Natur & Umwelt

Chiemseekonferenz: Abwarten ist keine Option

Veröffentlicht von Claus Linke

AUV-Chiemseekonferenz 2022 zeigt Möglichkeiten, Klimawandel entgegenzuwirken —

Egal ob die Vertreter der Wissenschaft, die Vertreter der Politik oder die kommunalen Vertreter – alle waren sich einig: Der Klimawandel erlaubt kein Abwarten mehr, sondern nur mit einem gemeinsamen und schnellen Anpacken kann es auch morgen noch eine lebenswerte Umwelt geben. Das war die Quintessenz der sehr gut besuchten Chiemseekonferenz „Klimawandel – Nimmer warten – obagga“, die die Umweltbeauftragte Susanne Mühlbacher-Kreuzer vom Abwasser- und Umweltverband Chiemsee (AUV) in Prien organisierte und leitete.

Begrüßung durch Andreas Fenzl, AUV-Verbandsvorsitzender und 1. Bürgermeister von Rimsting Foto: Claus Linke

Dass der Klimawandel „menschengemacht“ ist, stellte Dr. Thomas Birner, Professor für theoretische Meteorologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, überzeugend dar. In verständlicher Physik erklärte er die Folgen des durch Menschen immer höher werdenden CO2-Ausstosses, der vor allem in den letzten 100 Jahren extrem zugenommen hat und so den Treibhauseffekt immer weiter verstärkt. „Stellen Sie sich vor, Sie nehmen noch eine zusätzliche Decke mit ins Bett. Genauso geht es der Erde“, erklärte Birner. Die Auswirkungen dieser beispiellosen Erwärmung sind auf der ganzen Welt sichtbar: Das Schmelzen der Gletscher und des Meereises, das Steigen des Meeresspiegels, Hitzewellen, Dürreperioden, Waldbrände und Extremniederschlagereignisse und die damit einhergehenden sozio-ökonomischen Auswirkungen. Die Veränderungen müssten jetzt ernst genommen werden, bevor die Kipppunkte erreicht seien, an denen die aus dem Takt gekommene Systeme nur schwer wieder in den alten Zustand zurückzuführen sind.

Prof. Dr. Thomas Birner bei seinem Vortrag: „Menschengemachter Klimawandel“ Grundlagen und Perspektiven Foto: Hans Fritz

Wie erneuerbare Energien und der Umgang mit Energie helfen können, den Klimawandel einzugrenzen, zeigte Dr. Christian Holler, Professor für angewandte Naturwissenschaft und Mechatronik an der Hochschule München, auf. Eindeutiges Ergebnis seiner Arbeit: Jeder muss seinen persönlichen Energieverbrauch halbieren; der Ausbau der erneuerbaren Energien, dabei stehen Wind und Sonne aufgrund der Effizienz im Fokus, muss im Vergleich zum Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2021 bis 2045 verdoppelt bzw. verdreifacht werden; die internationale Zusammenarbeit muss verstärkt werden. Holler ist es in seinen Darstellungen wichtig, Energiegrößen auf eine Basis zu bringen, die jedem seinen täglich Energieverbrauch verständlich macht und so handeln vereinfacht. „Es ist wichtig zu hinterfragen, was wirklich Energie spart. Das Handy jeden Abend auszuschalten, bringt fürs Energiesparen wenig. Das Handy nicht nach zwei Jahren wieder auszutauschen, sondern länger zu benützen, bringt dagegen sehr viel Energieeinsparung.“

Prof. Dr. Thomas Birner und Prof. Dr. Christian Holler – nach den Vorträgen „Menschengemachter Klimawandel“
Grundlagen und Perspektiven von Prof. Dr. Birner und „Wie viel Erneuerbare brauchen wir?“ von Prof. Dr. Holler
– bei der gemeinsamen Fragerunde. Foto: Quirin Schwaiger

Dass schnell gehandelt werden muss, unterstützte auch Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber, der die Ernteausfälle und damit die Auswirkungen in seiner Heimat Franken schilderte. Er sah neben der Politik, die beispielsweise für schnellere Genehmigungsverfahren und mehr Unterstützung für die Kommunalpolitik beim Ausbau der Erneuerbaren Energien zuständig seien, aber auch jeden einzelnen Bürger in der Verantwortung. Selbst habe er als Kommunalpolitiker erlebt, wie ablehnend Bürger sein können, wenn es darum geht ein Windrad vor der eigenen Haustür zu haben. Den Bürger zum Handeln zu bringen, sah er – wie auch Holler und Birner – als eine besondere Herausforderung.

