Schleching: Auf der vergangenen Gemeinderatssitzung wurde bekannt gegeben, dass der Notarvertrag für den Verkauf des Streichen-Anwesens an die Stiftung Kulturerbe Bayern sowie die Familienstiftung Yvonne und Thomas Wilde am 29. Juli unterzeichnet wurde und das Anwesen mittlerweile an die beiden Stiftungen übergegangen ist. Somit haben sich alle weitere Beschlüsse zu diesem Thema erübrigt.
Bürgermeister Josef Loferer begrüßte Yvonne Molek und ihren Mann Thomas Wilde von der Familienstiftung, Dr. Andreas Hänel und Alexander von Hornstein von der Stiftung Kulturerbe Bayern. Die Sitzung wurde von den beiden Stiftungen genutzt, um sich allen Gemeinderatsmitgliedern persönlich mit dem Werdegang und der Motivation zu diesem für Schleching so wichtigen Schritt vorzustellen.
Familienstiftung Wilde stellt sich vor – Thomas Wilde berichtete, dass er und seine Frau seit nunmehr fast 30 Jahren in Mühlau wohnen und sich dem Achental sehr verbunden fühlen. Im Jahre 2018 haben die beiden die von ihnen gegründete Kommunikationsagentur mit Schwerpunkt Touristik, Hotellerie, Gastronomie und Luftfahrt mehrheitlich verkauft und noch im selben Jahr in Schleching eine gemeinnützige Familienstiftung ins Leben gerufen. Zunächst wollte sich das Ehepaar im Ausland mit der Stiftung engagieren, haben dann aber im Achental und insbesondere in Schleching den passenden Wirkungskreis gefunden. So wurden im November vergangenen Jahres unter anderem Schlechinger Vereine unterstützt, denen durch die Absage des Christkindlmarktes die Einnahmen fehlten. Im Januar stand die Frage zum Verkauf des Berggasthofes Streichen im Raum. Thomas Wilde sah es als Schicksalsfügung, sich mit Erwerb des Streichens über die gemeinnützigen Stiftung hier an einem Objekt zu beteiligen, das somit auf Dauer für die kommenden Generationen den Schlechingern und allen Besuchern erhalten bleiben kann. Er freute sich, mit der Kulturstiftung Bayern einen verlässlichen Partner mit den gleichen Zielen an seiner Seite zu haben. Nach den Worten von Thomas Wilde soll der Streichen künftig noch näher an das Leben im Dorf gebunden werden und nach der Wieder-Eröffnung zu einem Ort werden, an dem auch wieder verstärkt kulturelle Veranstaltungen stattfinden sollen. Hierfür bat er auch um Unterstützung des Gemeinderates.
Kulturerbe Bayern stellt sich vor – Dr. Andreas Hänel nahm die Gelegenheit war und stellte sich und die Stiftung Kulturerbe Bayern vor. Dr. Hänel ist der 2. Stellvertretende Vorsitzende und der anwesende Alexander von Hornstein (Gründungsstifter und Mitglied des Vorstandes) ist für Recht und Finanzen zuständig. „Gemeinsam Schätze erhalten und erlebbar machen“ ist einer der Leitgedanken, führte Dr. Hänel aus. Die Stiftung setzt sich ein für die Bewahrung von gebauten und gewachsenen Kulturgütern, die Instandsetzung und den Erhalt historischer Gebäude oder von Kulturlandschaftsteilen wie Gärten oder Parks. Ziele sind die lebendige Nutzung geretteter Kulturgüter für eine breite Öffentlichkeit mit nachhaltigen Nutzungskonzepten. Er zeigte die zwei ersten „Schützlinge“ der Stiftung. Die Judengasse 10 in Rothenburg ob der Tauber und das Porzellanschloss Erkersreuth bei Selb und nun als drittes Projekt der Berggasthof Streichen.
