Ein zeitgeschichtlicher Einblick in die Nachkriegsjahre von Reit im Winkl – Wolfgang Hardtwig präsentierte sein Buch „Der Hof in den Bergen“
Ein aufschlussreiches Stück Erinnerung an die Nachkriegszeit in Reit im Winkl gab Wolfgang Hardtwig bei der Präsentation seines Buchs „Der Hof in den Bergen“ im Festsaal. Dabei erzählte er wie im Buch vom bäuerlichen Leben auf dem Boahof im Ortsteil Oberbichl von Schule, Kirche und Politik zwischen Tradition und Moderne. Im Untertitel des Buchs heißt es: „Eine Kindheit und Jugend nach 1945“.
Der Autor Wolfgang Hardtwig habe eine große Liebe zu Reit im Winkl und er schildere in seinem Buch vortrefflich das Leben in den Bergen, sagte Bürgermeister Matthias Schlechter zur Begrüßung. Hanns Ostermaier, der Moderator der Präsentation, bezeichnete sich als „Fast-Nachbar“ des Boahofs und klärte auf, wie er zu seiner heutigen Funktion gekommen sei. In seinem Beruf als Lehrer sei auch er so etwas wie ein Moderator. Auf seine Frage, warum er das Buch geschrieben habe, antwortete Hardtwig, bis 2010 Professor für Neuere Geschichte in Berlin: „Ich habe starke emotionale Erinnerungen an Reit im Winkl, und diese sind freudig.“
Eine besondere Bewunderung habe er für seinen Großvater Dr. Eduard Hamm, der 1932 den Boahof erworben habe. Dieser war Königlich-bayerischer Bezirksamtmann, Staatsminister für Handel, Industrie und Gewerbe im Freistaat Bayern. Staatssekretär in der Reichskanzlei und Reichswirtschaftsminister in der Weimarer Republik Wegen seines Widerstands gegen Hitler holte ihn 1944 die Gestapo vom Boahof ab, und er starb dann unter bis heute nicht restlos aufgeklärten Umständen. 1944 war auch das Geburtsjahr von Wolfgang Hardtwig, der im Übrigen auch ein Buch über seinen Großvater geschrieben hat. Wie viele andere Bauernkinder habe auch er oft bei der Heuernte geholfen. Oft sei es damals auch vorgekommen, dass die Kinder deswegen nicht in die Schule gekommen seien. Von der Volksschule Reit im Winkl habe er an sich positive Erinnerungen, fuhr er fort, zitierte aber auch aus einem Kapitel seines Buches die Schilderung von dort erfahrenen körperlichen Züchtigungen. Von kräftigem Ziehen an den Haaren, einem Schlag auf den Hinterkopf und Tatzen mit dem Rohrstock ist dort die Rede. Beim Überlegen habe aber seine kurze Lederhose die Wucht der Schläge gedämpft.
Auch seiner Tätigkeit als Cellist im Kirchenorchester ist ein Kapitel gewidmet. „Ich ging freudig hin und habe es genossen“, schreibt er darüber. An der Orgel habe Alois Stockklauser gespielt, und als Dirigent beim Kirchenchor habe Rektor Kurt Hartinger gewirkt. Mitgesungen im Chor habe auch der Kammersänger Thomas Lehrberger. „Der Kirchenraum unten war voll bis auf den letzten Stehplatz“, so ein weiterer aus dieser Zeit geschilderter Eindruck. Auch einen Einblick in die Arbeit der Holzknechte hat der Autor bei seinen Ferienjobs beim Forst gewonnen, wie es in einem weiter Abschnitt des Buchs steht. Als Unterkunft diente unter anderem auch die damals dem Forst gehörende Leitstube in Seegatterl. Der Anmarsch zur Arbeitsstelle habe sehr unterschiedlich zwischen 15 Minuten und zwei Stunden gedauert. Diese Zeit sei aber auf die Arbeitszeit angerechnet worden. Sei schon die Arbeit beispielsweise beim Steigputzen nicht gerade die leichteste gewesen, so hätten er und seine Kameraden aber diejenige beim Straßenbau im Wald als schwere Plagerei kennengelernt.
Es sei damals eine Zeit gewesen, die heute als fast als unwirklich erscheine, resümierte Moderator Hanns Ostermaier. Das Buch von Wolfgang Hardtwig nannte er einen wunderbaren Einblick in die Geschichte von Reit im Winkl. Der Autor zeigte sich erfreut, unter den zahlreichen Besuchern im Saal auch einige ehemalige Schulkameraden entdeckt zu haben und sich mit ihnen auszutauschen zu können. Er bedankte sich bei Bürgermeister Matthias Schlechter für die freundliche Unterstützung beim Zustandekommen dieser Buchvorstellung. Sein Dank galt auch dessen Vorgänger und jetzigen Altbürgermeister Sepp Heigenhauser dafür, dass er es ermöglicht habe, dass vor etwa zehn Jahren bei der Kapelle in Oberbichl ein Gedenkstein mit Bronzetafel für seinen Großvater Dr. Eduard Hamm aufgestellt wurde. Große Unterstützung bei der Stoffsammlung für sein Buch habe er auch von Franz Höflinger erhalten, dem Verfasser des Häuserbuches und Mitverfasser des Reit im Winkler Heimatbuchs.
Das neue Buch über Reit im Winkl von Wolfgang Hardtwig mit zahlreichen Abbildungen ist überall im Buchhandel erhältlich oder bei Edeka in Reit im Winkl. Herausgeber ist der Vergangenheitsverlag in Berlin.
Bericht und Bild: Sepp Hauser – Wolfgang Hardtwig (rechts) präsentierte sein Buch „Der Hof in den Bergen“ unter der Moderation von Hanns Ostermaier.
– weiteres Bild vom Boahof heute und Buch-Titel