Natur & Umwelt

Brennerzulauf: Schutzgemeinschaft Hofstätter- und Rinser See

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

SHR-Vorstand Josef Lechner kann es nicht fassen: „Unser neuer Trinkwasserbrunnen im Vogtareuther Ortsteil Lochen ist nur knapp zwei Kilometer vom geplanten Tunnel Ringelfeld entfernt und damit von der Bahnplanung stark bedroht.“ Erfahrungen bei anderen Bahntunnelbaustrecken, egal ob oberirdisch oder bergmännisch, zeigten, dass das Grundwasser in einem oft mehreren Quadratkilometer großen Gebiet auf Jahre hinaus für Trinkwasserzwecke nicht brauchbar sei – Lechner weist auf das Gebiet um Ulm hin, wo das Grundwasser noch in einer Entfernung von 80 Kilometern von der Stuttgarter Neubautrasse – auch wegen der beim Bau eingesetzten Chemikalien – belastet sei. Lechner macht die Problematik der Bahnplanung für Vogtareuth deutlich: „Nach der immensen Anstrengung und der enormen Investition der Gemeinde in die neue gemeindliche Trinkwasserversorgung haben wir schon gehofft, dass sie einige Jahrzehnte und nicht nur ein paar Jahre halten würde“.

Klage nach Brüssel wegen Naturzerstörung: Lechner, der auch Gemeinderat in Vogtareuth ist, erinnert daran, dass sich die Schutzgemeinschaft gemeinsam mit den Gemeinden Vogtareuth, Prutting und Söchtenau seit nunmehr einundzwanzig Jahren für den Erhalt des FFH-Schutzgebiets „Moore und Seen nordöstlich Rosenheim“ am Hofstätter See einsetze. Jetzt sei vor allem das dazugehörige und europaweit einmalige Burger Moos besonders von der seiner Meinung nach überflüssigen Bahnplanung gefährdet. Das vom Grundwasser abhängige Moos sei nur knapp einen Kilometer von der Tunneltrasse entfernt. Jede Änderung im Untergrund ziehe solche Biotope, die in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig seien, in Mitleidenschaft. Lechner kündigte an, im Verlauf der Planung die FFH-Konformität der Planung in Brüssel gerichtlich überprüfen zu lassen. Das gelte im Übrigen auch für die drohende Vernichtung des FFH-Gebiets „Innauen und Leitenwälder“ im dem auf dem Gebiet der Gemeinde Stephanskirchen eines der beiden Tunnelportale zum Tunnel Ringelfeld entstehen soll.

Irreführende Propaganda der Bahn: „Was wirklich auf sie zukommt, wissen viele Bürger nicht“, führt SHR-Sprecherin Teresa Pöller aus. „Was die Bahn verschweigt sind die riesigen Portalbaustellen an den Tunnelein- und Aus-gängen“. Pöller zeigt ein Bild des Tunnelpor-tals des Rastatter Tunnels, der vergleichbar mit dem Tunnel Ringelfeld sei. „So könnte es in den Stephanskirchner Ortsteilen Eitzing und Leonhardspfunzen in wenigen Jahren ausse-hen“. An den Häusern in der unteren rechten Ecke des Bildes könne man die Dimensionen der Tunnelportalbaustellen erkennen, ergänzt Pöller. Besonders problematisch: Die Portal-baustellen würden jahrelang bestehen.

Die SHR, die eng mit den Bürgerinitiativen des Brennerdialogs Rosenheimer Land e. V. zusammenarbeitet, hält die Planung grundsätzlich für rechtswidrig und überflüssig. Entgegen der Beteuerungen vom Verkehrsminister Scheuer (CSU), fehle nach wie vor ein gesetzlich vorgeschriebener und gerichtsfähiger Bedarfsnachweis. Trotz Hinweise im Bericht zum Raumordnungsverfahren auf Trinkwasser- und Naturgefährdung und ungeachtet der immensen und möglicherweise ohnehin unnötigen Kosten für die Steuerzahler, möchte die Bahn die sogenannte violette Trasse mit riesigen Tunnelportalbaustellen und mindestens einem Drittel oberirdischer Streckenführung realisieren. Da stellt sich schon die Frage, warum befürwortende Politik und Bahn den Eindruck zu erwecken versuchen, dass bei der violetten Trasse Natur und Mensch nicht beeinträchtigt werden.

