einem dreifachen „Pfiffkas-Hoch“. Danach erfolgt der Abmarsch und die Schäffler ziehen zum nächsten Tanz weiter.
In Kolbermoor wurde der Schäfflertanz erstmals 1886 aufgeführt. Dies ist auf den damaligen Gemeindeschreiber, einen gewissen Herrn Bohl, einen gebürtigen Münchner zurückzuführen. Er schlug bei einer Sitzung der Kolbermoorer Faschingsgesellschaft vor, statt den üblichen Haberfeldtreiben und Bauernhochzeiten doch einmal den Münchner Schäfflertanz aufzuführen. Voller Begeisterung wurde der Vorschlag aufgenommen und man setzte sich mit den Münchner Schäfflern in Verbindung. Mit Unterstützung dieser Schäffler wurde der Tanz einstudiert und man erwirkte vom damaligen Prinzregent Luitpold aus Bayern ein königliches Dekret, mit der Erlaubnis den Tanz alle 7 Jahre aufzuführen. Um die Tanzpausen durch Theateraufführungen zu überbrücken gründete sich 1893 aus der Schäfflervereinigung der „Dramatische Club Immergrün“. Dieser machte sich mit der zunehmenden Industrialisierung auch die Aufgabe das Heimatgut zu pflegen und das Brauchtum zu schützen. Aus diesem entstand der „Gebirgstrachten Erhaltungsverein Immergrün Kolbermoor“. Von 1886 bis 1914 konnten die Schäffler im 7 Jahres Turnus tanzen, bis die Wirren der Weltkriege die Tradition unterbrachen. Im Jahr 1936 wurde Kolbermoor zum Markt erhoben und der Tanz außerhalb der Reihe aufgeführt. Seit 1949 findet der Tanz wieder turnusgemäß alle 7 Jahre statt.
Bevor man aber überhaupt an das Tanzen denken kann, ist viel Arbeit von Nöten. Eine tanzfähige Mannschaft muss zusammengestellt werden. Bestehend aus mindestens 16 Tänzer, einem Fähnrich, zwei Fassträgern, einem Kronenhalter sowie Kasperln Diese rekrutieren sich aus den Reihen des Trachtenvereins, wobei die altgedienten Tänzer das Wissen an die junge Generation weitergeben. Zudem ist auch die richtige Musik notwendig, begleitet werden die Kolbermoorer seit 1970 von der Blaskappelle „Am Wasen.“ Der Organisator der Truppe hat ebenfalls alle Hände voll zu tun, dass alle Tanztage gut gefüllt sind. Getanzt wird im ganzen Landkreis, ob beim Dorfbäcker, Metzger, Familien, Sparkassen oder Firmen. Auch, wird jeder Schäffler von der Gwandwartin entsprechend eingekleidet, da es nach den Jahren schon einmal vorkommt, dass die Hose – der letzten Saison – doch viel kleiner geworden ist – wahrscheinlich ist sie eingegangen! Sind diese Arbeiten abgeschlossen, geht es ab dem frühen Herbst an das wöchentliche Proben, so dass jeder seinen festen Platz in der neuen Saison hat. Aber nicht nur tänzerisches Können ist gefragt, auch die Zwischenmenschliche Komponente spielt dabei eine große Rolle, da man in den nächsten Wochen alle Wochenenden zusammen verbringt. So erlebt die Gruppe Auftritte bei Wind und Wetter, von eisigen Temperaturen im zweistelligen Bereich über Schneetreiben, bis hin zum schönsten Sonnenschein. Zusätzlich wird von jedem Tänzer eine ordentliche Portion Disziplin abverlangt – keine Lust haben gibt es in dieser Zeit nicht. So kann es schon mal vorkommen, dass die Tage sehr lange werden und die Nächte sehr kurz. Aber wie heißt es so schön, wer lumpen kann, kann auch arbeiten. Der Lohn für diese Mühen ist dafür umso überwältigender – lachende Gesichter bei den Auftritten, eine Mordsgaudi in der Gruppe und unvergessliche Momente.
Mit dem Faschingssonntag geht dann die Tanzsaison zu Ende. Der letzte Tanz findet am Marktplatz in Kolbermoor vor dem alten Rathaus (heute Stadtsingschule) statt. Dieser wird durch zahlreiche Teilnahme der Bevölkerung honoriert, die sichtlich stolz auf „ihre Schäffler“ sind. Aber auch das ein oder andere Zacherl fließt so manchem Tänzer an diesem Tag über die Backen. Keiner weiß was in den kommenden 7 Jahren passiert – was sich beruflich oder familiär ändert, ist man körperlich noch in der Lage zu tanzen oder lässt einem der Herrgott den nächsten Tanz überhaupt noch erleben? So ist jeder wieder froh, wenn es heißt: „Pack mas wieda, tanz ma wieda!“
Wer bereits jetzt schon einen Tanz buchen möchte, kann sich bei dem Organisator Rudolf Eder melden. Entweder telefonisch unter 08031/93601 oder per Email unter Kolbermoorer-Schaeffler-2026@gmx.de.
Bericht und Bilder: Florian Podhorny, GTEV Immergrün Kolbermoor (Gauverband I)