Sport

Chiemgauer Wildwasser-Abenteuer-Reise vor 48 Jahren in die Türkei

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Lothar Obermaier und Wolfgang Schnaiter haben schon viel miteinander erlebt. Sei es in den heimatlichen Bergen beim Klettern, bei internationalen Wettbewerben im Ski-Langlauf oder auf dem Chiemsee als es vor Jahren um eine Demonstration gegen Seebühnen-Aufführungen ging. Ein ganz besonderes Abenteuer war allerdings im Jahr 1973 eine Erst-Wildwasser-Fahrt in der Türkei auf einem Gewässer, die wegen inzwischen erfolgter Verbauungen heute gar nicht mehr möglich wäre.

„Das Wildwasser- und Kajak-Fahren war schon immer unser gemeinsames Interesse, das Element Wasser hatte uns nicht nur fasziniert, sondern richtig infiziert und da entschieden wir uns, in der Türkei in Richtung Schwarzes Meer auf einer Länge von 400 Kilometern den Fluss Kelkit mit unseren Kajaks befahren und dafür daheim in heimischen Gewässern wie auf der Tiroler Ache oder auf der Saalach zu trainieren“ – so der 82jährige Lothar Obermaier (Lodschi) und der zehn Jahre jüngere Kajak-Partner Wolfgang Schnaiter (Wolfi). Auf die Idee, mit Kajak und Camping-Zelt – und damals noch ohne Navi und kaum Kommunikationsmöglichkeiten – kamen die beiden aus reiner Abenteuerlust. Erste sportliche Erfahrungen und Erfolge sammelten sie bei nationalen und internationalen Wildwasser-Wettbewerben mit dem damaligen Verein Chiemgauer Wildwasserfahrer Bernau. Ihr größter Erfolg war mit einem C-2-2er-Kanadier-Stechpaddel der Zweite Platz bei der Österreichischen Staatsmeisterschaft im Jahr 1971. Auslöser dafür, die Türkei-Exkursion zu starten war ein Aufenthalt von Lothar Obermaier im Jahr 1968 am Fluß Euphrat, dem mit einer Länge von 2.736 Kilometern längten Strom Vorderasiens. „Wieder daheim fragte ich meinen Spezl Wolfi, ob er mitfahren würde, dort in der Türkei gibt es faszinierende Gewässer, er sagte gleich Ja und so begannen die Vorbereitungen zu Hause. Mit dem Zielort Kelkit in der Türkei hatten wir allerdings vor Reisebeginn noch keinen Kontakt“ – so Lothar Obermaier.

Vier Wochen dauerte die Exkursion mit einer Anreise von 4.000 Kilometern über Bulgarien und Griechenland in den Osten der Türkei, unterhalb des Berges Arrarat. „Dabei haben wir uns viele kulturelle Einrichtungen wie in Istanbul die Hagia Sophia angeschaut und großen Wert darauf gelegt, das einfache Leben sowie Land und Leute kennenzulernen“. Dazu erinnern sich Lothar und Wolfgang noch gut und gerne: „Überall wurden wir mit großer und großzügiger Gastfreundschaft empfangen, für Kinder und Familien hatten wir ein paar Kleinigkeiten dabei, mit D-Marks und mit unseren wenigen Sprachkenntnissen kamen wir auch zurecht und wir waren überrascht, welch großes Interesse unsere im Jahr 1968 gebauten Klepper-Kajaks hervorriefen“.

Eine Nacht im Gefängnis mit Versöhnungs-Frühstück – Als Proviant für die Mahlzeiten, wurden für die Tour unter anderem 15 Gläser Marmelade sowie in Dosen Tomatensuppe und Heringe usw. mitgenommen. „Start mit unseren Kajaks war ein paar Kilometer unterhalb der Ortschaft Kelkit mit unseren schwer beladenen Booten. Wir hatten ja alles dabei Zelt, Schlafsack, Wechselkleidung usw. Der Fluss Kelkit wurde immer schwerer und verschwand schließlich urplötzlich unterirdisch. Schleunigst mussten wir aus unseren Booten. Kaum an Land, standen da schon Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett. Wir wurden an Ort und Stelle verhaftet, mit dem Argument wir seien Russische Kommunisten und wiegeln das ganze Tal auf“. Die „Festnahme“ ging dann wie folgt weiter: „Nach einer abenteuerlichen, stundenlangen Jeep-Fahrt, steckte man uns bei Wasser und Brot ins Gefängnis. Dies Aktion stellte sich schnell als Irrtum heraus. Bei einem versöhnlichen Essen am Morgen hat man sich bei uns entschuldigt, und unsere Expedition konnte fortgesetzt werden. 280 km der 400 km waren geschafft. So haben wir beschlossen die leichteren Passagen, abwechselnd zu paddeln. Einer paddelt, der andere fuhr den PKW“.

