Kultur

Buchtipp: Steven Levy, „Facebook, Weltmacht am Abgrund“.

Veröffentlicht von Günther Freund

Alles über den Weltkonzern, vom Aufstieg zum Tech-Giganten bis zum Image-Wandel nach den Skandalen um Fake News und Datenmissbrauch.

Das 2004 in de USA gegründete Netzwerk Facebook ist etwa seit 2010 auch in Deutschland stark im Kommen, jeder musste dabei sein. Natürlich musste ich das auch ausprobieren und meldete mich an.  Schnell merkte ich, daß mir das doch viel zu persönlich war und die Datensicherheit schien mir nicht gewährleistet, also stieg ich wieder aus. Nach den Facebook-Skandalen von 2012 zeigte sich, wie richtig dies war. Facebook stand ja von Anfang an wegen seiner  mangelhaften Datenschutzpraktiken in der Kritik, ist aber nach wie vor ein bedeutender Nachrichtenkanal. Mit über 1,7 Milliarden Nutzern und ungeheuren Datenvorräten ist Facebook einer der Tech-Giganten von heute mit großem wirtschaftlichem, politischem und kulturellem Einfluss. Die Skandale des Social-Media-Konzerns um Fake News beim Wahlkampf von Donald Trump und um den Datenmissbrauch durch „Cambridge Analytica“  haben aber vielen Menschen über seine Praktiken die Augen geöffnet und die Nutzerzahlen stagnieren lassen. Jetzt heißt es, das Imperium habe zuviel Einfluss und bedrohe die Demokratie. Forderungen, das ganze Netzwerk zu zerschlagen, häufen sich.

Wie ist es dazugekommen? Auf 668 Seiten gibt der IT-Journalist Steven Levy in dem umfangreichen Buch, in dessen Mittelpunkt Mark Zuckerberg steht, Antworten auf diese Frage. Mehr als zehn Jahre hat er Facebooks legendären Mark Zuckerberg journalistisch begleitet, hatte Zugang zu dessen rechter Hand Sheryl Sandberg und weiteren aktiven oder ehemaligen Mitarbeitern.

