Gastronomie

BHG-Stellungnahme zum Angriff des DGB auf Aiwanger

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Angesichts der Äußerungen des DGB Unterfranken, der bayerische Wirtschaftsminister Huber Aiwanger befände sich hinsichtlich seiner Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten im Irrflug, zieht der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern deutlich Stellung:

DEHOGA Bayern Landesgeschäftsführer Dr. Thomas Geppert: „Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat Recht. Das heutige System zur Arbeitszeitregelung geht an der Arbeits- und Lebensrealität von Arbeitnehmern und Unternehmen vorbei.“ Die heutigen Regelungen sind nicht geeignet, die veränderten Bedürfnisse von Arbeitnehmern abzubilden, um die Anforderungen des privaten Lebens mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen. Das System ist nicht geeignet, auch künftig die Bedürfnisse der Gesellschaft – Produkte und Dienstleistungen zu jeder Zeit und an jedem Ort abrufen zu können – zu erfüllen. Darüber hinaus bilden die Regelungen nicht die Bedürfnisse einer in Wertschöpfungsketten aufgestellten Wirtschaft ab.

Geppert: „Wir brauchen einfache, transparente und flexible Arbeitszeitregelungen. Wir fordern gemeinsam für Arbeitnehmer und Arbeitgeber mehr Flexibilität!“

Warum reden wir überhaupt von Arbeitszeit?

In unserer modernen Gesellschaft ist es für uns alle selbstverständlich, Waren und Dienstleistungen zu jeder Zeit und an jedem Ort abzurufen. Das gilt für private Haushalte ebenso wie für Unternehmen. Um diese hohe Verfügbarkeit von Leistungen zu gewährleisten, arbeiten Menschen jeden Tag mit großem Engagement. Die Zeit, die jeder Einzelne für die Arbeit verwendet – also wann er wo, wie und wie lange arbeitet – wird in Deutschland in einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Tarifverträgen zur Arbeitszeit geregelt. Diese sind entscheidend dafür, wie wir heute arbeiten möchten und in Zukunft arbeiten können.

Arbeitszeitregelungen sind kaum nachvollziehbar und nicht mehr zeitgemäß

Diese Regelungen basieren im Wesentlichen auf Anforderungen, die Arbeitnehmer und Unternehmen in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatten: Damals beruhte Arbeit darauf, dass alles an einem Ort in einem festgefügten Rahmen erledigt wurde – und das mit einem klaren Anfang und Ende. Mit Einführung der PCs, neuen technologischen Möglichkeiten und neuen Produktionsabläufen über Standort-, Länder- und Zeitgrenzen hinweg sowie neuen Kundenwünschen hat sich die Arbeits- und Lebensrealität für alle seit Mitte der 80er Jahre massiv verändert. Entsprechend wurden die Regelungen der Arbeitszeit immer wieder ergänzt und angepasst. So ist über die letzten Jahrzehnte ein komplexes System von Arbeitszeitregelungen entstanden, das mittlerweile kaum nachvollziehbar ist und den heutigen und zukünftigen Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht mehr entspricht.

Wir brauchen keine Erhöhung des Arbeitszeitvolumens

Geppert: „Oft wird von Politik und Gewerkschaften behauptet, dass es bei der neuen Ausrichtung der Arbeitszeitregelungen darum geht, Menschen in Deutschland und Bayern länger und mehr arbeiten zu lassen. Das ist nicht richtig! Es geht darum, das zulässige Arbeitszeitvolumen – also die Zeit, die ein Arbeitnehmer arbeitet – flexibler als heute zu verteilen. Nur so können wir uns auch in Zukunft mit die kürzesten Arbeitszeiten im weltweiten Vergleich leisten.“

Arbeitnehmer und Arbeitgeber brauchen vor allem mehr Flexibilität

Mehr Flexibilität in der Arbeitszeit ist kein Selbstzweck. Sie bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer und Unternehmen. Deshalb liegt sie im gemeinschaftlichen Interesse aller Beteiligten. Wir brauchen eine Balance zwischen den Erwartungen der Kunden, den Flexibilitätswünschen der Mitarbeiter und den Flexibilitätserfordernissen der Betriebe.

