Musik machen kann die schönste Sache der Welt sein. Und doch fällt es manchmal ungemein schwer, einfach zu spielen. Andreas Hinterseher ging es zum Beispiel so am 24. Februar dieses Jahres, an dem – wie er ihn nennt – „Albtraumtag“. An diesem Datum startete die russische Armee ihren Angriff auf die Ukraine. Hinterseher spielte da gemeinsam mit seiner Band Quadro Nuevo in Potsdam und stellte sich die Frage: „Wie kann man an so einem Tag überhaupt Musik machen?“ Die Antwort darauf weiß er inzwischen: „Musik war noch nie so unwichtig und doch wieder so wichtig wie heute“, sagt er mit nachdenklicher Stimme.
Dass ihn der Krieg vielleicht noch mehr als andere Menschen trifft, hat einen bestimmten Grund. „Ich kenne sowohl Menschen aus Russland als auch aus der Ukraine. Und die schießen jetzt aufeinander. Das ist doch Wahnsinn“, sagt Hinterseher. Die Leute in diesen Ländern hat er auf seinen vielen Reisen kennen gelernt, die der Akkordeonspieler aus Fischbachau vor allem vor der Coronazeit unternommen hat. Andreas Hinterseher war schon an vielen Orten dieser Welt. Buenos Aires, New Orleans, China, Australien, Tunesien, Ägypten, Malaysia, Südkorea und eben auch Russland und die Ukraine. Überall konnte er nicht nur landschaftliche, sondern auch musikalische Eindrücke sammeln.
„Das ist das Schöne, wenn man als Musiker verreist“, sagt er. „Mit einem Instrument ist man nie „nur so“ unterwegs. Man ist immer sofort mittendrin. Das funktioniert überall, denn Musik ist eine weltweit verbindende, gemeinsame Sprache.“ Und so hatte er auf seinen Trips schon Auftritte in Südkorea, in Odessa oder im Theater von Kairo, immer mit Musikern des jeweiligen Landes.
Dass der bayrische Familienvater, der mit seiner Frau, seinen vier Kindern und einem Pflegekind in Elbach lebt, überhaupt mit dem Akkordeon verreist, liegt an seiner frühen Entscheidung für die Musik. Schon als Bub wollte er, wenn andere Kinder und Jugendliche „coolere“ Instrumente wie Gitarre oder Schlagzeug lernen, Akkordeon spielen. Ein wesentlicher Impuls dranzubleiben, war in einem entscheidenden Alter für ihn der Wechsel seines Lehrers: „Da war ich gerade in der Pubertät und mein Lehrer hat mir so viel neue Impulse gegeben und auch gezeigt, was ich bisher falsch gemacht habe, dass ich in diesem schwierigen Alter wieder neue Lust aufs Akkordeon bekommen habe.“
Hinterseher hat dann sein Instrument studiert, gab Unterricht und erkannte schnell, dass er durch seine verschiedenen Ensembles und Engagements zu wenig Zeit für seine Schüler aufbringen konnte. Also verschrieb er sich ganz und gar dem Musikmachen. Neben diversen Projekten mit anderen Musikern war sein Einstieg bei Quadro Nuevo ein wichtiger Punkt in seinem Leben. „Ich habe die Band schon von Anfang an als Student mitgekriegt und bin auch zu ihren Konzerten gefahren“, erzählt er. „Die Musiker selbst kannte ich persönlich, ich habe sie immer in dem einst legendären Club „Nachteule“ in Hausham getroffen.“ Schließlich spielte er immer wieder bei Auftritten der Gruppe mit und löste so seinen Vorgänger in einem fließenden Übergang ab.
Seit 20 Jahren spielt Andreas Hinterseher nun bei den Jazz-/Weltmusikgrößen und nachdem in den vergangenen zwei Jahren vorwiegend nur die jetzt schon legendären „Couch-Konzerte“ per Stream möglich waren, soll es heuer wieder auf die Konzertbühnen des Landes gehen. Am 8. Mai ist die Gruppe zum Beispiel im Alpengasthof in Hausham zu sehen. Mit „Odyssee“ haben Quadro Nuevo außerdem eine neue CD am Start. Doch hinter dem Album steckt noch viel mehr, als nur ein paar neue Stücke. Hinterseher erklärt: „Wir waren im vergangenen September mit anderen befreundeten Musikern und Fotografen auf den Liparischen Inseln bei Italien, haben dort ein Segelschiff gechartert und sind so dem Corona-Wahnsinn entflohen.“ Das war lange geplant, und die Einflüsse dieser Odyssee wurden nicht nur zu neuer Musik verarbeitet, zu dieser Reise gibt es auch eine Fotoausstellung, ein Buch und einen Kinofilm. Letzterer wurde von Andreas Hinterseher selbst gedreht. Er sagt: „Schon früher habe ich Konzerte gefilmt und geschnitten. Nun habe ich die Einnahmen der Couch-Konzerte in Kameratechnik investiert und mich in Sachen Film weitergebildet.“ Mit dem Ergebnis ist er zufrieden: „Odyssee“ ist ein Film geworden, der viel Musik, unglaubliche Landschaften und eine gute Portion Selbstironie beinhaltet. Premiere hat das erste große Leinwand-Abenteuer von Andreas Hinterseher am 7. Juli auf dem Musikfilmfestival in Oberaudorf. Und ohne sein Werk vorab gesehen zu haben, kann man sicher sein, dass der Film genau das transportiert, was Hinterseher und Quadro Nuevo so wichtig ist: „Unsere heilige Aufgabe ist es, das Verbindende der Musik den Menschen näher zu bringen, auch in schrecklichen Zeiten das Schöne hochzuhalten.“
Text: af – Foto: re
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de