Und er erzählt detailliert die ganze Geschichte von Facebook. Davon, wie das kleine Genie Mark, das schon als Schüler komplizierte Programme schrieb und dessen Weltbid „Civilization“ formte, ein Computerspiel programmiert, in dem es darum geht, ein Reich aufzubauen und zum Weltherrscher zu werden. Vom computersüchtigen Studenten, der frühzeitig die Idee eines sozialen Netzwerkes im Kopf hat und der ein solches als Studentenprojekt in Harvard Anfang der 2000er Jahre in Angriff nimmt. Wie sich dabei schon Zuckerbergs besondere Persönlichkeit zeigt, dem wegen Verletzung von Urheberrechten und der Privatsphäre der Studenten sogar einmal der Verweis von der Universität droht. Steven Levy beschreibt, wie sich mit dem Wandel vom Studentenprojekt zu einem ambitionierten Silicon Valley-Startup langsam herauskristallisierte, das das ein Milliarden-Dollar-Spiel wird und wie mit der Öffnung des Netzwerks für die gesamte Gesellschaft aus einer Studentenbuden-Website das bedeutendste soziale Netzwerk der Welt wurde – ein Informationssystem, über das theoretisch jeder erreicht werden kann und in dem es zu jedem Informationen gibt. Er berichtet vom Aufstieg zum weltumspannenden Internetgiganten mit Zuckerberg als dem Alphatier – nicht ohne zu verschweigen, daß dieser dabei auch stark die Rechtsanwälte und Gerichte beschäftigte, denn aus den Mitgründern waren Konkurrenten  geworden und nicht immer ging Zuckerberg fair mit diesen um. Steven Levy informiert auch ausführlich über die Person Zuckerberg, einem zwiespältigen Menschen mit viel Selbstvertrauen, zielstrebig und kreativ. Einem sympathischen Mann mit Programmierer-Geist, der wie nur wenige in der Lage ist, visionär zu denken, der aber gleichzeitig auch naiv und kein besonders guter Kommunikator ist und Unzulänglichkeiten im persönlichen Umgang hat. Dem es nicht ums Geld geht, sondern der die Welt besser machen will und den Menschen überall auf der Welt Zugang ins Internet verschaffen will, damit aber vorerst scheitert, weil der Satellit, der auch das tiefste Schwarzafrika über Funk verbinden soll, explodiert. Steven Levy geht ausführlich auf die Ursachen für Facebooks Skandale ein und illustriert eindrücklich die Transformation vom Friedensbringer in der Zeit des arabischen Frühlings zum Datenmissbraucher und Verbreiter von Falschinformationen und Hass. Wie Zuckerberg von Expansionsdrang getrieben es schafft, die Gründer von Firmen wie Instagram und WhatsApp dazu zu bringen, ihre Firmen an Facebook zu verkaufen. Wie Zuckerberg die Welt in rasantem Tempo vernetzt nach der Maxime schnell sein und später reparieren, ohne Rücksicht auf mögliche Kollateralschäden. Wie in typischer Facebook-Manier die Newsfeed-Funktion eingeführt wurde, die jedem Nutzer erlaubt Kommentare ins Netz zu stellen, ohne daß diese kontrolliert werden –Grundlage für Falschinformationen, Hass und Mobbing und Ursache späterer Facebook-Skandale, wie etwa dem um die Manipulation der US-Präsidentschaftswahlen durch Fake News oder dem um den Datenmissbrauch durch „Cambridge Analytica“. Oder wie Facebooknutzer durch die Pandemic-Funktion, die Einzelpersonen bei ihren Internet-Einkäufen verfolgt und die Nachricht über deren private Anschaffungen ohne deren Zustimmung weiterverbreitet, von Kundengewinnungs-Werbern missbraucht.werden. Und wie mit jedem neuen Feature zwar intern immer wieder das Thema Datenschutz diskutiert wird, aber nur, um diesen dann letztendlich zu missachten. Zuckerberg geht es aber nicht nur ums Geld, er will die Welt besser machen. Er will z.B. den Menschen überall auf der Welt Zugang ins Internet verschaffen, scheitert aber damit aber vorerst, weil der Satellit,der auch das tiefste Schwarzafrika über Funk verbinden sollte, explodiert. Steven Levy stellt fest, wie Facebook innerhalb kurzer Zeit vom Liebling der Medien zum Teufelswerk wird und wie Zuckerberg Korrekturen verspricht, sich forthin nur noch um die Produktentwicklung kümmert und die Bereiche Sicherheit und Kommunikation Sheryl Sandberg überläßt, die für die kommenden zehn Jahre zur zweitwichtigsten Person bei Facebook wird. Und wie das Werbekonzept überarbeitet wird und den Entwicklern Grenzen gesetzt werden, wie als neues Feature die Like-Buttons eingeführt werden. Und wie oberste Devise Wachstum um jeden Preis ist und die 100 Millionen-Nutzer Grenze anvisiert wird. Steven Levy fragt sich schließlich, wie gut oder schlecht steht es wirklich um Facebook? Für ihn steht fest: Facebook wird weiter sein Geld machen, befindet sich aber in bedrohlicher Lage. Viele Führungskräfte haben das Unternehmen verlassen und sind nicht mehr bereit am Umbau mitzuwirken, talentierte Neue sind kaum mehr zu bekommen. Zuckerberg verspricht zwar künftig stärker auf Privatsphäre und Verschlüsselung zu setzen, aber Steven Levy glaubt nicht daran, denn wirklich brauchbare Lösungen dazu hat er nicht – auch, weil Facebook technisch gar nicht dazu in der Lage ist etwa Hass-Posts wirksam zu bekämpfen. Levy folgert daraus, dass die Gesellschaft Facebook endlich Grenzen setzen muss.- StevenLevy präsentiert mit „Weltmacht am Abgrund” (im Original „The Inside Story“) einen aufrüttelnden, spannend geschriebenen und solide recherchierten Insider-Report. Der Autor analysiert kritisch, kolportiert zahlreiche nette Anekdoten und überzeugt mit einer riesigen Detailfülle an interessanten Informationen. Ein brillantes Werk, sehr empfohlen für Leser, die mehr wissen wollen über Mark Zuckerberg und die Entwicklung und Funktion sozialer Netzwerke, die im Zeitalter der Digitalisierung unseren Alltag dramatisch verändert haben. (Aus dem amerikanischen Englisch von Gisela Fichtl, Elisabeth Liebl, Stephan Kleiner, Sylvia Bieker, Karsten Singelmann und Barbara Steckhan)

Buchprofile-Rezension von Günther Freund

Levy, Steven: Facebook, Weltmacht am Abgrund.

DROEMER/KNAUR, 2020,  688 S.
ISBN/EAN: 9783426277287

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Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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