„Rauschen und Donnern im Wasser ist ein Genuß und macht keine Angst“ – Da der Wasserstreckenverlauf vorab unbekannt war, wurde immer auf Sicht gefahren. „Zwischen den Felsen und Schwällen fuhren wir auf Gehör und nach dem Fluß-Charakter, zum Teil war das psychisch sehr belastend. Wir   waren ein eingespieltes Team und hatten keine Angst. Was überwog war die Faszination, dass wir bislang unbefahrenes Gewässer meisterten und die Schönheit einer Film-Landschaft sowie das Rauschen und Donnern im Wasser genießen konnten“ – erklärten die neugierigen Naturburschen aus dem Chiemgau. Sie machten auch auf den Straßen neue Erfahrungen und Bekanntschaften, denn ihr Auto machte ob der langen Strecke und der miserablen Straßenzustände mehrmals schlapp. „Dank der freundlichen Leute und unseres kleinen Sprachführers, den wir dabeihatten, gab es bei den Reifenpannen immer wieder eine Reparaturmöglichkeit und es ging weiter“. Die Reise wurde zum Teil mit einem Film festgehalten. Diesen schauen Lothar und Wolfgang immer wieder an, dabei können sie es fast selbst nicht glauben, dass die Abenteuerreise vor 48 Jahren mit damaligen Mitteln so gut gelang. „Was bleibt, sind Erinnerungsfreude und die Gewissheit, dass Gastfreundschaft grenzenlos ist. Am Ende der Jesilirmak Schlucht entstand 1973 ein Staudamm. Die Jesilirmak Schlucht ist heute ein Stau-See. Die ersten und letzten, die diese Schlucht mit den Kajaks durchfuhren,  waren die bis heute Spezl gebliebenen Lodschi und Wolfi.

Verein Chiemgauer Wildwasserfahrer besteht nicht mehr – In der Zeit als Lothar Obermaier und Wolfgang Schnaiter aktiv waren bestand ein eigener Verein „Chiemgauer Wildwasserfahrer“. Der Verein, den Obermaier zuweilen als Vorstand führte und bei dem Schnaiter Kassier war, hatte nur ein gutes Dutzend Mitglieder. Einige Mitglieder schlossen sich später dem Kajak-Club Rosenheim an, der Chiemgauer Verein löste sich wieder auf. Marktführer bei den Kajaks war damals die Firma Klepper in Rosenheim. Von dieser Firma stammten auch die Boote, mit denen Lothar Obermaier und Wolfgang Schnaiter 1973 in die Türkei fuhren und mit denen sie beste Materialerfahrung sammelten. Wolfgang Schnaiter war im übrigen mal bei der Firma Klepper als Verkäufer angestellt.

Kajakfahren auf dem Chiemsee: einfach königlich – Mit dem Kajak auf dem Chiemsee unterwegs sein, das ist für Lothar Obermaier was ganz Besonderes, dazu schwärmt er: „Auf dem stillen Wasser dahingleiten, das ist ein königliches Gefühl“. Und zurück am Uferspitz in Felden ergänzt er: „Seeufer und Berggipfel sind besondere Orte, ebenso jene Plätze, an den Wasser und Land zusammentreffen“. Zu beachten für die Wildwasser- oder Kajak-Fahrer auf dem See sind die Ufer- und Schutzzonen sowie die entsprechenden Schilder. An Land gehen kann der Kajak-Sportler sowohl bei der Fraueninsel als auch bei der Herreninsel westlich vom Königsschloss.

Fotos: Hötzelsperger – Lothar Obermaier (li.) und Wolfgang Schnaiter bei einem privaten Filmabend in Bernau – sowie in Bernau-Felden auf dem Chiemsee (li. Schnaiter – re. Obermaier). Lothar Obermaier im übrigen mit seinem Original-Boot von 1973, mit der er in der Türkei unterwegs war.

Repros: Hötzelsperger – Eindrücke von der Abenteuer-Kanu-Reise in die Türkei von Lothar Obermaier und Wolfgang Schnaiter

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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