Beim ökumenischen Gottesdienst anlässlich des Bezirksmusikfestes in Prien hielt Pfarrerin Dr. Sabrina Hoppe die Predigt, diese dürfen wir nachfolgend im Wortlaut wiedergeben:
Liebe Festgemeinde,
es gibt ja so Sätze, die sollte man nicht sagen. Also, nicht in ganz bestimmten Situationen. Zum Beispiel, beim Kesselfleischessen nach einer vegetarischen Alternative fragen. Das kann man schon machen…wenn man ein paar blöde Sprüche verträgt. Mir ging es zum Beispiel ähnlich, als ich damals bei meiner portugiesischen Gastfamilie zugeben musste, dass ich keinen Fisch esse…und zwar weder gekocht, gebraten und schon gar nicht in Form einer hausgemachten Fischsuppe. Es gibt so Dinge, die sollte man lieber nicht zugeben. Was wäre zum Beispiel, wenn jemand einen Gottesdienst zum Jubiläum einer Blaskapelle feiern sollte, der sich mit Blasmusik eigentlich gar nicht auskennt? Weil sie Holz-und Blechbläser nur mit Mühe auseinanderhalten kann? Ja, liebe Festgemeinde, nur man angenommen, man wäre in so einer Situation…wie könnte man damit umgehen?
Liebe Festgemeinde, ich glaube, es ist gar nicht so schwierig. Denn mit dem Evangelium, mit dem biblischen Text, den wir für den heutigen Tag ausgesucht haben, ist es eigentlich ganz ähnlich. Auch in dieser Geschichte von den Jüngern am See, da kommt so ein Satz, den man eigentlich nicht sagen kann. Weil er nicht passt, weil er verstört. Weil er etwas will, was nicht sein kann.
Die ganze Nacht waren sie draußen auf dem See gewesen, die Jünger, die jetzt wieder Fischer waren. Seit Jesus tot war. Seit sie keine Menschenfischer mehr waren, sondern wieder normale Fischer.
Und in dieser Nacht fingen sie nichts.
Und dann, die Sonne geht auf und drüben am Ufer steht jemand, der ihnen zuruft – Hey, Hunger? Werft doch das Netz nochmal aus!
Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden!
Suchet und ihr werdet finden! Versucht es, obwohl es sinnlos scheint. Was für ein Satz. Was für ein unsagbarer, sinnloser Satz.
Und das Netz wurde voll. Das Netz war voll und so schwer, dass sie es nicht ziehen konnten. Und wie Fischschuppen fällt es den Jüngern von den Augen – es ist der Herr! Nur einer kann solche Sätze sagen. Nur der, der Gott ist, kann solche Sätze sagen. Sätze, die der Wirklichkeit widersprechen. Und sie so verändern. Sätze, die einen Himmel auf die Erde holen. Sätze, die nach Satt-sein schmecken.
Das Feuer brennt, die Fische grillen, Brot gibt es. Die Gemeinschaft in Jesu Nähe braucht keine große Planung. Keine doodle-Abfrage und keinen Salat mit Feta und Wassermelone.
Was ich an dieser Geschichte so mag ist das: Zum einen sind die Netze so voll, dass sie zu reißen drohen. So viel Fülle, Kraft. Und zum anderen ist es so wenig, was reicht, um zusammen am Feuer zu sitzen. Brote und Fische. Ein Feuer. Und sie alle essen zusammen. Und ja, genau da sehe ich jetzt eine Blaskapelle vor mir – Wie sie laut ist. Und wie viele es sind. Fast schon verschwenderisch viele Menschen. So viele Instrumente. Oboe, Klarinette, Horn, Querflöte. So eine Fülle.
Und dann: So etwas Einfaches. Musik. Menschen, die Musik machen. Weil sie es lieben, wenn Ton für Ton zusammen auf einmal Sinn macht. Weil sie es lieben, wenn diese eine Zeile, dieser eine Rhythmus auf einmal zum Leben erweckt wird. So etwas Einfaches. Menschen, die zusammen ein Kunstwerk erschaffen. Aus Liebe zu den Tönen. Und weil sie es zusammen können.
Und wie das zusammen passt. Die vollen Netze. Das Satt werden, obwohl es keiner geglaubt hat. Der volle Klang, die satten Töne. Prachtvoll wie ein Sonnenaufgang könnt ihr spielen, ich hab es vorher gehört. Leuchten können Eure Töne. Ich glaube, sie können auch Traurigkeit vertreiben. Ich glaube, manchmal, wenn ihr anfangt zu spielen, verändert sich etwas in Euch. Vielleicht spaziert das Alltagschaos einfach davon, ab durch die Mitte in D-Dur! Oder vielleicht bekommt die Sehnsucht eine Farbe, in A-Moll oder so. Und ich glaube, so wie Eure Musik, die ihr spielt, Euch verändert, wenn ihr sie spielt, so können Töne von einer anderen Wirklichkeit singen. Es ist ein bisschen so, wie wenn man am Lagerfeuer sitzt und das Feuer langsam ausgeht. Und dann aber einer mit der Gitarre spielt, ganz leise. Und dann eine andere mit dem Stock nochmal in die Glut fährt. Und dann leuchtet sie rot. Denn da ist noch Wärme und da ist noch Farbe. Ich wünsche mir von der Musik, dass sie so ist. Dass sie immer wieder neue Lieder singt. Singt dem Herrn ein neues Lied, heißt es in der Bibel. Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.
Liebe Musikerinnen, liebe Musiker, Eure Musik kann sein wie diese Sätze, die manchmal nicht in die Realität passen. Und das ist gut so. Wir brauchen diese Sätze in dieser Welt. Wir brauchen laute und kräftige Bläser, die nicht klein beigeben. Wir brauchen Flöten, die beharrlich die Melodie halten.
Liebe Musikerinnen und Musiker, spielt Lieder vom Morgen. Spielt Musik von der Zukunft. Fallt nicht zurück in das Schönreden von alten Zeiten, wenn damit etwas von der Freiheit stirbt. Wir brauchen hier auf dieser Erde Lieder vom Aufstehen und nochmal rausfahren auf den See, dass die Netze voll werden. Wir brauchen junge Menschen, die ihren Träumen hinterherlaufen und sich nicht von der Realität klein machen lassen. Wir brauchen Menschen, die Sätze sagen, die nicht von dieser Welt sind. Denn Gott sagt sie auch. Er sagt: Singt Lieder von einem Morgen, der besser ist als das heute. Von einem Morgen, in dem Menschen zusammen am Lagerfeuer sitzen. Und Brote und Fische essen. Und singen. Weil sie keine Angst haben müssen vor der Nacht.
Liebe Festgemeinde, wir sind hier in einer so glücklichen Lage. Wir können Blasmusik hören und Kesselfleisch essen. Wir haben Frieden und wir sind frei. Lassen wir uns keine Angst machen. Lassen wir uns nicht auseinanderbringen von Populisten und Spaltern. Singen wir lieber Lieder vom Morgen. Denn Gott singt mit uns. Amen.
Foto: Hötzelsperger – Pfarrerin Dr. Sabrina Hoppe bei ihrer Predigt im Beisein von Pfarrer Klaus Hofstetter