Gesundheit & Corona

Corona-Tagebuch: Brotzeit am Brunnen

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Von Karl Stankiewitz – Wird sich der Ring um München schließen, werden anderthalb Millionen Menschen bald von der Außenwelt abgeschlossen sein – so ähnlich wie mehrmals im Mittelalter oder wie die nordafrikanische Stadt Oran in Albert Camus’ derzeit vielgekauftem Schreckensroman „Die Pest“?

„Nach Stand heute“ (Jens Spahns Kennwort) liegt der Münchner Inzidenzwert bei 123 (Infektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen) und somit noch deutlich unter dem willkürlich festgelegten Limit 200, der das Verbot touristischer Tagesausflüge mehr als 15 Kilometern über die Wohnort-Grenze hinaus bedeuten würde. Die sinkende Tendenz macht es momentan auch eher unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit nicht einmal mehr die Kreisstädte Wolfratshausen und Ebersberg angefahren werden dürfen.  Aber 50 bis 100 Kilometer südlich der Landeshauptstadt ist für uns Münchner schon Schluss mit lustig raus. Zunächst bis zum 31. Januar hat der große Landkreis Miesbach, der selbst drei knallrot markierte Gemeinden aufweist, die – weithin umstrittene – 15-km-Sperre verfügt, wobei nicht versäumt wurde, mit Bußgeld zu winken sowie die Einwohner aufzufordern, Verstöße der Polizei zu melden.

Zuvor schon hatten Kommunalpolitiker in einigen bergnahen, seenreichen, also besuchenswerten Landkreisen ihre imaginären Grenzen quasi dicht gemacht, indem sie Ausflügler aus dem Großraum München durch aggressive Aufschriften („Verpisst euch“), markige Aussprüche von Mandatsträgern („dahoam is aa schee“), Sperre oder Verteuerung von Parkplätzen und ähnliche eigenmächtige Maßnahmen immer mehr vergraulten. Münchner, so meldet der Münchner Merkur, seien geradezu „verhasst“ im Alpenvorland, das obendrein durch heftigen Schneefall „ausgebremst“ wird, wie due Abendzeitung warnt. Mancherorts mache man sich Sorgen um die „Tourismusgesinnung“, stellte die Süddeutsche Zeitung fest. Die jedenfalls gespannte Lage hat die grüne Münchner Bürgermeisterin Karin Habenschaden dieser Tage zur Schadensbegrenzung gedrängt. In digitalen Gesprächen mit Bürgermeistern einiger Ausflugsgemeinden bemühte sie sich um einen Modus vivendi. Wie ein erträgliches Zusammenleben unter Pandemie-Bedingungen genau aussehen soll, blieb offen. Offenbar sollen Apelle und Aufkläriung in Stadt und Land vorerst genügen. Zum Glück geben sich nicht alle Voralpenbewohner so ungastlich, respektive ängstlich wie manche Leute am Tegernsee, Schliersee, Spitzingsee und am Fuße der Zugspitze. Die noch geltende Ausgangsfreiheit nutzend, fuhr ich mit Alwine per Bahn eben noch mal nach Bad Tölz. Und siehe: Dort wurde uns vermummten Spaziergängern sogar ein freundliches „Grüß Gott“ zugerufen. Freilich bot die sonst so herrliche und jetzt menschenleere Marktstraße nicht gerade ein Bild urbanen Lebens. Die beim Bäcker eingekaufte Brotzeit mussten wir am Marktbrunnen stehend verzehren. Man sollte halt doch den Virologen und Politikern folgen und zu Hause bleiben. Bis bessere Zeiten kommen.

Text und Foto: Karl Stankiewitz


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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