Bis Mitte Juni 2023 zeigte die Galerie im Alten Rathaus in Prien in der Ausstellung „fotografie I aktuelle positionen“ Werke professioneller Fotograf:innen aus der weitergefassten Region. Die begleitende Vortragsreihe zog viele interessierte Besucher:innen an, die von den Referentinnen einen tieferen Einblick in Thematik erhielten.
Die Kunsthistorikerin Ute Gladigau referierte in ihrem Vortrag „Fotografinnen – Frauen hinter der Kamera“ über die Rolle der Frauen in der Fotografiegeschichte. „Die Geschichte der Fotografie aus weiblicher Sicht zu erzählen, bedeutet auch ein Verständnis für das ab den 1920er Jahren global einsetzende Phänomen der Moderne zu schaffen, das wiederum revolutionäre Veränderungen im Leben und in der Kunst zur Folge hatte. Der Beitrag von Frauen in der modernen Fotografie war ab der Zwischenkriegszeit und unter dem Einfluss politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Veränderungen, außerordentlich“, so Gladigau. Die für den Vortrag ausgesuchten Beispiele, belegten eindrucksvoll, wie die Frauen hinter der Kamera zu Wegbereiterinnen einer kreativen und experimentellen Fotografie wurden. Anfang Mai war der Vortrag „Da schau her! Ein Meister des Moments“ von der Medien- und Nachlassberaterin Michaela Thomas über das Werk des Fotografen Nikolai Molodovsky zu hören. Mit den ausdrucksstarken schwarz-weiß Fotografien Molodovskys nahm die Nachlassexpertin und Kunsthistorikerin ihr Publikum mit auf eine Zeitreise in die letzten Jahre des russischen Zarenreiches, in das Frankreich zwischen den beiden Weltkriegen, in das nationalsozialistische Deutschland und endete in der bayerischen Nachkriegszeit mit den Wirtschaftswunderjahren. „In Prien erlernte Molodovsky, der russisch und fließend französisch sprach die deutsche Sprache. Hier fand er auch zu seiner vierten Sprache, der Sprache der Fotografie“, berichtet Thomas. „In dieser Sprache konnte er sich schnörkellos, sachlich und selbstbewusst ausdrücken.“ 2019 hatte Michaela Thomas das fotografische Werk Molodovskys wiederentdeckt. Die Bayerische Staatsbibliothek erwarb 2022 das analoge Fotoarchiv von Nikolai Molodovsky. Dieser Nachlass hat damit eine sichere und dauerhafte Heimat gefunden. Den Abschluss der Reihe machte die renommierte Fotokünstlerin Karin Schneider-Henn mit dem Vortrag „Selbstbegegnung oder Selfie? Das Selbstporträt in der Fotografie“. In ihrem Vortrag behandelte Schneider-Henn diverse Selbstdarstellungen, die sich durch die Geschichte der Fotografie ziehen: Manche wirken scheinbar unverstellt, natürlich, andere wiederum sind inszeniert, mit Maske, Requisiten oder im Kostüm. Auch die Technik, dabei entscheidend die Erfindung des Selbstauslösers 1909, spielte eine große Rolle. „Eines der ersten, uns bekannten Selbstportraits entstand 1839. Es stammt von Robert Cornelius und ist vergleichbar mit einem Selfie von heute“, erzählt die Vortragende. „Handy-Aufnahmen, die in den sozialen Medien verwendet werden, sind vergänglich, sie werden wieder gelöscht. Bei einem künstlerischen Selbstportrait stellt sich die Frage: Wer bin ich? Was zeige ich von mir“, so die Fotokünstlerin Karin Schneider-Henn weiter. Das mit einer Kamera aufgenommene Selbstbild ist häufig mehr als ein wahrheitsgetreues Abbild. Daher könnte es fast voyeuristisch anmuten, diese Selbstdarstellungen anzuschauen. Warum hat ein Künstler das Bedürfnis, sich selbst im Bild festzuhalten, sich zu konfrontieren, sich zu verewigen?
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Foto & Text: Prien Marketing GmbH