Land- & Forstwirtschaft

Biodiversität: Interview mit Landwirt Sebastian Bauer

Biodiversität kann durch differenzierte Lebensräume zum Beispiel mit Blütenangeboten gelingen. Der Landwirt Sebastian Bauer aus Moosham erklärt, wie er mit dem Einsatz von Blühmischungen zum Erhalt und Schutz der biologischen Vielfalt und des Artenspektrums beiträgt.

Herr Bauer, wo kommen auf Ihrem Hof Blühmischungen zum Einsatz?

Unsere Familie bewirtschaftet zwei Betriebsstätten in Moosham und Garching. Wir betreiben ausschließlich Ackerbau mit vielfältiger Fruchtfolge, darunter Sommer- und Wintergerste, Winterweizen, Körnermais, Winterraps, Kartoffeln und zeitweise Hafer. Zum Garchinger Hof gehört noch eine Direktvermarktung mit selbst gezogenem und zugekauftem Gemüse im Angebot. Außerdem bieten wir noch landwirtschaftliche Dienstleistungen von der Aussaat bis zur Ernte an.

Als landwirtschaftlicher Dienstleister haben wir schon Erfahrung mit der Aussaat von Blühsaatgut. So haben wir zum Beispiel für die Stadt Garching im Zuge des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ Gräser- und Blühmischungen auf Brachflächen angesät. Auch im Bereich der Garchinger Heide, wo unsere Ackerflächen angrenzen. Auf einigen unseren Ackerflächen in Moosham und Garching verwenden wir häufig Leguminosenmischungen (Hülsenfrüchtler). Auf den Flächen mit großer Beschattung am Waldrand, wo erfahrungsgemäß kein Getreide wächst, kommen mehrjährige Gräser zum Einsatz. Das sind zum Beispiel Alexandrinerklee, Perserklee und Weidegras.

Um welche Saatmischungen handelt es sich dabei?

Wir verwenden selbst gemischtes Saatgut, beziehen Blüh- und Gräsermischungen aber auch vom Landhandel. Die Blühmischungen für die Brachflächen bestehen meistens aus Samen der Bohne, der Bitterlupine, der Sommerwicke, des Alexandinerklees, der blauen Wicke und des Perserklees. Ideal sind bunt gemischte Blüten mit unterschiedlichen Blühzeiten. Das ist schön anzusehen und Insekten profitieren von einer längeren Blühperiode. Nach einem Jahr Ruhephase pflügen wir die Pflanzen nach dem Abblühen wieder unter. Damit können die Insekten von April bis August die Blüten bestäuben, Nektar und Pollen sammeln. Gleichzeitig liefern die Leguminosen wertvolle Nährstoffe für den Boden und machen eine zusätzliche Düngung überflüssig. Auf diese Art gibt man der Natur wieder etwas zurück.

Solche Mischungen sind aber auch stresstoleranter, was die Witterung und den Standort betrifft. Je nachdem, ob die Saison regenreich oder trocken ist, eine Komponente passt sich immer am besten den Witterungsverhältnissen an. Auch wenn es für bestimmte Böden unterschiedliche Mischungen gibt, es sind immer Pflanzen dabei, die sich am besten anpassen können. Die Natur regelt das von selbst. Durch die Verschiedenartigkeit der Blühsamen erziele ich außerdem einen schönen Aufwuchs.

Welche Rolle spielt die Regionalität?

Bei Ausgleichsflächen achten wir darauf, heimische Arten zu verwenden. Diese haben sich am besten an den Standort angepasst. Das bedeutet, das Saatgut von Wildpflanzen sollte in der näheren Region gepflückt, vermehrt und wieder ausgebracht worden sein. „Saatgut aus der Region für die Region.“ Das erhält und schützt die biologische Vielfalt und das natürliche Artenspektrum einer Region.

Worauf muss man in der Landwirtschaft achten?

Wichtig sind Kulturarten, die ackerbaulich problemlos sind. Nehmen wir zum Beispiel Buchweizen. Wenn diese Pflanze einmal im Acker ist, wird man sie nur schwer wieder los. Vor allem Saatgutmischungen unbekannter Herkunft oder Eigenkreationen können zum Problem werden. Genaue Kenntnisse über die Pflanzen und eine Beratung im Fachhandel können dem Vorbeugen.

Ein weiterer Aspekt ist der richtige Standort bei der Auswahl von Blühmischungen. Etwas die Bodenbeschaffenheit und -qualität. Unsere Äcker befinden sich auf Schotterfläche bei Garching und in Moosham auf Lössböden. Das muss ich bei der Auswahl der Blüh- und Gräsermischungen berücksichtigen, sonst erziele ich nicht den gewünschten Wuchs.

Welchen Nutzen bringen Blühsaaten der Landwirtschaft?