Grußwort Thorsten Glauber, Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Foto: Quirin Schwaiger

Doch es kann funktionieren. Das zeigt die Gemeinde Wildpoldsried im Allgäu. Aus regenerativen Energiequellen deckt das Energiedorf seinen Wärmebedarf zu 60 Prozent und der erzeugte Strombedarf ist achtmal höher als der Eigenbedarf, erklärte Zweiter Bürgermeister Günter Mögele die eindrucksvolle Energiegeschichte der 2600-Einwohner-Gemeinde. Die Gemeinde hat seine Bürger nicht nur „mitgenommen“, die Bürger haben in den letzten 20 Jahren, 70 Millionen Euro zum Beispiel auch in die neun Windräder investiert und verdienen durch Stromverkauf heute damit. Doch die Gemeinde hat nicht nur auf einen Mix aus erneuerbaren Energiequellen gesetzt. Die Ansiedlung eines Startup-Unternehmens, das sich der Speicherung angenommen hat und sich heute Weltmarktführer nennen kann, die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen, wie beispielsweise dem Frauenhofer Institut, das Errichten eines Energiebildungszentrum, das auch international einen Namen hat, sowie die Unterstützung und Förderung afrikanischer Länder durch Energiewissen hat Wildpoldsried zum Leuchtturmprojekt gemacht.

Herr Günter Mögele, Referent und 2. Bgm. von der Gemeinde Wildpoldsried im Allgäu und Susanne Mühlbacher-Kreuzer,
Umweltbeauftragte, Abwasser- und Umweltverband Chiemsee Foto: Hans Fritz

Eine abschließende Diskussion gab allen „Hausaufgaben“ unter dem Motto „Nimmer warten – obagga“ mit auf den Weg. Die Politik muss Barrieren wie langwierige Genehmigungsverfahren oder die 10H-Regelung für Windräder abbauen, CO2-Ausstoss teurer machen und die Bedingungen für erneuerbare Energie attraktiv machen. Aber auch alle Bürger müssen mitmachen, Energiesparen und akzeptieren, dass das Windrad und die Photovoltaik-Anlage auch vor der eigenen Haustür stehen werden.

Podiumsdiskussion mit Politik und Wissenschaft mit Landrat Otto Lederer; Günter Mögele, Referent,
2. Bgm. Wildpoldsried; Frau Dr. Heide Schuster, Moderatorin; Prof. Dr. Thomas Birner, Referent;
Prof. Dr. Christian Holler, Referent (von links) Foto: Claus Linke

Text: Yvonne Feichtner

Nachlesen können Sie die einzelnen Vorträge unter www.chiemseeagenda.de Rubrik Chiemseekonferenz 2022.

 


Redaktion

Claus Linke

1939 in Bautzen/Sachsen geboren, Maschinenschlosser-Lehre in Bautzen, 1956 Flucht aus familiären Gründen aus der DDR über Berlin nach München, Maschinenbau-Studium in München, 1969 Erwerb eines Grundstückes in Atzing und beginn mit dem Bau eines Hauses für meine Eltern und den drei Kindern, 1981 Ernennung zum Siemens-Oberingenieur, nach 36 Jahren Beschäftigung bei Siemens in den Ruhestand, 1995 Verlegung des Hauptwohnsitzes nach Prien.

Ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Chiemseeagenda seit deren Gründung im Jahr 2002 - angesiedelt beim Abwasser- und Umweltverband Chiemsee. Das Aufgabenspektrum (mehr oder weniger involviert) umfasst die Webmeisteraktivitäten für die diversen Agendaseiten; Mitarbeit bei nahezu allen Agendathemen (wie z.B. Chiemseeringlinie, Bürgerbus Chiemsee, Vogelführungen, Chiemsee Rundweg und Chiemsee Radweg); Konzeption und Erstellung der Broschürenreihe "Natur.Erlebnis.Chiemsee"; Betreuung des online-Fotoalbums der Chiemseeagenda. Verleihung der bayerischen Ehrenamstmedaille "Für besondere Verdienste um die bayerische Gastlichkeit" im Jahr 2017.

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