  • Mehr Arbeitszeitflexibilität ermöglicht es, Produkte und Dienstleistungen genau dann anzubieten, wenn Kunden – also private Personen, Unternehmen und die Gesellschaft – diese brauchen. Zufriedene Kunden sind eine zwingende Voraussetzung, dass Unternehmen am Markt bestehen und sichere Arbeitsplätze bieten können. Auch deshalb sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam daran interessiert, ihre Kunden zufriedenzustellen.
  • Arbeitnehmer haben steigende individuelle Anforderungen und wollen mehr freie Gestaltungsmöglichkeiten für ihr Leben. Nur ein neues, modernes Arbeitszeitgesetz lässt genügend Raum, um die Anforderungen des täglichen Lebens mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen.
  • Mit mehr Arbeitszeitflexibilität können Unternehmen individuelle Anforderungen ihrer Beschäftigten, die im gemeinsamen Interesse liegen, erfüllen. Gleichzeitig ist mehr Flexibilität die Voraussetzung, Leistungen – also Produkte und Dienstleistungen für private Kunden, Unternehmen sowie für die Gesellschaft – in einem vorgegebenen Zeitraum, in einer bestimmten Jahreszeit und manchmal eben auch rund um die Uhr erbringen zu können.

Wir brauchen einfache, transparente und flexible Arbeitszeitregelungen

Das heutige System zur Arbeitszeitregelung geht an der Realität von Arbeitnehmern und Unternehmen vorbei.

  • Die heutigen Regelungen bilden nicht die Bedürfnisse einer in Wertschöpfungsketten aufgestellten Wirtschaft ab
  • Sie sind nicht geeignet, die veränderten Bedürfnisse von Arbeitnehmern abzubilden, um die Anforderungen des privaten Lebens mit dem Berufsleben in Einklang zu bringen
  • Das System ist nicht geeignet, auch künftig die Bedürfnisse der Gesellschaft – Produkte und Dienstleistungen zu jeder Zeit und an jedem Ort abrufen zu können – zu erfüllen.

7 Kernforderungen

  1. Wir benötigen einen neuen gesetzlichen Rahmen unter Beachtung des zulässigen Arbeitszeitvolumens und Ruhezeiten, wie sie die EU-Regelungen vorsehen.
  2. Wir benötigen eine flexiblere Verteilung der Arbeitszeit – weg von einer eher täglichen Betrachtung hin zu einer wöchentlichen Betrachtung der Arbeitszeit mit maximal 48 Stunden pro Woche bei einer täglichen Mindestruhezeit, die betrieblich entsprechend der jeweiligen Aufgaben und Tätigkeiten festgelegt wird.
  3. Wir brauchen flexible Lösungen für Wochenend- und Schichtarbeit unter Berücksichtigung der Mitarbeitergesundheit.
  4. Wir benötigen mehr individuellen Spielraum, um die gemeinschaftlichen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern abbilden zu können.
  5. Wir brauchen flexible Möglichkeiten, die die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Branchen abbilden, denn es gibt massive Unterschiede zwischen Landwirtschaft, Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen.
  6. Innerhalb einer Branche müssen betriebsspezifische Anforderungen abgebildet und individuelle Bedürfnisse von Arbeitnehmern und Unternehmen berücksichtigt werden können.
  7. Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen, der die Chancen und neuen Anforderungen der Digitalisierung realitäts- und zeitnah abbildet.

Und das wollen wir nicht

  • Wir wollen keine Erhöhung des Arbeitszeitvolumens
  • Wir wollen keine Entmündigung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern
  • Wir brauchen keine neuen Gesetze zur Teilzeit und Wahlarbeitszeit
  • Wir brauchen keine Steigerung der Arbeitskosten

Für mehr Gastfreundschaft

Rund 40.000 Betriebe in Bayern mit mehr als 400.000 Erwerbstätigen haben jeden Tag damit zu kämpfen, dass die tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Das Arbeitszeitgesetz sieht eine tägliche Regelarbeitszeit von acht Stunden vor, die auf maximal zehn Stunden verlängert werden kann, wenn innerhalb eines halben Jahres ein entsprechender Zeitausgleich erfolgt. Haben Arbeitnehmer mehrere Beschäftigungen, werden die Arbeitsstunden aus allen Beschäftigungen zusammengezählt. Diese starre Regelung entspricht nicht mehr der Lebenswirklichkeit und kann in vielen Bereichen schnell zum unlösbaren Problem werden, da nicht flexibel auf Gästewünsche, krankheitsbedingten Ausfall von Mitarbeitern oder Saisonspitzen reagiert werden kann.

