Mit mehr als 80 Veranstaltungen haben 18 Jugendtreffs und Jugendzentren in Stadt und Landkreis den Juni zum Aktionsmonat gemacht. Nach Corona hieß das Ziel, die hauptamtliche Offene Jugendarbeit wieder sichtbar zu machen. Das ist gelungen und das ist gut so, denn für viele junge Menschen sind die Jugendtreffs und Jugendzentren ein enorm wichtiger Anlaufpunkt.
„Der Jugendtreff und die Leute, die da arbeiten haben mich durch eine Phase meines Lebens gebracht, in der ich nicht wusste, wer ich bin, was ich mag und was ich kann“, sagt die heute 25-jährige Fanni aus Bad Aibling. Sie ist der Meinung, dass solche Treffs und deren Mitarbeiter komplett unterschätzt werden.
Lukas aus Bruckmühl ist 13 Jahre alt und besucht den Jugendtreff seiner Gemeinde ein bis dreimal die Woche. Er trifft dort Freunde, übernimmt den Thekendienst und verbringt seine Zeit am liebsten auf der Dachterrasse. Den Treff leiten Julia Martius und Deniz Celik. Lukas mag, dass man mit ihnen viel Quatsch machen und chillen kann, „aber sie passen auch auf einen auf.“
Für die heute 21-jährige Dominique aus Oberaudorf war es besonders wertvoll, dass die Sozialpädagogin Rosi Held, die den Jugendtreff CO2 in Oberaudorf schon seit vielen Jahren leitet, immer ein offenes Ohr für sie hatte. Fünf Schlagworte, die Dominique spontan zu ihrer Zeit im CO2 einfallen, sind: „Zusammenhalt, Familie, Zuhause, Zuhören und Hilfe“. Einen ganz normalen Tag im Jugendtreff beschreibt sie so: „Du hast immer viele Leute getroffen. Die Atmosphäre war entspannt und locker. Es gab Musik und Nudeln mit Tomatensauce. Ich habe dort fast jeden Tag Nudeln gekocht, denn bei mir daheim gab es kein warmes Mittagessen. Backen gelernt habe ich von Rosi auch.“
Das Essen spielte auch für Fanni eine Rolle. Ihre Schlagworte: „Freundschaft, Ramen-Nudeln, Kaffee und Übernachtungs-Partys.“ Aber Fanni hat auch sofort Bilder im Kopf: „Ein Raum voller Leute mit Ideen – alle reden gleichzeitig, es ist laut – irgendwann kommt etwas Ordnung rein und es entstehen kreative Ideen aus denen Pläne werden, die dann mit Leidenschaft in die Tat umgesetzt werden. Die Zeit verfliegt und es kommt nie Langeweile auf.“ Zwei konkrete Aktionen fallen ihr spontan ein: Ein Tag an der Mangfall mit jungen Leuten aus dem ganzen Landkreis Rosenheim, eine Slagline, die über das Wasser gespannt ist und jede Menge Wassermelonen. Dann das großartige Varieté-Theater, das eine Gruppe im JUZ Bad Aibling auf die Bühne gebracht hatte, mit unzähligen Proben bis spät in die Nacht – „so spät, dass einmal niemand mehr heimgeradelt ist, sondern 10 Leute auf einer riesigen Weichbodenmatte übernachtet haben.“
Ein Zufluchtsort sei der Jugendtreff für sie gewesen, beschreibt es Fanni. Im Alter zwischen 14 und 16 Jahren sei sie mindestens zweimal die Woche direkt nach der Schule hingefahren. Ganz wichtig seien die Sozialpädagogen, Mira Struckmeier und Harry Artmaier, für sie gewesen. Die hätten sie von Anfang an ernst genommen, so wie sie war, auch mit ihren Fehlern und Problemen. Dieser Respekt habe sich ganz anders angefühlt, als sie es von den Eltern oder Lehrern kannte. „Und das war genau das, was ich gebraucht habe, um anzukommen und meine eigenen Stärken erkennen zu können.“ Die Erfahrung gemacht zu haben, dass sie etwas schaffen kann, wirke bis heute nach, erzählt Fanni „und das breite Grinsen im Gesicht, wenn man stolz auf sich ist.“ Beim Mittelalterlager, das auch heuer wieder im Ferienprogramm der Stadt Bad Aibling angeboten wird, sei sie selbst „als 15-Jährige mit Makeup, Seidenstrumpfhose, Mini-Rock und auf hohen Absätzen hineingestolpert und nach einer Woche barfuß und glücklich wieder rausgekommen.“
