Verehrt, verklärt und verkannt – interessante Einblicke in wesentliche Stationen des an Widersprüchen reichen Lebens und Wirkens des bayerischen Märchenkönigs.
Vom König und seinen Bauten mehr zu erfahren lädt der Autor ein zum Geleit seines kleinen Büchleins über den Märchenkönig, dessen einerseits teils unkritische bis exzessive Verehrung und andererseits ablehnende Haltung und ungerechte Behandlung von Person und Wirken bis heute ungebrochen ist. So erfährt man etwa dass der Monarch seinem Volk Freude schenken will und zeigen, dass nicht Krieg, sondern Musik, schöne Künste und prachtvolle Bauten glücklich machen.
Marcus Spangenberg
Man liest von den nüchternen Realitäten mit denen sich diese tragische Figur der Geschichte – mehr Künstlernatur als Politiker und unzureichend für die frühe Übernahme des Thrones ausgebildet – abfinden musste, wie etwa die Herausforderungen der Politik oder sein sorgloser Umgang mit Geld – allerdings nicht auf Kosten der Steuerzahler, sondern indem er den eigenen Etat des Königshofs überzog und sich persönlich zutiefst verschuldete. Man erfährt dass der junge König ein Bücherwurm war und einer seiner wenigen Kontakte der dänische Dichter Hans Christian Andersen war, der ihm höchstpersönlich seine Märchen vorgelesen hat. Es gibt Anekdoten von seinen geliebten Ausflügen in die Berge, oder seinen Theater- und Opernbesuchen und auch über die widersprüchliche Persönlichkeit gibt es einiges zu lesen: seinen exzentrischen Lebensstil, seine Verhaltensauffälligkeit und Menschenscheue. Dass seine Beziehung zur Kaiserin Elisabeth von Österreich (Sisi) keine Liebesbeziehung war, sondern er zu ihr, die seine geheimen Ängste und seine Furcht vor Menschen und vor Blicken kannte, nur eine besondere Nähe und mit ihr vieles gemeinsam hatte, wie etwa das Interesse an Natur und Pferden oder die kritische Einstellung zu politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen. Auch die Probleme, die er mit seinem Körper und dessen zunehmenden Verfall hatte, sowie die geheimnisumwitterte Art und Weise wie er verstarb, bleiben nicht unerwähnt. Es findet sich in diesem Buch auch manches Kuriose, etwa über seine wundersamen Tischaufzüge, den geplanten Bau einer Bahn auf der Herreninsel oder auch über Widergänger des Königs.
In der 120 Seiten starken Neuerscheinung versucht der Historiker Marcus Spangenberg den Dingen um den Märchenkönig auf den Grund zu gehen, falsche Vermutungen zu berichtigen und weniger bekannte Fakten neu zu entdecken. Der Autor beeindruckt in seinem sorgfältig recherchierten, spannenden Werk mit gepflegter Sprache, Zeittafeln vergegenwärtigen den historischen Kontext und am Ende gibt es auch noch ein Ludwig II .- Quiz und Ludwig II. – Zitate. Auch dem äußerst kompetenten Ludwig-Biografen gelingt es allerdings nicht den rätselhaften Phantasten zu entmythisieren, aber doch dank seines exzellenten Basiswissens neue Details auszugraben, einige Mythen klarzustellen, zu relativieren und zu korrigieren, wie z.B. dass er sich für seine Zustimmung zur Unterordnung Bayerns unter das Deutsche Reich von Bismarck vorab habe bestechen lassen oder er Bayern durch seine Bauwut in den Ruin getrieben habe. Kompakt, informativ, mit fundierten Fakten und zahlreichen zum Teil bisher unveröffentlichten Bildern trägt dieses Buch zur Erhellung zeitgeschichtlicher Zustände bei und ist allen Fans des bayerischen Monarchen sehr empfohlen.