Ein besonderes Problem stellen hierbei die geringfügigen Nebenbeschäftigungen dar. Für den Arbeitgeber sind diese mit erheblichen Risiken behaftet, da er im Zweifel bei der Einsatzplanung nicht weiß und auch nicht wissen kann, ob und wie viele Stunden sein Mitarbeiter am fraglichen Tag bereits in einer anderen Tätigkeit gearbeitet hat. Dabei liegen die Nebenbeschäftigungen im Interesse der Arbeitnehmer, die gerne einige Stunden mehr arbeiten, um sich etwas hinzuzuverdienen. Um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, brauchen wir daher eine wesentlich höhere zeitliche Flexibilität. Flexibilität fordern auf der anderen Seite auch die Arbeitnehmer unserer Mitgliedsunternehmen. Im Zeitalter von „Work-Life-Balance“ werden starre, tägliche Arbeitszeitregelungen gerade auch arbeitnehmerseitig infrage gestellt.

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit, wie sie die EU-Arbeitszeitrichtlinie vorsieht, ist eine gute Lösung für alle Beteiligten. Dabei geht es keineswegs um eine Erhöhung des Arbeitsvolumens, sondern lediglich um eine flexiblere Verteilung des bestehenden Arbeitsvolumens. Durch die Regelung der Ruhezeiten wären auch die Belange des Gesundheitsschutzes gewahrt.

Das fordert der DEHOGA Bayern:

  • Eine Umstellung des Arbeitszeitgesetzes von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit.
  • Wir fordern keine Verlängerung der Gesamtarbeitszeit.

In unzähligen branchentypischen Fallkonstellationen ergeben sich Situationen, in denen Unternehmer und Arbeitnehmer – trotz bester Personalplanung – nicht mit der täglichen Höchstgrenze zurechtkommen.

Beispiele aus der Praxis

  • Beispiel Wetter: Ein Biergartenbetreiber hat aufgrund der ursprünglichen Wettervorhersage das Serviceteam erst für 15.00 Uhr eingeteilt. Wider Erwarten scheint am Morgen die Sonne und zahlreiche Gäste strömen in den Biergarten. Die Servicemitarbeiter fangen so bereits um 11.00 Uhr an zu arbeiten, statt wie geplant um 15.00 Uhr und können aufgrund des großen Andrangs auch vor 23.00 Uhr am Abend nicht ihre Arbeit beenden. Da ein gutes Biergartengeschäft dieser Art nur an maximal 50 Tagen pro Jahr vorkommt, kann der Wirt an so einem Tag nicht wirklich um 20.00 Uhr seinen Betrieb schließen. Nicht nur die Gäste, sondern auch die Mitarbeiter hätten dafür kein Verständnis.
  • Beispiel Hochzeit: Am Samstag findet die Hochzeitsfeier im Gasthof statt. Die Gäste treffen nach der kirchlichen Trauung um 17 Uhr ein. Die Arbeitszeit der Mitarbeiter begann um 15 Uhr. Das Veranstaltungsende war für 1 Uhr vorgesehen. Aufgrund der guten Stimmung wird es jedoch 4 Uhr. Aus verständlichen Gründen kann der Gastwirt nicht um 1 Uhr die Hochzeitsfeier beenden, denn dies wäre dann sicherlich die letzte Veranstaltung dieser Art in seinem Haus. Es ist ihm auch nicht möglich, im Laufe des Abends das Serviceteam auszuwechseln, da er auf Abruf ab Mitternacht keine Schicht vorhalten kann.
  • Beispiel Nebenbeschäftigung: Die in Teilzeit (25 Stunden) pro Woche arbeitende Bankangestellte verdient sich seit Jahren am Wochenende etwas in der Gastronomie hinzu, um sich kleinere Anschaffungen oder auch einen Urlaub gönnen zu können. Normalerweise passiert dies am Samstag oder Sonntag, hin und wieder jedoch stattdessen am Freitag von 18 Uhr bis 24 Uhr. Da sie an diesem Freitag in der Sparkasse von 8 Uhr bis 15 Uhr gearbeitet hat, darf sie am Abend nach dem Arbeitszeitgesetz eigentlich nur noch maximal 3 Stunden arbeiten. Das deckt die Zeit des sechsstündigen Abendservices nicht ab. Dieser Fall lässt sich auf hunderttausende Arbeitnehmer ausdehnen, die einer Nebenbeschäftigung nachgehen.
  • Beispiel Familie: In einigen Fällen besteht auch der ausdrückliche Wunsch der Arbeitnehmer, länger als 10 Stunden zu arbeiten, wie zum Beispiel die alleinerziehende Mutter, die zwei Tage je 12 Stunden statt dreimal 8 Stunden arbeiten will. In dieser Kombination verdient sie effektiv am meisten.

Text und Foto: DEHOGA Bayern

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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