Wir können unsere Böden sehr gut mit Leguminosenmischungen als Wirtschaftsgrünland vorbereiten. Bohnen als häufiger Bestandteil von Leguminosen durchdringen mir ihrem starken Wurzelwerk härtere Bodenschichten. Dadurch lockern sie Böden auch in tieferen Schichten auf. Ihre Wurzelknöllchen wiederum gehen eine Verbindung mit Bakterien ein, und binden mit deren Hilfe den Stickstoff aus der Luft. Eine kostenintensive und umweltbelastende Zufuhr von Stickstoffdüngern entfällt. Darüber hinaus geben Leguminosen wichtige Nährstoffe, wie Kalium, Magnesium und Kalzium in den Boden ab und verbessern die Bodenqualität durch den Aufbau von Humus. Zusammenfassend kann man sagen, dass Blühmischungen wie Leguminosen den Boden beleben, auflockern und die Qualität verbessern. Sie dienen als Schutz vor Bodenerosion. Zudem sind sie robust und gedeihen auch unter extremen Bedingungen. Durch den Bewuchs verschlammt bei Starkregenereignissen auch der Boden weniger häufig. Die Wasseraufnahme wird besser reguliert und gleichzeitig verhindert die Beschattung durch die Pflanzung eine zu starke Austrocknung des Ackers. Rein wirtschaftlich betrachtet bringen solche Blühflächen im Wechsel mit Fruchtanbau nur alle zwei Jahre Ertrag. Trotzdem verbessert sich durch den Wechsel die Qualität des Ackerbodens und damit des Fruchtanbaus. Das gleicht diesen Verlust in gewisser Weise wieder aus.

Welche Vorteile bringt das für den Artenreichtum?

Blühmischungen bilden wertvolle Refugien für gefährdete Pflanzen und Tiere. Nicht nur Insekten wie Bienen und Hummeln, auch Feldgrillen oder Heuschrecken nutzen die Leguminosenpflanzen als Lebensraum. Die bepflanzten Flächen dienen Vögeln, Rehen, Feldhasen oder Rebhühnern als wichtiger Rückzugsort. Das wiederum begünstigt den Lebensraum für Greifvögel wie Bussarde oder Falken.

Wie säen Sie die Blühmischungen aus?

Dies geschieht maschinell. Zuerst bearbeiten wir die Brachflächen mit der Kreiselegge. Damit entfernt man Altgräser, Fuchsschwanzgewächse und Soden also krautige Pflanzen. Mit einem kombinierten Verfahren aus Kreiselegge und Sähmaschine mit Zellenradschleuse blasen wir die Lichtkeimer der Blüh- und Gräsersamen mit Luft auf die Böden auf. Entsprechend müssen die Dunkelkeimer maschinell unter die Erde gebracht werden.

Wie helfen Sie der Biodiversität noch auf die Sprünge?

Neben dem schon beschriebenen Zwischenfruchtanbau, Humusaufbau und der Bepflanzung von Brachflächen mit Blühmischungen leisten wir einen weiteren Beitrag zur Biodiversität mit Lerchenfeldern. Das sind circa fünf Hektar große Freiflächen, die nicht bepflanzt werden. Sie dienen als An- und Abflugplatz für Lerchen. Dort finden die Vögel Nahrung und können ihre Brutplätze besser anlegen. Zudem bieten die angrenzenden Blühflächen viele Insekten als Nahrung für die Aufzucht der Jungvögel.

Ich sehe aber auch in einer vielfältigeren Fruchtfolge einen Beitrag zur Biodiversität. Nur der alleinige Anbau von Ackerkulturen wie zum Beispiel Mais und Weizen kann langfristig keine Lösung sein. Die Böden werden dadurch zu einseitig beansprucht. In der Folge nehmen die Fruchtbarkeit und die Erträge ab. Dies leistet auch Schädlingen, Krankheiten und unerwünschtem Unkraut Vorschub. Meiner Meinung nach sollte der Anbau mehrerer Kulturpflanzen dauerhaft im Wechsel mit Ruhepausen erfolgen.

Woher beziehen Sie Informationen?

Als Landwirt muss ich mich auch ackerbaulich fortbilden. Dafür nutze ich Veranstaltungen und die Fachpresse. Über die Themen Biodiversität speziell auch in der Landwirtschaft gibt es inzwischen sehr vielfältige und interessante Artikel. Zudem nutze ich die Beratung durch einen heimischen Staatguthändler.

Was ist Ihr persönliches Fazit zur Biodiversität?

Als Landwirte tragen auch wir Verantwortung für unseren Lebensraum und den Erhalt und Schutz der biologischen Vielfalt und des Artenspektrums. Mit der Aussaat von Blühmischungen auf Brach- und Ausgleichsflächen leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität. Der Boden kann sich regenerieren, heimische Pflanzen bleiben erhalten, Tiere und Insekten finden den Rückzugsort, den sie zum Überleben brauchen. Zudem freuen sich Städter über blühende Felder und surrende Insekten. Das alles schafft mehr Akzeptanz für die Landwirtschaft in der Bevölkerung. Wir leisten gerne unseren Beitrag zur Biodiversität, müssen aber auch von der Landwirtschaft leben.

Interview: ALE Oberbayern – Bildrechte: Sebastian Bauer


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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