“Früher war alles anders” – könnte man sagen, die Welt war analog und traditionell organisiert, der Fortschritt zog mit kleinen Schritten ein. Zumindest belegen dies die Aufnahmen von Brannenburg um das Jahr 1905. So sieht man die Bahnhofstraße als ungeteerte Straße, von Bäumen eingesäumt, und auf den zweiten Blick eine Reihe von Masten mit je 16 Isolatoren. Daraus lässt sich schließen, dass es damals in diesem Bereich 8 Telefone gab.
Eine Ansicht vom Bahnhof zeigt: Die Züge wurden von einer Lokomotive befördert, die Bahnsteige sind in Brannenburg kürzer, weil die Züge kürzer waren und die Fahrkarten wurden bereits an der Bahnsteigsperre gezwickt. 10 Pfennig kostete damals eine Bahnsteigkarte für den Aufenthalt in diesem Bereich.
Helmut Pabst hat diese Aufnahmen als Ortschronist gesammelt und mit Hintergründen und Geschichten untermalt. Es war ihm wohl Freude wie Bedürfnis zugleich, sich intensiv mit der Geschichte des Ortes und seiner Bewohner zu beschäftigen.
Von dieser Arbeitsintensität zeugen mehrere Bücher, die im Eigenverlag herausgebracht, erfolgreich verkauft wurden und teils vergriffen sind.
Was für ein Mensch war Helmut Pabst? Ein Besuch im Archiv lässt bei den drei Frauen, die sich um seine Hinterlassenschaft kümmern, Erinnerungen wach werden:
„Meist traditionell bekleidet mit Kniebundhose und Joppe, im Winter mit Lammfellmantel, sah man ihn oft auf seinem Klapprad fahren”, so Eva Ortmeier. „Er war nicht leidschei“ – erzählt Angela Mayer Spannagel und Monika Ludwig fügt hinzu: „Hatte er ein Projekt abgeschlossen, so stürzte er sich sogleich auf das nächste.”
Vielseitig interessiert
Darüber hinaus liebte er die Berge und war ein Kenner von Touren – über 1.000 Gipfel der Hochalpen hat er ungefähr bestiegen. Und auch dort frönte er seiner Sammelleidenschaft – die abgesprungenen Nägel von Wanderschuhen hatten es ihm angetan, auch hier sammelten sich um die 2.000 Stück an.
So vielfältig seine Interessen, so klar und eindeutig sein Engagement im Gemeinderat. Er setzte sich als streitbarer und manchmal auch unbequemer Geist für Belange ein, die ihm wichtig waren. Zu nennen wäre hier z.B. das Thema Baumschutz, mit einer akribischen fotografischen Dokumentation des alten Buchenbestandes im Bereich der Bahnunterführung.
„Es hätte noch ein Leben gebraucht, damit alles so veröffentlicht hätte werden können”, sagen die Archivarinnen. Handschriftlich eingefügte Notizen und Ergänzungen im großen Buch über Brannenburg für eine Neuauflage, die nicht mehr verwirklicht werden konnte, belegen dies.
Lange habe er überlegt, wem er diesen Nachlass anvertrauen könnte, so Eva Mayer-Spannagel. Es gibt viele Leute, die solche Archive schätzen. Aber es war Helmut Pabst wichtig, dass es für die Öffentlichkeit genutzt werden kann, und so wird es auch in seinem Sinne weitergeführt und ausgebaut.
Sie nennt es ein Glück für die Künstlerkolonie, dass man das umfangreiche Archiv auch heute noch verwenden und „aus dem Vollen schöpfen” kann.
Nicht nur für den Kulturspaziergang, diesen hat Helmut Pabst zu seinen Lebzeiten mit sorgfältiger Recherchearbeit, auch im Staatsarchiv München, maßgeblich unterstützt. Er nahm Kontakt mit dem Wilhelm Busch Museum auf und finanzierte den Ankauf von Abbildungen aus eigener Tasche. Für themenbezogene Führungen wie aktuell den „Brannenburger Geschichte(n) – Brannenburgs verlorene Häuser” im April und „Brannenburgs Wassergeheimnisse” im Mai diesen Jahres dient die Sammlung als wertvolle Quelle für die lokalgeschichtliche Forschung und Aufbereitung.
Insgesamt sind die größtenteils in Schwarz-Weiß aufgenommenen Bilder und Postkarten in ca. 40 verschiedene Kategorien eingeteilt, Motive wie Dorfansichten, die das Werden und die baulichen Veränderungen dokumentieren, auch über Brannenburg und Degerndorf hinaus. Porträts von Brannenburger Bürgern, meist Gruppenaufnahmen, Feste, Veranstaltungen und Kirchenfeiertage sowie Alltagsszenen.
Im Zuge der Archivarbeit werden alle Originale eingescannt, d.h. digitalisiert. Wenn auch vielleicht nicht ganz in Helmut Pabst´s Sinne, denn das Internet hat er – so hört man – wohl komplett abgelehnt. Freuen würde ihn jedoch, dass viele Vereine für ihre Chronik schon auf sein Archiv zurückgreifen konnten, war er doch selber lange Zeit aktiv im Burschenverein, dem Trachtenverein und der Neuen Künstlerkolonie.
Text: cl – Fotos: Conni Lechner / Helmut Pabst / Angela Mayer Spannagel
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de
Der Verein »Neue Künstlerkolonie Brannenburg e.V.« hat zum Ziel die Tradition als Künstlerort, der Brannenburg bis weit ins letzten Jahrhundert war, wieder aufleben zu lassen. Dipl.-Ing. Helmut Pabst (*1934 -†2012) hat sich für die Chronik und die Heimatkundliche Dokumentation von Brannenburg im Inntal eingesetzt und das Helmut-Pabst-Archiv an die Neue Künstlerkolonie Brannenburg e.V. übergeben, damit die von ihm jahrelang gesammelten Bücher, Fotographien und Bilddokumente lebendig bleiben und für Ausstellungen zur Verfügung stehen.