Zentrale Protestveranstaltung am Maxplatz in Traunstein – Auch heimische Apotheken kämpfen ums Überleben – Kritik an Medikamenten-Lieferengpässen und hohen Kosten
Traunreut – Seit Jahren kämpfen die ortsansässigen Apotheken hierzulande ums wirtschaftliche Überleben und es ist bislang keine Besserung in Sicht. Um auf die besorgniserregende Situation aufmerksam zu machen, wird am heutigen Mittwoch zu einem bundesweiten Protesttag aufgerufen. Dessen Kernbotschaft lautet: „Immer weniger Apotheken, eine von Engpässen geprägte Patientenversorgung, zehn Jahre Honorar-Stillstand bei den Apotheken und bisher keine Einsicht der Bundesregierung – so kann und darf das nicht weitergehen!“. Auch viele Apotheken im Landkreis Traunstein beteiligen sich daran. Von 9 bis 12 Uhr wird es dazu vor der Pauer’sche Apotheke am Traunsteiner Maxplatz eine zentrale Protestveranstaltung geben. Mit dabei sein wird dort auch Dr. Alexander Hartl, der in Traunreut die St. Georgs-Apotheke, die Stern-Apotheke und die Löwen-Apotheke betreibt. „Wer soll das alles noch bezahlen“, fragt er sich und wundert sich über die Ansichten von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. Die Rahmenbedingungen seien so schlecht, dass man nur überleben könne, wenn man viele Überstunden schiebe, das Ganze grenze mittlerweile fast schon an Selbstausbeutung, so Hartl. Er würde seinen fachkundigen Angestellten gerne mehr bezahlen, um zu verhindern, dass qualifiziertes Personal abwandert, doch dies sei aktuell finanziell nicht möglich. Internet-Versandapotheken ohne Fachpersonal und Beratungsangebote hätte diese Probleme nicht. „Die picken sich die Rosinen raus und profitieren von anderen Mehrwertsteuersätzen und Rabatten, obwohl sie zum Beispiel keine Nacht- und Notdienste und Rezepturen anbieten“, ärgert sich Hartl und fügt an: „Wir kriegen keine Rabatte, uns sind diese zu einem großen Teil verboten worden und jetzt gibt es auch keine Skonti mehr, von denen wir bislang profitiert haben“, so der Apotheker. Ein Problem sei auch, dass Versandapotheken ihre Produkte zum Einkaufspreis plus Mehrwertsteuer verkaufen und da könne man als gängige Apotheke preistechnisch nicht mithalten. „Die wollen uns ausbluten lassen“. Dass in Deutschland im Schnitt mehr als eine Apotheke täglich für immer schließen müsse, komme nicht von ungefähr, betonte Hartl und appelliert an die Bundespolitik hier dringend gegenzusteuern. „Man muss Verständnis für unsere Apotheker haben“, meint die Landtagslistenkandidatin der FW für Oberbayern, Andrea Wittmann mit Blick auf den heutigen Apotheker-Protesttag, bei dem viele Kunden vor verschlossene Apothekentüren (Ausnahme: Notdienst-Apotheken) stehen werden. Bisher werde nur mehr der Mangel verwaltet. Es gelte jedoch die flächendeckende Versorgung sicherzustellen, „damit uns die Beratung und kurzen Wege besonders in einer älter werdenden Gesellschaft erhalten bleiben“, so Wittmann, die sich mit dem Thema in verschiedenen Arbeitsgruppen intensiv beschäftigt hat. Es könne nicht sein, dass Eltern für ihre kranken Kinder Fiebersäfte kaufen wollen, und sie dann keine bekämen, wie es zuletzt monatelang der Fall gewesen sei. „Ich habe ein halbes Jahr keinen Ibuprofensäfte bekommen und habe sie aufwendig selber herstellen müssen“, so Hartl. Man dürfe den Apotheken die Arbeit beim Engpassmanagement nicht noch weiter erschweren. Die vorgesehenen höheren Bevorratungspflichten für krankenhausversorgende Apotheken und Krankenhausapotheken – etwa für Antibiotika – seien schlicht nicht möglich. Schließlich könnten auch Großhandel und Hersteller nicht liefern. Wittmann gibt zu bedenken: „Der Bundesrat hatte das Arzneimittellieferengpassbekämpfungsmittel- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) beschlossen. Nur für eine Empfehlung fand sich keine Mehrheit: Auf den im ALBVVG ebenfalls vorgesehenen Vorstoß hin zu einem genderneutralen Pflichttext bei der OTC-Werbung möchten die Länder doch nicht gänzlich verzichten.“ Die beschlossene Stellungnahme wird nun der Bundesregierung zugeleitet, die darauf eine Gegenäußerung verfassen wird. Man darf gespannt sein, ob sie zumindest einige der Anregungen aufgreift. Zwingend nötig ist das nicht, da das ALBVVG kein zustimmungspflichtiges Gesetz ist.
