„Der Mensch im Mittelpunkt.“ Diese Phrase drischt seit Jahren gefühlt jedes zweite Unternehmen und jede Einrichtung. Wirklich gelebt wird dies allerdings selten. Doch es gibt Ausnahmen, wie die Alternative Projektschule (APS) in Stephanskirchen. Seit fünf Jahren ist die Schule am Start und für alle Kinder und Jugendliche geöffnet, die sich im Schulalltag besser und individuell entwickeln wollen. Dass das Konzept in der evangelischen Schule ein anderes ist, zeigt sich schon in den ersten Sätzen, mit denen Schulleiterin Angelika Thomas-Photiadis ihre Lehranstalt beschreibt.
„Wir sprechen bei uns nicht von Schülern oder Lehrern“, sagt sie. „Bei uns sind das Lernende und Lernbegleiter.“ Worthülsen sind das nicht. Eher die Bezeichnung dessen, was Alltag in der APS ist. Die Leiterin erklärt: „Das Wort „aktiv“ in unserem Schulnamen hat bei uns große Bedeutung. So sind die Kinder dazu angehalten, sich selbst ein Projektthema auszusuchen und es dann auszuarbeiten.“ Unterstützt werden sie dabei dann von den Lernbegleitern. Angelika Thomas-Photiadis nennt ein Beispiel: „Ein Kind mag beispielsweise Kerzen. Da sucht und sammelt es dann alles Wissenswerte dazu, erstellt eine Präsentation und kann mit diesem Thema auch in anderen Fächern arbeiten. So gibt es dann in Mathe je nach Schuljahr entweder eine Berechnung eines Zylinders am Beispiel einer Kerze oder das Gewicht einer Kerze wird ausgerechnet. In Englisch schaut man dann auf Lieder und Songtexte, die von Kerzen handeln.“ Das ist gelebte Individualität und hat den Effekt, dass die Lernenden – von Schülern sprechen wir hier ja nicht mehr – mit einem ganz anderen Eifer bei der Sache sind.
Eine weitere große Säule im Schulkonzept ist die Religion und deren Werte. „Ja, wir sind eine evangelische Schule, aber wir sind offen für alle Religionen“, sagt Angelika Thomas-Photiadis. „Bei uns sind Kinder und Jugendliche aller Glaubensrichtungen willkommen.“ So werden in der APS in den Religionsstunden die unterschiedlichen Religionen respektiert und besprochen. Das Gemeinsame und Verbindende wird in den Vordergrund gestellt. Das zeigt sich auch in vielen anderen Momenten, wie beispielsweise beim gemeinsamen Stille-Ritual am Morgen und dem Umgang mit der Tageslosung. Damit beschäftigen sich alle an der APS täglich. Angelika Thomas-Photiadis nennt dies „Herzensbildung“. „Wir arbeiten auch viel mit Klängen aus Klangschalen und ähnlichem. Das ist Bestandteil unserer spirituellen Bildung.“
Doch der Mensch ist nicht nur ein geistiges Wesen. Auch auf den Körper wird in der APS sehr geachtet. Alle 90 Minuten gibt es für die rund 80 Kinder und Jugendlichen eine Bewegungseinheit, die Leib und Seele wieder lockert.
Bei aller Individualität und Berücksichtigung der ureigenen Belange der Lernenden: Ein reiner Streichelzoo ist die APS nicht. „Wir sind schon leistungsorientiert“, sagt die Leiterin. Die Noten der Klassen 5 bis 10 sind Beleg dafür. „Da haben wir ganz tolle Ergebnisse“, erzählt sie und fügt an: „Unsere Schulabgänger haben auf weiterführenden Schulen große Chancen und sind auch in vielen Ausbildungsbetrieben gern gesehen, einfach weil sie Werte wie Respekt, Verantwortung und Zuverlässigkeit vermittelt bekommen haben.“ Auf der APS können die Lernenden entweder den Qualifizierenden Mittelschulabschluss und den Mittleren Bildungsabschluss machen. Auch die Vorbereitung zur Fachoberschule ist für motivierte Jugendliche gegeben.
Das alles erreichen die Lernenden und ihre Lernbegleiter durch den Teamspirit, der auf der APS Konzept ist. Als „Augenhöhenprinzip“ beschreibt es Angelika Thomas-Photiadis. „Wir wollen nicht, dass bei uns die Erwachsenen alles vorturnen.“ Hier sitzen alle im selben Boot. Damit das auch von den Lernbegleitern verinnerlicht wird, gibt es auf der APS immer wieder Teambuilding-Maßnahmen, die alle noch fester zusammenschweißen sollen. Rund 20 Erwachsene, ob Lernbegleiter oder Bürokraft, verstehen sich hier als Einheit mit den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen.
Die Individualität auf der staatlich genehmigten Schule endet übrigens nicht bei den monatlichen Zahlungen, die hier zu entrichten sind. Angelika Thomas-Photiadis: „Das Schulgeld richtet sich, vereinfacht gesagt, nach dem Einkommen der Eltern. Wir haben Kinder mit Migrations- und Flüchtlingshintergrund, da bezahlen die Familien nur 50 Euro. Und wir haben Kinder aus gut situierten Familien. Da sprechen wir von einem monatlichen Betrag zwischen 250 und 350 Euro.“ Auch hier zeigt sich: Die APS ist in jeder Beziehung einzigartig.
Text: af – Bilder: Alternative Projektschule Högering
Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de