Dezember 2023, Günther Freund
Marcus Spangenberg, Ludwig II. – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten Klartext-Verlag, 2023, 120 Seiten, Preis: 16,95 Euro
ISBN: 978-3-83752554-0
Im Großen und Ganzen stimme ich der in der Buchbesprechung erkennbaren positiven Einschätzung zu. Das Buch ist kompakt, informativ und unterhaltsam zu lesen.
Mir fehlt aber generell ein Stichwortverzeichnis und die Angabe von Quellen, die nur selten im Text und dann nur vage formuliert auftauchen. Wie soll der Leser (m/w/d) erkennen, woher die „Wahreiten“ stammen?
Und so scheint mir auch der Autor Spangenberg z.B. einem popuären Irrtum zu unterliegen, wenn er am Anfang seines Werks (S. 11) über König Ludwigs angebliche „Verweigerungshaltung gegenüber seinen königlichen Pflichten“ schreibt, die „dem Ansehen der Monarchie Schaden zufügte“, ohne diesen Vorwurf in irgendeiner Form zu belegen.
Demgegenüber steht in dem wissenschaftlich fundierten Buch Prof. Ludwig Hüttls („Ludwig II., König von Bayern“, C. Bertelsmannverlag, München 1986, S.23 v. 560) zu lesen: „Trotz der schon 1865 einsetzenden Kritik an der zurückgezogenen Lebensweise werden durch die [häufige] Abwesenheit des Königs von [der Residenz] München die Staatsgeschäfte keineswegs vernachlässigt.“
Wer hat nun recht?
Guten Tag Herr oder Frau Wolfram, Ihnen danke ich vielmals für Ihre Einschätzung und Anmerkung. Das grundsätzliche Dilemma mit den nicht vorhandenen Quellen ist mir als Historiker und Kunsthistoriker durchaus bewusst – und ich hätte dies sehr gerne auch anders gehandhabt. Jedoch würde dies dieser Buchreihe „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ nicht entsprechen, die ein bestimmten Lesepublikum hat. Es ist, und das zeigt ja auch die Tonalität meiner Texte, eben kein wissenschaftlicher Text – und dennoch ist alles äußerst sorgsam recherchiert und auf wissenschaftlichen Werten basierend. Falls Sie „Beweise“ benötigen: Meine zahlreichen (wissenschaftlichen) Aufsätze mit Anmerkungsapparat zeigen dies. Gerne können Sie – und alle Leserinnen und Leser – sich jederzeit (am besten per E-Mail) an mich wenden, wenn zu einem Aspekt eine Quelle gewünscht wird. Ich antworte gerne! – Zu dem von Ihnen konkret angefügten Thema „königliche Pflichten“: Der großartige Biograf Ludwig Hüttl hat ebenso recht wie ich. Ja, „die Staatsgeschäfte hat Ludwig II. keineswegs vernachlässigt“, nämlich in der Form, dass die bürokratischen Abläufe reibungslos liefen und Ludwig seine vielen Unterschriften setzte. Wenn ich von der „Verweigerungshaltung gegenüber seinen königlichen Pflichten“ schreibe, dann weite ich meinen Blick auf das, was ebenso die Aufgaben eines konstitutionellen Monarchen gewesen wären: Eine beständige Präsenz in der Öffentlichkeit durch Teilnahme an Veranstaltungen und das Bereisen seines Landes – um als Staatsoberhaupt einigend zu wirken, was in dem noch immer jungen Staat Bayern mit den erst wenige Jahrzehnte zuvor hinzugekommenen u. a. schwäbischen und fränkischen Landesteilen notwendig war. Ludwigs Vater Max (obwohl auch sehr häufig abwesend in Italien) und Ludwigs Nachfolger Luitpold haben gezeigt, was die Aufgabe und damit Stärkung des monarchischen Prinzips durch öffentliches Wirken bedeutet. Dies ist also keineswegs ein Vorwurf von mir, sondern historische Erkenntnis – für die es übrigens nicht die eine Quelle gibt, sondern durch das gesamte Verhalten des Königs nachweisbar ist. Vielen Dank nochmals, dass Sie mir durch Ihren Kommentar Gelegenheit geben, dies näher auszuführen.