Der 1968 in Bartoszyce, Masuren geborene Artur Becker , der seit 1985 in Deutschland lebt, hat einen neuen Roman geschrieben. Die autobiographisch gefärbte Geschichte einer masurischen Familie nach dem 2.Weltkrieg ist besonders wegen den unterschiedlichen Perspektiven von Deutschen und Polen im Blick auf die europäische Geschichte absolut lesenswert.
Arthur, Ende 40, Historiker und Schriftsteller, stammt aus Masuren. Er hat deutsche (ostpreußische) Wurzeln väterlicherseits und polnische mütterlicherseits, flieht 1984 vor der Totalität der sozialistischen Staatsmacht in die Drang nach Osten BRD. Von seiner Frau hat er sich getrennt, seine Tochter sieht er nur selten. Als er bei einem Besuch bei seinem Onkel in Kalifornien von dem ehemaligen Stalinisten erfährt, dass dieser 1945 freiheitshungrige Menschen gefoltert hat, darunter auch Arthurs polnischen Großvater, ist er geschockt. Arthur, der gerade eine Art Midlife-Krise mit Burnout hat, beschließt, seinen Job als Hochschullehrer zu kündigen und ein Buch über die Schicksale seiner Großeltern zu schreiben, die nach dem Krieg in Masuren ein neues Leben begonnen haben. Er recherchiert die eigene Familiengeschichte und taucht immer tiefer in die Zeit in Masuren nach der Machtübernahme durch die Kommunisten gleich nach dem Untergang des Dritten Reiches ein.
Artur Becker, Sohn deutsch-polnischer Eltern, widmet sich in seinem neuen Roman nicht nur den deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945, sondern auch den unterschiedlichen Perspektiven von Deutschen und Polen im Blick auf die europäische Geschichte. Der Autor zeichnet seine Figuren hautnah, schreibt aus einem starken Gefühl heraus und hat die Fähigkeit, die Probleme in ihrer zeittypischen Verflechtung erzählend zu vergegenwärtigen. Eine lohnende Lektüre, anspruchsvoll und absolut lesenswert.
Buchprofile-Rezension von Günther Freund
WEISSBOOKS, 2019, 394 S.
ISBN/EAN: 9783863371197