Der Bayernbund informiert:
Eigentlich müsste der Hohenpeißenberg 500 Kilometer südlich in Italien liegen – mit diesen drastischen Worten beschreiben die Wissenschaftler des Meteorologischen Observatoriums Hohenpeißenberg die Veränderungen in unserem Klima. Nicht erst seit „Fridays for Future“ gibt es um das Thema „Klimawandel“ heftige Diskussionen in Politik und Gesellschaft mit äußerst gegensätzlichen Positionen.
Uns als Bayernbund ist an einer Versachlichung der Kontroversen und insbesondere an der Frage gelegen, wie sich der mittlerweile unbestreitbare Klimawandel auf Bayern auswirkt. Darüber haben wir mit dem Diplommeteorologen Ulf Köhler vom Meteorologischen Observatorium gesprochen.
„Ein Drittel der Ozonveränderung kann nicht durch Chemie, sondern nur durch Klimaveränderung erklärt werden. Der Hohenpeißenberg ist eigentlich 500 Kilometer nach Süden gerückt!“
Die Hohenpeißenberger Ozonmessreihen zeigen deutlich die Auswirkungen menschengemachter Ozonzerstörung durch FCKW. Diese werden seit den 90er Jahren nicht mehr produziert und verschwinden langsam aus der Erdatmosphäre. Bis sich die Ozonschicht nachhaltig erholen kann, wird es noch Jahrzehnte dauern. Bis dahin werden Treibhausgase die Atmosphäre weiter deutlich verändern. Die Troposphäre, die untere Schicht der Atmosphäre, wird sich erwärmen, die Stratosphäre wird abkühlen, weil das Kohlendioxid die Eigenschaft hat, die Wärmestrahlung der Erdoberfläche in der Troposphäre zurück zu halten.
Der Anstieg von Kohlendioxid und anderen Spurengasen (Methan, Distickoxid) verändert die Strahlungsbilanz der Atmosphäre und als Folge dann das Klima. Zwischen Ozon und Klima besteht eine wechselseitige Beeinflussung, die genaue Modellvorhersagen der zukünftigen Entwicklung so schwierig machen.
An dieser Stelle ist zu unterscheiden zwischen Wetter (dem „momentanen“ Zustand der Atmosphäre im Zeitraum von einer Stunde bis einem Tag), der Witterung (Charakter des Wetters über einige Tage oder eine Jahreszeit) und dem Klima (mittlerer Zustand der Atmosphäre über mindestens 30 bis 40 Jahre). Da Klima nirgendwo auf der Erde ein stabiler Zustand ist, sondern sich ständig ändert, sind besonders lange Messreihen nötig, um natürliche oder menschengemachte Klimaschwankungen oder -veränderungen feststellen zu können.
Ulf Köhler: „Eigentlich bräuchten wir keine Messgeräte um den Klimawandel fest zu stellen, es genügt ein Blick darauf, wie sich der Tag der ersten Blattentfaltung der Rotbuche in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat.“
Unser Klima ändert sich durch natürliche Einflüsse, langfristige wie Sonnenaktivität, CO2-Verarbeitung durch Pflanzen oder die Kontinentalverschiebung, aber auch durch plötzliche, zum Beispiel Vulkanausbrüche. Unser Klima ändert sich aber auch durch anthropogene, also vom Menschen verursachte Einflüsse wie Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe oder einer veränderten Landnutzung.
Mit Hilfe der bereits 1958 durch den Chemiker Charles Keeling auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Loa begonnenen Messungen konnte nachgewiesen werden, dass sich das Mischungsverhältnis in der Lufthülle kontinuierlich verändert und die CO2-Konzentration bald eineinhalbmal so hoch sein wird, wie in vorindustrieller Zeit. (Keeling-Kurve https://de.wikipedia.org/wiki/Keeling-Kurve)
Der Chemiker Eduard Suess hat bei Isotopenmessungen festgestellt, dass in unserer Luft der Anteil zweier Kohlenstoff-Isotope (13C und 14C) zurückgeht. Weil diese aber in Kohle und Öl kaum oder nur wenig enthalten sind, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Keeling-Kurve durch Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Energieträger nach oben getrieben wird – die Klimawandel also sehr wohl durch menschliches Handeln zumindest verstärkt wird. (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Radiokarbonmethode#Suess-Effekt).
Anschaulicher Vergleich: Spurengase kommen nur in Spuren vor, wirken aber wie Hormone im Körper sehr stark. „Hormonveränderungen“ verursachen Krankheiten!
Die Temperaturrekorde in diesem und im vergangenen Sommer sind ohne Zweifel Auswirkungen des Klimawandels.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Klimawandel für Bayern?
