Die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland belastet weiterhin auch das bayerische Handwerk: „Die Krise im Bauhauptgewerbe hält an. Die Indikatoren im öffentlichen Bau und im Wirtschaftsbau zeigen zwar langsam wieder nach oben, der für das Handwerk besonders wichtige Wohnungsbau wird seinen Tiefpunkt aber wohl erst 2025 erreichen“, berichtete Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), bei der BHT-Mitgliederversammlung in Schweinfurt. Mit 107,2 Milliarden Euro hat das Handwerk im Freistaat in den ersten neun Monaten nominal rund 1,3 Prozent weniger umgesetzt als im Vorjahreszeitraum. Rechnet man die Preissteigerung heraus, steht ein Minus von mehr als 4 Prozent. Auch für die Zeit bis zum Jahresende ist wenig Entspannung zu erwarten.
„Die schwierige wirtschaftliche Lage und die tiefgreifenden Veränderungen, die auf Wertschöpfungsketten wirken und den Wettbewerb prägen, stellen unsere Betriebe vor große Herausforderungen. Es ist daher besonders wichtig, dass das Handwerk seine Positionen klar und deutlich in die politische Debatte einbringt“, betonte Peteranderl. Den Vorstoß von Arbeitsminister Hubertus Heil beim Mindestlohn kritisierte der BHT-Präsident: „Diese erneute Einmischung untergräbt die Arbeit der Mindestlohnkommission und wertet sie ab.“ Heils Verweis auf die Europäische Mindestlohnrichtlinie lässt Peteranderl nicht gelten: „Die EU hat keinerlei Rechtsetzungskompetenz für den Bereich des Arbeitsentgelts. Die Richtlinie wurde auch noch nicht in nationales Recht umgesetzt.“ Die von Heil geforderte Anhebung bedeute eine zusätzliche Belastung der ohnehin schwächelnden Wirtschaft. Der BHT-Präsident: „Eine Lohnerhöhung bedeutet zusätzlich auch steigende Sozialabgaben: Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, dürfen wir die Arbeit in Deutschland nicht ständig verteuern. Stattdessen müssen Steuern und Abgaben gesenkt werden. Dann bleibt den Mitarbeitenden in Handwerk und Mittelstand auch mehr Geld im Portemonnaie.“
In der aktuell schwierigen Lage müsse jede zusätzliche Belastung der Wirtschaft vermieden werden, so Peteranderl: „Die Bundesregierung muss den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig machen. Unser Land braucht eine weitreichende Reformagenda. Sonst können wir uns den Sozialstaat nicht mehr lange leisten. Statt des Herumdokterns an Details ist eine grundsätzliche Neuausrichtung erforderlich, auch auf EU-Ebene.“
Michael Bissert, Präsident der Handwerkskammer für Unterfranken, sagte mit Blick auf die aktuelle Konjunkturlage: „Die Wirtschaft in Deutschland läuft nicht rund. Und wenn die Wirtschaft nicht rund läuft, dann trifft dies auch das Handwerk. Aber was dem Handwerk zu eigen ist, ist seine Gesamtresilienz gegen große globale und nationale Flauten.“
BHT-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Hüpers berichtete in seiner Rede u.a. von der erfreulichen Entwicklung bei den Lehrverträgen: „Die Aufholjagd am Ausbildungsmarkt geht weiter. Unsere Betriebe konnten mehr junge Menschen für eine Lehre in den zukunftssicheren Berufen des Handwerks gewinnen. Bis Ende September wurden rund 25.400 neue Lehrverträge geschlossen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von 4 Prozent.“ Hüpers machte deutlich, dass die Verbesserung trotz schwieriger Rahmenbedingungen gelang: „Durch die demographische Entwicklung verlassen weniger Bewerberinnen und Bewerber die Schulen. Und auch die Konkurrenz am Ausbildungsmarkt bleibt groß. Vor diesem Hintergrund ist unser Lehrstellenplus ein schöner Erfolg.“
Die erfreuliche Entwicklung führt der Hauptgeschäftsführer auch auf die vielen Initiativen von Betrieben und Handwerksorganisation zurück: „Die Imagekampagne des deutschen Handwerks und die bayerische Nachwuchskampagne ‚Macher gesucht!‘ tragen ebenso ihren Teil dazu bei wie die Arbeit der Ausbildungsakquisiteure im Handwerk. Auch die Präsenz unserer Ausbildungsberaterinnen auf vielen Berufsinformationsmessen, das Engagement beim ‚Tag des Handwerks‘ an den weiterführenden Schulen im Freistaat und die ‚Allianz für starke Berufsbildung in Bayern‘ zwischen Staatsregierung, Arbeitsagentur und den drei großen Wirtschaftsorganisationen tragen Früchte, da sie die Attraktivität einer Ausbildung im Handwerk in den Fokus stellen.“
Bericht u. weitere Informationen: www.dasbayerischehandwerk.de – Archiv-Foto: Instrumentenbauer Peter Baumann in Aschau i. Chiemgau