Die Entwicklung vom ersten Kontakt bis zur Notariatsunterschrift Ende Juli ging sehr schnell. Dr. Hänel erzählt, wie erst am 12. Juli ein erster Kennenlerntermin mit Sepp Loferer und Elfie Bachmann stattfand und schon am 29. Juli der Kaufvertrag unterschrieben wurde und gleichzeitig die Gründung der „Streichenfreunde“ als Ortsgruppe von Kulturerbe Bayern e.V. auf dem Streichen stattfand. Die „Streichenfreunde“ werden den Erhalt und die Nutzung des Berggasthofs durch Volunteeringaktionen (Ehrenamtliche Leistungen) und Veranstaltungen unterstützen, berichtet Dr. Hänel weiter und forderte auf „wer Mitglied bei den „Streichenfreunden“ wird, kann einen wichtigen Beitrag zum Erhalt dieses bedeutenden Kulturdenkmals leisten und profitiert von allen Vorteilen, die Kulturerbe Bayern-Mitglieder genießen“.
Der Kaufpreis ist inzwischen an die Erben gezahlt worden, aber die Kosten der Instandsetzung in einer Größenordnung von geschätzten zunächst rund 750.000 Euro müssen durch Spenden und Zuschüsse finanziert werden. Mit dem bisherigen Spendeneingang ist Dr. Hänel sehr zufrieden, der Spendenstand beträgt aktuell bereits rund 245.000 Euro. Dr. Hänel bedankte sich im Namen der beiden Stiftungen für die bislang eingegangenen Spenden. „Wir sind auf Spenden angewiesen, jeder Euro zählt, damit wir den „Streichen“ schnellstmöglich wieder eröffnen können!“Noch in diesem Jahr wird die Kulturerbe Bayern landesweit eine Initiative starten, um die für die Modernisierung und Sanierung notwendigen finanziellen Mittel über Spenden zu akquirieren. Dr. Hänel erläuterte den nach seinen Worten durchaus ambitionierten Terminplan, so stellen sich in dieser Woche vier Architektenteams vor. Die Auswahl des Architekten für die Instandsetzungen und der Arbeitsbeginn sollen noch im Oktober beginnen, um die im günstigsten Fall noch in diesem Jahr die Bauanträge einzureichen. Dr. Hänel hofft, dass die Genehmigungen zeitnah erfolgen und der Baubeginn im Frühjahr 2022 erfolgt. In Abhängigkeit vom Genehmigungsfortschritt und den für das Vorhaben zwingend notwendigen Spenden wird eine Wiedereröffnung (zumindest teilweise) im Sommer 2022 angestrebt. Im persönlichen Gespräch mit unserer Mitarbeiterin führte Dr. Hänel aus, dass kein Eingriff in die Substanz des ursprünglichen Gebäudes im vorderen Teil erfolgen wird (Denkmalschutz), die Arbeiten konzentrieren sich vielmehr auf die Küche, die Tenne, den Stall und die Almhütte. Die Ausstattung des Berggasthofes ist doch „in die Jahre gekommen“ und muss vor einer Wiedereröffnung umfassend modernisiert werden. Erste Angebote von Handwerkern aus der Region für ehrenamtliche Leistungen und erste Angebote für die Küchenplanung liegen vor.
Einbindung der Gemeinde Schleching – Es ist die Gründung eines Beirats mit beratender und unterstützender Funktion geplant, führte Dr. Hänel aus. Im Beirat sind Bürgermeister Sepp Loferer, 2. Bürgermeisterin Elfie Bachmann, jeweils zwei Vertreter der beiden Stiftungen und ein Vertreter der „Streichenfreunde“. Die erste Zusammenkunft des Beirats soll noch in diesem Jahr erfolgen. Den Gemeinderäten empfahl Dr. Hänel, dass sie Mitglied bei den „Streichenfreunden“ werden, um sich aktiv in die Diskussion um die Zukunft des Streichens und seine Nutzung einzubringen, Werbung für die „Streichenfreunde“ in der Bevölkerung zu machen und sich persönlich einzusetzen für Spendengelder oder Volunteeringleistungen bei Privatpersonen und Unternehmen.
Bericht und Foto: Sybilla Wunderlich – Berggasthof Streichen