Bedingt durch die Vielfalt Bayerns werden sich starke regionale Unterschiede ergeben. Während im Alpenvorland eher kein Wassermangel zu befürchten ist, dürfte es in Franken insgesamt trockener werden. So können beispielweise die Sandböden in Oberfranken weniger Wasser speichern.
Die Baumgrenze im Gebirge geht nach oben und die Lebensräume von Tieren und Pflanzen verändern sich. Bisher bei uns nicht heimische Tier- und Pflanzenarten (z.B. Taubenschwänzchen und Ambrosia) wandern zu.
„Sehr wahrscheinlich werden Hitzeextreme, Hitzewellen mit Dürren, aber auch Stark-niederschläge mit Hochwasser noch häufiger.“
Der ehemalige Leiter des Nationalparks Berchtesgaden, Michael Vogel, sieht die Alpen im Klimastress:
„In den Alpen vollzieht sich der Klimawandel im Zeitraffer. Die Temperaturen steigen dort dreimal so schnell wie im weltweiten Mittel. Und ein Temperaturanstieg von nur einem Grad im Jahresdurchschnitt entspricht in den Bergen bereits einem Höhenunterschied von 200 Metern. Gebirgspflanzen, so sie überleben wollen, müssen also klettern. Die Folge: Auf den Gipfeln steigt die Vielfalt der Pflanzenarten – und zwar umso mehr, je stärker die Erwärmung ist. Was sich zunächst wie eine gute Nachricht anhört, bedeutet letztlich, dass Pflanzenarten wie der Bayerische Enzian, die sich perfekt an die rauen Bedingungen in großer Höhe angepasst haben, verdrängt werden könnten.“
Bröckelnde Berge
„Der Nationalpark ist eine Art Freiluftobservatorium, in dem sich das freie Spiel natürlicher Dynamik beobachten und erforschen lässt“, führt der Ökologe im Ruhestand aus. „Auf diese Weise gewinnt man Erkenntnisse über Selbstheilungsprozesse, mit denen Natur sich wieder stabilisiert.“ Erkenntnisse, die sich auf die Kulturlandschaft übertragen ließen.
„Auch der Klimawandel lässt sich im Nationalpark wie unter dem Brennglas betrachten“, sagt Vogel. Besonders augenfällig am Blaueisgletscher in der Kernzone des Parks unterhalb der Felswände von Blaueisspitze und Kleinkalter: Seit 1950 sind mehr als vier Fünftel der Eismassen dahingeschmolzen. Noch dramatischer als die Gletscherschmelze sei jedoch das Auftauen des Permafrostes, warnt der Ökologe. Als Permafrost wird das ewige Eis in Klüften und Felsspalten bezeichnet, das Berge mit schneebedeckten Gipfeln zusammenhält. Permafrost wirkt wie ein Kitt, der ganzen Felsmassiven erst die innere Stabilität verleiht.
Natur in neuem Kleid
Trotz der sich abzeichnenden Veränderungen werde der Nationalpark jedoch ein Hochgebirgsökosystem bleiben, ist er überzeugt: „Allerdings in einem neuen Kleid.“ Das betrifft beispielsweise die Artenzusammensetzung der Bergwälder. Die Fichte, ein typischer Vertreter des alpinen Lebensraumes, wird in tieferen und mittleren Höhenlagen dem wachsenden Klimastress weichen müssen. An ihre Stelle könnten Ahorn, Buche oder Tanne rücken.
Auswirkungen natürlich auch für den Tourismus
Die Experten gehen heute davon aus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit in bereits absehbarer Zeit in Höhen unter 2000 Meter der klassische Wintersport deutlich an Bedeutung verlieren wird. Die Skigebiete werden sich eher in die Gletscherregionen verlagern. Wie sich Gemeinden darauf einstellen, haben wir in der Ausgabe 3/2019 unserer „Weiß-Blauen Rundschau“ am Beispiel der Bergsteigerdörfer Schleching und Sachrang beschrieben. (Fritz Lutzenberger)
Bilder: Mit modernsten Lasermessgeräten werden die Eigenschaften der Atmosphäre bis in Höhen von 15 Kilometern genau bestimmt. Foto: Helmut Bernhardt)
Diplom-Meteorologe Ulf Köhler betreut das europäische Dobson Calibration Center.
Der Tag der Blattentfaltung bei der Rotbuche hat sich seit 1978 im Durchschnitt um rund zwei Wochen nach vorne verlagert. Ein untrügliches Zeichen, dass es wärmer geworden ist.
Bericht: Fritz Lutzenberger, Weiß-Blaue Rundschau, Bayernbund, www.bayernbund.de