Land- & Forstwirtschaft

Aufgelöst vor 20 Jahren: Notschlachtungsverein Wildenwart

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Bis zum Jahr 1978 gab es die selbstständige Gemeinde Wildenwart, alsdann wurde das Gebiet auf die Gemeinden Prien und Frasdorf aufgeteilt. Bekannt war stets das aktive und intakte Vereinsleben, das auch heute noch bei den Ortsvereinen von Atzing (Gemeinde Prien) und von Wildenwart (Gemeinde Frasdorf) herrscht. Zu den Vereinen, die Wildenwart lange prägten, gehörte auch der sogenannte Notschlachtungsverein. Dieser wurde zum Ende des Jahres 2003, also vor nunmehr 20 Jahren aufgelöst – eine Erinnerung!

Gegründet wurde der Notschlachtungsverein Wildenwart am 24. Februar 1926 von fünf Männern, die handschriftlichen Aufzeichnungen und Unterschriften weisen auf die Namen bzw. Höfe Wallner, Schweiger, Freund, Hefter und Stoib hin.  Im ersten Beschluss wurde festgehalten, dass der Verein die Entschädigung von Viehschäden bei Mitgliedern auf Gegenseitigkeit bezweckt.  Mitglied konnte  jeder Viehbesitzer der Gemeinde Wildenwart werden, der Beginn der Mitgliedschaft konnte zum 1. April oder 1. Oktober nach dreimonatiger Voranmeldung sein. Im Falle eines Falles sollte das Fleisch eines notgeschlachteten Tieres von den Mitgliedern abgenommen werden. Der Preis war unterschiedlich, je nach Qualität. Dazu hieß es in der Aufzeichnung vom Gründungs-Protokoll: „Beim Nutzvieh und guter Qualität ist der Preis höher, bei leerem, mageren Vieh etwas niedriger. Den Preisvorschlag soll der fleischbeschauende Tierarzt machen“. Desweiteren wurde festgehalten, dass bei Kühen mit 32 Wochen Trächtigkeit bis fünf Wochen nach dem Kälbern eine Aufzahlung stattfindet, bei Ochsen nach dem ersten Bruch. Die Höhe der Aufzahlung entsprach dem Unterschied vom erlösten Fleischpreis bis zum Durchschnittspreis vom Bankpreis,  ungenießbares Fleisch wird mit 60% des Bankpreises vergütet. Geregelt war auch die Höhe der Abnahme, normal war ein halbes Pfund je Stück Großvieh, das das Mitglied im Stall hatte und ein viertel Pfund bei Jungvieh. In Ausnahmefällen wird vom Ausschuss die Abnahme höher oder niedriger festgelegt. Weiter hieß es: „Jedes Stück Vieh unterliegt vor der Notschlachtung der Besichtigung des Vorstandes oder seines Stellvertreters. Nur in ganz dringenden Fällen kann davon abgesehen werden und es kann die Besichtigung durch ein in der Nähe befindliches Mitglied vorgenommen werden. In Ausnahmefällen ist die Vorstandschaft berechtigt, Sondermaßnahmen zu treffen. Beschwerden gegen die Vorstandschaft entscheidet die Generalversammlung“.  Eine Viehzählung zur Festlegung der Höhe der Fleischabnahme fand halbjährlich statt und zwar am 1. April und am 1. Oktober, für den 1. April 1926 galt die Zählung vom Februar 1926. Sollte bei einer Notschlachtung von Mitgliedern das vereinbarte Fleisch nicht abgeholt werden, so wurde der Betrag durch den Vereinsdiener erhoben.

37 Bauern in Wildenwart waren 1991 Mitglied

In der ehemaligen Gemeinde Wildenwart gab es überaus viele Mitglieder mit Landwirtschafts- und Viehbetrieb. So sind im Jahr 1991 zur Zählung am 1. April insgesamt 37 Mitglieder gelistet, sie waren in den Orten Siegharting, Pfifferloh, Oberreith, Mitterreith, Brandenberg, Röselsberg, Stupfa, Wildenwart, Reith, Aich, Greimelberg, Niesberg, Hendenham,, Siggenham, Mitterweg, Bachham, Duft, Prutdorf, Gaishacken, Stetten, Elperting, Mupferting und Arbing. „Heute gibt es leider kein Millibankerl mehr zwischen Hendenham und Siggenham“ – so Florian Bauer aus Greimelberg, der zuletzt Vorsitzender des Wildenwarter Notschlachtungsvereins war. Die Auflösung des Vereins dokumentieren auch die letzten Eintragungen im Spar- sowie im Kassenbuch, dabei wurden 66,57 Mark an den Salmerhof in Prutdorf überwiesen. Die Familien Höhensteiger und Rupp stellten während der Vereinszeiten bei Notschlachtungsfällen im Zuhaus die nötigen Kühl- und Aufbewahrungsräume zur Verfügung. Zeitweilig war der Notschlachtungsverein Wildenwart auch mit den Jägern und Jagdgenossen zusammen. Nicht zuletzt wegen der Gebietsreform gibt es inzwischen eigene Jagdgenossenschaften für Wildenwart und Atzing.

Fotos:  Hötzelsperger – 1.  Protokoll- und Kassenbücher  2. Eintragungen von der Gründung 1926 – 3. Gesunde Kühe auf dem Gebiet der ehemaligen Gemeinde Wildenwart.

 

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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