Gesundheit & Corona

Corona-Tagebuch zur „Wiesen“-Absage

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Wiesen, Bad, Kirchen bespielt – ein Beitrag aus dem Corona-Tagebuch von Kalr Stankiewit   –  Kunst statt Karussells und ein Testzelt statt der Festzelte – so wird es demnächst aussehen auf der Theresienwiese.

Erstaunlich, wie schnell und fast klaglos wir Münchner die abermalige Absage des Oktoberfestes hingenommen haben, zumal dessen Verantwortungsträger sich soeben von einem Namensklau seitens Abu Dhabi konfrontiert sehen und wieder mal über weltweiten Urheberschutz nachdenken. Klar, man ist inzwischen durch die anhaltende Pandemie an Verzicht auf Liebgewordenes gewöhnt. Außerdem haben kreative Leute andere, sinnvolle Nutzungen anstelle der Traditions-Wiesn gefunden. Die Vorbereitungen konnte ich bei einem Rundgang zwischen den U-Bahnhöfen Goetheplatz und Theresienwiese beobachten.

„Kunst im Quadrat“ heißt eine zur Zeit entstehende Bühne. Umzäunt wie die „Oide Wiesn“, mit Kassen und hygienischen Anlagen ausgestattet. Ähnlich wie im vorigen Jahr soll hier ein buntes Programm geboten werden, live oder notfalls virtuell: Konzerte, Theater, Workshops, Diskussionen, Film und mehr. Über Initiativen einzelner Künstler*innen und Gruppen kann sich der Verband der Münchner Kulturveranstalter nicht beklagen. Er wartet nur noch auf Zuschusszusagen der Stadt und der drei Bezirksausschüsse, die sich die Theresienwiese teilen. Wie und wann auch immer die rückläufigen Inzidenzwerte nun die Kulturwelt wieder beleben werden – längst hat sich, nachdem die Lage nicht nur von den Leidtragenden hinreichend bejammert wurde, eine völlig neue Szene entwickelt. Streaming war gestern, umständlich, langweilig. Das verwöhnte Kulturpublikum will zurück zum Lebendigen, zur Live-Performance. Das haben ein paar kluge Köpfe erkannt und umgesetzt, indem sie ungewöhnliche Open-Air-Plätze aufrüsteten.

Roland Hefter ist ein Beispiel. Der Volksmusiker und Münchner SPD-Stadtrat hatte schon vor einem Jahr Kollegen und Wiesn-Macher unter die Bavaria postiert, um sie die erste Absage des Volksfestes mit einem elegischen, aber trotzigen Lied besingen zu lassen. Jetzt, am 1. Mai, tingelte er mit seinen Songs und seiner Gitarre durch 60 Seniorenheime. Oder Mirca Lotz. Die Kuratorin hat einen hauptsächlich Frauen ansprechenden Verein „Innen-Außen-Raum“ gegründet und einen Kulturabend im Prinzregentenbad veranstaltet. Auch Gotteshäuser beider Konfessionen wurden zu Bühnen die die Welt bedeuten.Der unermüdlikiche Benjamin David, Erfinder der „Isarlust“ und der „Urbanauten“, feierte in dieser Woche auf dem Wittelsbacher Platz seinen hundertsten „Kulturlieferdienst“. An 350 Tagen im Corona-Jahr konnte er die Stadt gewinnen, bestimmte Plätze von der Polizei autofrei zu halten, damit dort Künstler*innen auftreten konnten. Ein bisschen lebenswichtige Eigenwerbung und ein paar Euro waren allemal drin.. Als Bühne diente ein LKW, der bisher gratis verliehen wurde, jetzt aber 1500 Euro im Monat kostet. Unklar, ob dafür das Spendenaufkommen vor Ort ausreicht, denn auch die Techniker müssen entlohnt werden. Wohl am erfolgreichsten kontert der Münchner Promoter Till Hofmann die Pandemie. Seine Initiativen helfen den Künstlern und bereiten vielen Freude. Hofmann hat sich von vornherein nicht abfinden wollen mit dem Lockdown seiner Kleinkunstbühnen in Schwabing und Passau. Schnell konnte er den Innenhof des Deutschen Museums für Auftritte arbeitsloser Promis gewinnen, es läuft dort bald wieder auf Hochtouren, trotz der etwas kühlen Atmosphäre. Inzwischen erteoöte die staatliche Schlösserverwaltung dem erfahrenen Impresario Aufführungsrechte auf Wiesen im Englischen Garten. Und in Niederaltaich an der Donau darf er die Klosterwiese bespielen.Bayerns Staatsregierung spielt jetzt auch mit. Sie möchte wohl den oft gehörten Vorwurf, die Kultur zu vernachlässigen, nicht länger auf sich sitzen lassen. Dieses zeigen die neuesten Lockerungsübungen. Kunstminister Bernd Sibler will viele tausend Euro für den kommenden Sommer springen lassen. Und sein Chef Markus Söder hat, als gäbe es nicht schon Kampfparolen genug, auch dafür einen eingängigen Titel gefunden: „Bayern spielt“. Die neue Kulturfreiheit steht natürlich unter dem Vorbehalt, dass die AHA-Regeln eingehalten werden. Denn das böse Virus hat noch lange nicht ausgespielt.

Neuerdings steht schräg unter der Bavaria, wo normalerweise zur Zeit, also lange vor dem Oktoberfest, einer der größten Bierpaläste aufzubauen wäre, ein nagelneues Großzelt, in dem weiterhin auf die Krankheit Covid-19 getestet wird.

Beitrag: Karl Stankiewitz – Fotos: Thomas Stankiewitz


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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