Kultur

Chieming: Ein Fischersjunge beim Musiksommer

Volksmusikkonzerte gibt es immer mal wieder im Rahmen des Musiksommers zwischen Inn und Salzach. Meist schlagen die Konzerte die Brücke zwischen der volkstümlichen Musik und der klassischen Musik. Ein ganz anderes Format wurde erstmalig Ende Juni unter dem Programm „Bin ich ein Fischersjunge…“ am Chiemsee präsentiert. Und dem Publikum scheint es gefallen zu haben, denn das Besucherinteresse am Konzert von letzter Woche im Chiemseer Wirtshaus in Chieming war eindeutig: Viele Interessierte sind der Einladung der Volksmusikpfleger der Landkreise Rosenheim, Berchtesgadener Land und Traunstein Ernst Schusser, Hans Auer und Markus Gromes gefolgt und haben einen unterhaltsamen und interessanten Sommerabend verbracht. Mitgebracht hatten die drei Urgesteine der hiesigen Volksmusiktradition Sänger und Musikanten aus der Region, die Musikstücke aus 400 Jahren der Überlieferung der „kleinen Leute“ zu Gehör gebracht haben. Was da so unterhaltsam und leicht daherkam, war jedoch harte Arbeit, musste man doch zuvor mit viel Ausdauer das eine oder andere Stück erst wieder entdecken und für die Aufführung bearbeiten. Voll Staunen und Freude hörten die Besucher Tanz- und Unterhaltungsmusik, weltliche und geistliche Lieder aus der Region vor allem aus dem nördlichen Landkreis Traunstein. Und in guter Volksmusiktradition wurde auch mitgesungen oder wenigstens mitgesummt, wenn man sich der eigenen Stimme nicht so sicher war. Die Noten und Liedertexte wurden eigens an das Publikum verteilt.

Annemarie Bayerl brachte mit ihrem Flötenensemble fünfstimmig bearbeitete, wohlklingende Tanzmelodien aus einer auf das Jahr 1907 datierten Klarinettenhandschrift ihres Wohnortes Trostberg zu Gehör. Ein besonders intensiver Vortrag gelang Michaela Leidel aus Bernau: Sie hatte sich die sehr umfangreichen wissenschaftlichen Liederhandschriften von Pater Johannes Werlin (1588 – 1666) vorgenommen, die dieser um 1650 im Kloster Seeon anfertigte. In drei verschiedenen auf den Abend verteilten Sequenzen gab Hans Auer aus Hammerau Einblicke und Höreindrücke von den Stücken, die ein Franz Freutsmiedl 1907 in ein Notenbuch für Bandoneon eingetragen hat. Eva Bruckner aus Berchtesgaden hatte die zeitintensive Vorarbeit auf sich genommen und eine Liedertexthandschrift aus dem Besitz der Familie Gromes vorgetragen. Dazu musste sie erst die von der Schreiberin Juliane Schroll, einer Uroma von Markus Gromes, vor einhundert Jahren verwendete und mundartlich geprägte alte deutsche Schreibschrift in heute lesbare Maschinenschrift übertragen. Besonders eindrücklich und intensiv ließ das junge Ehepaar Lena und Moritz Demer die Lieder der Wirtsleute von St. Georgen, Loni und Martl Meier, wieder aufleben. Zwei weitere Höhepunkte des Abends kamen aus der engsten Umgebung: Als Ehrengäste des Abends erlebten die Nachkommen der Gesangsgruppe Kurz aus Chieming, die 1931 das Volksliederpreissingen in Traunstein mit dem alten Chieminger Hirtenlied gewonnen hatte, die Wiederaufführung des Liedes im damaligen vierstimmigen Satz. Wer an der umfangreichen Handreichung des Abends mit Einblicken in die Notenhandschriften und Lieder interessiert ist, kann sie unter der E-Mail ernst.schusser@heimatpfleger.bayern anfordern.

Gott sei Dank hatte Sepp Hollerauer aus Grabenstätt 1997 die alten Noten der dörflichen Blasmusik aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg dem Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern zur Dokumentation übergeben. Der heutige Bezirksvolksmusikpfleger Leonhard Meixner ermöglichte die Neuschrift von sechs alten Stücken in heute gut lesbare Notenschrift. Drei davon wurden von 9 Blechmusikanten der Grabenstätter Musi unter Leitung von Christian Bergmann neu eingelernt in der alten Spielweise mit markantem Nachschlag durch Basstrompeten und schwierigem, weil sehr hoch notierten Melodiepart: So erklang unter wesentlicher Mitwirkung eines Musikanten, der an diesem Abend seinen 30. Geburtstag feierte, der „Grabenstätter Marsch“, der gemütliche „Hochfelln-Polka“ und der Mazurka mit „Erinnerungen an Siegsdorf“.

Text und Foto: Landratsamt Traunstein


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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