Die größte Hürde für Jugendliche ist meist der erste Besuch im Jugendtreff. Lukas findet, dass das nicht sein muss: „Macht euch nicht in die Hose“, rät er anderen jungen Leuten. „Geht einfach mal rein!“ Fanni erinnert sich, dass sie es nicht leicht fand, sich zum ersten Mal in den Jugendtreff zu trauen. Monatelang ist sie auf dem Schulweg an dem JUZ vorbeigeradelt und jedes Mal schlug ihr Herz höher, wenn sie die Gruppen älterer Jugendlicher aus anderen Schulen sah. Deshalb empfiehlt sie allen, die zögern: „Geht mit Freunden zusammen hin! Und sagt einfach geradeheraus, dass ihr zum ersten Mal da seid. Die Leute sind meist unheimlich offen!“ Auch besondere Aktionstage empfiehlt Fanni für den Einstieg: „denn bei sowas sind immer viele Neue da!“
Dominique meint: „Man kommt mit einer Hoffnung dahin. Und die wird nicht enttäuscht. Mir hat Rosi in unzähligen Gesprächen viel Mut gegeben – den Mut, nicht aufzugeben und an Sachen dran zu bleiben. Ich war immer willkommen. Ich wurde nicht bevormundet und Rosi hat mit mir auf einer Ebene gesprochen.“ Das hat ihr auch bei ganz konkreten Problemen geholfen: „Ich bin in der Schule gemobbt worden. Also bin ich nicht mehr hingegangen. Das hat natürlich irgendwann Ärger gegeben. Theo Hülder vom CO2 hat mir geholfen, eine Stellungnahme fürs Gericht zu schreiben. Im Jugendtreff kann man immer Hilfe finden!“
Dominique war fast immer da, wenn der Jugendtreff geöffnet hatte. „Zu Hause hätte ich nur ferngeschaut. Im Jugendtreff habe ich Leute getroffen, Billiard und Basketball gespielt und eigene Wünsche und Ideen einbringen können.“
Fanni sieht eine besondere Qualität der Jugendtreffs und deren Fachkräften darin, dass sie so viele Ressourcen und Knowhow bündeln, dass fast alles möglich werden kann: „Du kommst mit einer Idee in den Jugendtreff und plötzlich wird sie real. Ich erinnere mich zum Beispiel an Zirkus- und Theater-Gruppen, Kunst-Projekte, Bogenschießen, eine Waldwoche und die Jugend-Bibliothek, die es jetzt ganz neu im JUZ Bad Aibling gibt.“ Dort findet man auch ein Gelände für Parkour Training. Bei anderen Treffs kann man Volleyballspielen, Skaten oder Bouldern.
Zum Abschluss ergänzt Fanni noch ein paar vorgegebene Sätze: Jugendtreffs sind ein guter Ort, weil… „man da hinkommen kann, wie man ist.“ An den Mitarbeitern im Jugendtreff finde ich super, dass… „sie immer für einen da sind und einen ernst nehmen.“ Wenn ich mir was für die Jugendtreffs wünschen könnte, dann… „wäre das eine gesicherte Finanzierung, eine Anerkennung der dort geleisteten Arbeit und weniger Bürokratie.“ Ohne den Jugendtreff, … „wäre ich nicht dahin gekommen, wo ich heute bin.“
Und Dominiques letzter Satz endet ganz ähnlich: „Ohne den Jugendtreff wäre ich wahrscheinlich nicht die starke Frau, die ich jetzt bin.“
Bericht und Fotos: Landratsamt Rosenheim