Hausaufgaben unter einem Tisch zu machen – warum nicht. Hortkinder haben das ausprobiert und saßen nach wenigen Tagen wieder auf ihrem Stuhl, weil es einfach zu unbequem war. In zwölf Horten und Kindertageseinrichtungen in Stadt und Landkreis Rosenheim ist jetzt ein wissenschaftlich begleitetes Projekt zur Praxis der Hausaufgaben zu Ende gegangen.
Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sowie unter der Federführung des Staatsinstituts für Frühpädagogik und der Begleitung der pädagogischen Fachberaterinnen für Kindertageseinrichtungen in Stadt und Landkreis Rosenheim, Bettina Sewald und Christine Blindert, begann im Januar 2017 ein in Bayern einmaliges Projekt. Weil es bisher kaum Forschungsergebnisse zur Hausaufgabenpraxis in Horten gibt, wurde Handlungsbedarf gesehen.
Dr. Andreas Wildgruber und Andrea Schuster vom Staatsinstitut für Frühpädagogik gingen in die Einrichtungen, vermittelten Inhalte, sprachen mit Kindern, Jugendlichen und Teammitgliedern, werteten die Hausaufgabentagebücher der Kinder und Jugendlichen aus und leiteten eine ganze Reihe von Besprechungen. Seine Erkenntnisse präsentierte Dr. Wildgruber im Rahmen eines Abschlussabends im Katholischen Bildungszentrum in Rosenheim.
„Kinder wollen nützliches Wissen und Können erwerben“, vorausgesetzt, ihnen erschließt sich der Sinn von Hausaufgaben. Dr. Wildgruber sieht in der Motivation einen wesentlichen Schlüssel zu eigenverantwortlichem Lernen: „Die Kinder müssen sich wohlfühlen, sie müssen ihre körperlichen Grundbedürfnisse leben können.“ Weiter stellte der Wissenschaftler fest, „dass kooperatives Lernen wirkungsvoller ist als individuelles Lernen. Das gilt aber nicht für alle.“ Er riet dazu, die Kinder durch persönliche Unterstützung und durch ein konstruktives Feedback Erfolge erleben zu lassen. Auch Fehler sollten als Chance gesehen werden, sich weiterzuentwickeln.
Wichtig war Dr. Wildgruber zudem, die Selbstbestimmung der Kinder zu pflegen, sie zu fragen, was sie brauchen, um gut lernen zu können: „Probieren sie Neues aus, riskieren sie etwas und schenken sie Vertrauen.“
In den Kindertageseinrichtungen und Horten wurden in den vergangenen knapp zwei Jahren eine ganze Reihe von Möglichkeiten ausprobiert. So konnten die Kinder in einigen Häusern jeden Tag neu entscheiden, wo sie ihre Hausaufgaben machen wollen. Es gab Einzel- und Gruppentische, Hausaufgaben konnten im Freien gemacht werden oder auf Sitzbällen, Sitzsäcken oder auf dem Boden. Räume wurden angeboten für unterschiedliche Lerntypen wie ruhige eigenverantwortliche Persönlichkeiten oder Kinder mit großem Bewegungsdrang. Sie wollten Musik bei den Hausaufgaben hören und verzichteten nach ein paar Tagen wieder darauf, weil sie zu sehr ablenkte.
Die Suche nach dem optimalen Hausaufgabenumfeld ist ein Prozess, der nie enden wird. Wie die abschließende Diskussion zeigte, wird dies in den verschiedenen Einrichtungen aber nicht als Nachteil empfunden. Ganz im Gegenteil, die Beteiligung fördert das Vertrauen zwischen Kindern und Betreuern.
In seinem Vortrag hatte Dr. Wildgruber auch auf die grundsätzliche Bedeutung von Hausaufgaben hingewiesen, die Teil der Entwicklung hin zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit sein sollen. Auch deshalb wurde abschließend von den Vertreterinnen und Vertretern der Einrichtungen der Wunsch geäußert, die örtlichen Schulen mit ins Boot zu holen, um das beste Ergebnis für die Kinder herauszuholen.
An dem Hausaufgabenprojekt in Stadt und Landkreis Rosenheim hatten sich das Kinderhaus Schatzkiste Albaching, das Kinder- und Familienzentrum Inklusiv in Halfing, das Kinderhaus Aising, der Kinderhort St.Quirin aus Rosenheim, das Haus des Kindes St. Martin in Kiefersfelden, die Kindertageseinrichtung Christkönig in Rosenheim, der AWO-Hort Taka-Tuka-Land in Rosenheim, der AWO-Hort in Bad Endorf, der Integrationshort in Pfaffing, der Kinderhort Jonathan aus Rosenheim und die Kindertageseinrichtung Raupennest in Raubling beteiligt. Die Erfahrungen aus dem Hausaufgabenprojekt fließen in Vorträge, Fachtage und Veröffentlichungen ein, mit denen das Staatsinstitut Frühpädagogik die anderen bayerischen Regionen erreichen will.
Bericht und Foto: Landratsamt Rosenheim