Im folgenden im Detail die politische Forderungen der Apothekerschaft: 1. Erhöhung des Fixums in der Arzneimittelpreisverordnung. Das in der Arzneimittelpreisverordnung festgelegte „Fixum“ (derzeit: 8,35 Euro netto), muss auf 12,00 Euro erhöht werden. 2. Regelung zu indexierten Erhöhung des Fixums. Dieses Fixum muss durch einen regelhaften Mechanismus jährlich an die Kostenentwicklung angepasst werden, ohne dass es gesonderter Maßnahmen des Gesetz- oder Verordnungsgebers bedarf. 3. Einführung einer zusätzlichen regelmäßigen Pauschale für jede Betriebsstätte. Diese Pauschale dient der Grundsicherung der Flächendeckung und soll für jede Betriebsstätte gleich hoch sein. 4. Handlungsfreiheit für Apotheken für die schnelle Patientenversorgung. Die größeren Entscheidungsfreiheiten ermöglichen eine schnelle Versorgung der Patienten und vermeidet in deren Interesse gefährliche Therapieverzögerungen, insbesondere auch bei Lieferengpässen. Die verordnenden Ärzte werden von bürokratischem und zeitlichen Aufwand entlastet. 5. Reduzierung von Retaxationsverfahren auf das sachlich gebotene Maß. Vollständige Verweigerung der Bezahlung des Preises des abgegebenen Arzneimittels müssen verboten werden, wenn der Versicherte entsprechend der ärztlichen Verordnung versorgt wurde. Teilretaxationen sind nicht ausgeschlossen, müssen aber auf den Betrag beschränkt werden, der sich aus dem Zuschlag (Fixum + drei Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis) ergibt. Formfehler, die der verordnende Arzt verursacht hat, berechtigen nicht zu einer Retaxation. 6. Engpass-Ausgleich. Für den zusätzlichen Aufwand bei der Bewältigung von Lieferengpässen muss ein angemessener finanzieller Ausgleich („Engpass-Ausgleich“) geschaffen werden. 7. Beseitigung der finanziellen Risiken aus dem Inkasso des Herstellerrabattes für die Krankenkassen. Für den Fall, dass die Apotheke bei Zahlungsunfähigkeit des pharmazeutischen Unternehmers von diesem keine Ausgleich für den an die Krankenkasse geleisteten Herstellerabschlag erhält, muss die Krankenkasse zur Rückerstattung des von der Apotheke verauslagten Herstellerrabattes verpflichtet werden. 8. Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Arzt-Apotheker-Kooperation beim Medikationsmanagement. Es muss eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, das Vertragsärzte und Apotheken als Leistungserbringer in der Regelversorgung (nicht nur wie bisher in Modellvorhaben wie ARMIN) bundesweit und für Versicherte aller Krankenkassen ein gemeinsames Medikationsmanagement anbieten können. 9. Einschränkung des Präqualifizierungsverfahrens. Die Apotheken müssen von der Notwendigkeit der Durchführung des Präqualifizierungsverfahrens im Hilfsmittelbereich ausgenommen werden, soweit die Qualität ihrer Leistungserbringung bereits durch andere regulatorische Maßnahmen sichergestellt ist. 10 Einzelmaßnahmen zum Bürokratieabbau. Regulatorische Anforderungen, deren Zielsetzung entfallen oder anderweitig gewährleistet ist, sind zu streichen.
Foto (mmü): Der Traunreuter Apotheker Dr. Alexander Hartl gestern Vormittag vor seiner Löwen-Apotheke mit der FW-Landtagskandidatin Andrea Wittmann. Zwischen ihnen ein Schild, das darauf hinweist, dass die Apotheke am heutigen bundesweiten Protesttag geschlossen hat.
Bericht und Bilder: Markus Müller, Altenmarkt