Politische Realitätsferne: Die SHR-Vorstandschaft zeigt sich in ihrem Bericht besonders irritiert von Aussagen mancher heimischen Politiker. Beispielsweise habe MdB Daniela Ludwig (CSU) auf ihrer Homepage die Brenner Nordzulauf-Entscheidung der DB Netz AG einen guten Tag für die Region und die „bestmögliche Lösung für Menschen und Natur“ genannt. Sie meine auch, dass die Entscheidung der Bahn das Ergebnis der „intensiven Bürgerbeteiligung“ sei und dass die gewählte Trasse „wirtschaftlich“ sei. Dabei scheint Ludwig zu ignorieren, dass auch ein Tunnelbau Landschaft und Existenzen vernichtet und dass die Wirtschaftlichkeit der Trasse noch gar nicht beurteilt werden kann, denn eine wissenschaftlich belastbare Kosten-Nutzen-Analyse muss noch durchgeführt werden. Pöller hat hierfür kein Verständnis: Ludwig mache deutlich, wessen Interessen sie vertrete und das seien nicht die Interessen des Landkreises mit seinen Bürgern. „Außerdem bin ich“ so Pöller weiter, „seit 2016 Mitglied bei der Bürgerbeteiligung im Gemeindeforum Rosenheim Nord. Die entpuppte sich von Anfang an als eine reine Alibiveranstaltung und Imagekampagne der Bahn, bei der die Bürger zudem von vorne herein kein echtes Mitspracherecht hatten“.

SHR-Vorstandsmitglied Petra Muxeneder befürchtet, dass das Grundwasser zwischen Simssee, Inn und Wasserburg auf Jahrzehnte hinaus für Trinkwasserzwecke unbrauchbar wird. Davon wären mit Prutting und Vogtareuth auch Stephanskirchen und Söchtenau betroffen. Muxeneder weist zudem daraufhin, dass die Quellen im Innhang sowie die Fischweiher in Innleiten vernichtet werden würden und es das beliebte Mineralwasser der St. Leonhardsquelle auch nicht mehr geben werde. „Das ökologische Gleichgewicht des grundwasserabhängigen Burger Moos wird nach 6000 Jahren zerstört“, gibt sie zu bedenken.

Jetzt geht der Weg nach Berlin: Das sieht SHR-Vorstandschaftsmitglied und Pruttinger Gemeinderätin Barbara Stein genauso. Als FW-Kreisrätin hält sie fest, dass die Planung nach wie vor für den ganzen Landkreis problematisch sei und ohnehin nicht wirklich geeignet, Verkehr von der Straße auf die Bahn zu verlegen. Dabei würden die Belastungen beim Bau der neuen Strecke einem etwaigen Nutzen bei weitem überwiegen. Stein bedauere besonders, dass „die Planung auch das überregional beliebte Naherholungsgebiet am Hofstätter See und die einzigartige Artenvielfalt im Burger Moos zu zerstören droht“. Auch Prutting habe erhebliche Mittel für ihre neue Trinkwasserversorgung aufgewendet, die genauso wie Vogtareuth von der Bahnplanung gefährdet sei.

Grundsätzlich stehe die SHR für eine Ertüchtigung der Bestandsstrecke und lehne eine Neubaustrecke ab, teilt die Vorstandschaft mit. Jetzt sei die Zeit gekommen, den Weg nach Berlin zu gehen. Vor allem im Vorfeld der kommenden Bundestagswahl im September solle verstärkt auf die Parteien zugegangen werden und den Mitgliedern des Bundestags sowie den Kandidaten faktenbasierte Informationen statt Bahnmärchen an die Hand gegeben werden.

Solidarität im Landkreis ungebrochen: Der Widerstand gegen das Projekt sei aber ungebrochen, führt Muxeneder an. Fast täglich erreichen die Initiativen Anträge auf Mitgliedschaft aus dem ganzen Raum. Und am Samstag, dem 24. April 2021 wird ab 14 Uhr im ganzen Landkreis unter dem Motto “Hoit ma z‘samm“ gegen die Planung demonstriert – Bürger und Bürge-rinnen werden ihren Protest lautstark und sichtbar machen. Für Stephanskirchen und Prutting und bei allen Bürgerinitiativen im Landkreis können sich Protestwillige noch gerne einbringen.

V.i.S.d.P. für die SHR-Vorstandschaft: Josef Lechner, Petra Muxeneder, Barbara Stein, Teresa Pöller

Kontaktadresse:

Bericht: Schutzgemeinschaft Hofstetter- und Rinser See (SHR)

Foto: adobe.stock | Sved Oliver


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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