Bei ihr ging es los wie bei den meisten Kindern, die an oder in den Alpen aufwachsen: Mit vier Jahren stand Julia Kink zum ersten Mal auf Skiern. Doch so richtig funkte es bei ihr nicht. Sie erinnert sich dunkel: „Großen Gefallen fand ich nicht daran.“ Also keine Karriere als Skifahrerin? Jein. Denn zwei Jahre später nahm sie ihr Papa mit zum Langlauf und das gefiel der sechsjährigen Julia auf Anhieb. Mit der Familie und auch beim WSV Aschau, dem sie bis heute angehört, ging sie in den kommenden Jahren immer wieder in die Loipe. Ohne sportliche Ambitionen, „nur zum Spaß“, wie sie sagt. Das änderte sich, als sie damals vor die Frage gestellt wurde: Trachtenverein oder Langlauf? Schließlich siegte der Sport und die Frasdorferin trainierte seit da an mehr und konsequenter.
Als sie dann im Alter von elf Jahren bei einem Biathlon-Schnuppertraining in Ruhpolding dabei war, hatte Julia Kink endgültig ihren Sport gefunden und Feuer gefangen. „Biathlon ist einfach ein spannend“, sagt sie. „Diese Mischung aus der Anstrengung beim Laufen und der Konzentration beim Schießen gefällt mir sehr.“
Dass Julia nicht nur Spaß an der Sache hat, sondern auch viel Talent mitbringt, um irgendwann einmal ganz oben mitzumischen, haben auch die Experten des Sportgymnasiums im norwegischen Lillehammer erkannt, auf das die 19-Jährge seit August 2020 geht und auf dem sie in diesem Jahr auch ihr Abitur machen wird. Dort findet sie die optimalen Bedingungen für ihren Sport und hat in Tom Haugen einen Trainer, der sie in den vergangenen Jahren sportlich wie menschlich geformt hat. Eine Kombination, die Julia Kink sehr zu schätzen weiß. Sie schwärmt: „Norwegische Trainer schauen auf das Gesamte. Da geht es nicht nur um den Sport, sondern auch um das Soziale und wie man in der Schule ist.“
Da liegt es auf der Hand, dass sich auch die Erfolge im Wettkampf einstellen. Beim Deutschlandpokal im Martteltal in diesem Januar landete sie im Einzel auf dem zweiten Platz. Damit es demnächst auch nach ganz oben geht, trainiert sie derzeit mit einem Mentaltrainer. Denn sie weiß: „Obwohl das Laufen meine Stärke ist, kann ich auch ganz gut Schießen. Allerdings meistens nur im Training. Im Wettkampf mache ich mir da oft zu sehr Druck. Das ist in der Loipe in Ordnung, doch am Schießstand muss man lockerer sein und sich auf den Punkt konzentrieren können.“
Das hat sich ausgezahlt: Bei der Junior-WM in in Schtschutschinsk in Kasachstan schaffte sie gleich fünfmal den Sprung aufs Treppchen und gewann zweimal Gold und dreimal Silber für Deutschland.
Bei diesen Erfolgen half ihr auch der Tagesablauf auf dem Sportgymnasium, durch den sie viele anstrengende Trainingseinheiten absolvieren kann. Um 7 Uhr wird aufgestanden und um 8 Uhr trainiert. Schule ist dann erst um 12 Uhr und dauert den Nachmittag über, bevor dann abends wieder das nächste Training ansteht. Anstrengend, aber erfüllend. Julia Kink ist happy mit ihrem Leben in Norwegen, das es ihr ermöglicht, in ihrer Sportart so weit wie möglich nach vorne zu kommen.
Auch für die Zeit nach dem Abi hat sie schon einen Plan. Wenn sie wieder dauerhaft zurück in Deutschland ist, will sie erstens beruflich bei einer Behörde, die für den Leistungssport freistellen würde, anfangen –– und zweitens an ihrer sportlichen Karriere weiterarbeiten. Dann will sie in Ruhpolding und in der Trainingsgruppe von Andi Birnbacher sein. „Dafür muss ich Kaderstatus haben“, sagt sie. Bei der Leistungsdichte im deutschen Biathlon ist das kein Selbstläufer, doch Julia Kink will die Herausforderung annehmen und über den IBU- und den Jugendcup in den Weltcup.
Und dann, irgendwann hoffentlich einmal, auch bei der Olympiade starten. Wenn demnächst ihre Schießleistungen dank Mentaltraining ähnlich gut werden, wie ihre Performance beim Laufen ist das alles andere als eine Utopie.
Text: af – Bilder: Julia Kink
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de