Der Irschener Winkel mit seinen angrenzenden blumenreichen Streuwiesen gehört zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Aber auch dieses Naturjuwel hat längst Kratzer bekommen. So sind beispielsweise die Wiesenbrüter verschwunden. Ziel eines bayerischen Biodiversitätsprojektes ist es, ihnen wieder einen passenden Lebensraum zu verschaffen.
Dirk Alfermann, er ist Gebietsbetreuer am Chiemsee, braucht dazu die Einsicht der Spaziergänger sowie die Landwirte. Deren Art der Bewirtschaftung ist entscheidend für den Erfolg des Projekts. Die landseitigen Streuwiesen, die in Teilbereichen noch erhalten geblieben sind, werden im Spätsommer bzw. im Herbst gemäht. Der Aufwuchs dieser nassen Wiesen dient als Einstreumaterial im Stall. So bleibt dank einiger ortsansässiger Landwirte, dieser wertvolle Lebensraum im Kleinen erhalten. Die Streuwiesen beherbergen eine außergewöhnliche Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten. So finden sich im Irschener Winkel unter anderem noch seltene gefährdete Schmetterlingsarten wie das Blaukernauge, der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling oder der Baldrian-Scheckenfalter. Sogar die vom Aussterben bedrohte Bekassine brütet noch vereinzelt.
Zudem bietet die Flachwasserzone mit seiner üppigen Schwimmblattvegetation an Teichrosen und den Schilf- und Röhrichtzonen entlang des Ufers einer Vielzahl teils sehr seltener Vogelarten, wie etwa dem Schwarzhalstaucher oder dem Drosselrohrsänger letzten geeigneten Lebensraum. Auch ist die kleine Bucht östlich von Bernau-Felden wichtiger Lebensraum für Fische und Wasserinsekten.
Andere Arten, wie etwa der Kiebitz, sind inzwischen verschwunden. Bis in die Mitte der 1980er Jahre war er im Irschener Winkel noch mit rund 20 Brutpaaren vertreten. Einige wenige Brutpaare wurden zuletzt Anfang der 1990er Jahre beobachtet.
Durch eine geänderte Landnutzung mit früherem Schnitt und die vermehrte Ausbringungen von Wirtschaftsdünger ging und geht geeigneter Lebensraum verloren. Aber auch Spaziergänger die querfeldein laufen und nicht auf den Wegen bleiben und freilaufende Hunde halten störempfindliche Arten wie den Kiebitz vom Brutgeschäft ab. Dirk Alfermann bittet daher alle Besucher des Irschener Winkels, auf den Wegen zu bleiben und Hunde an der kurzen Leine zu führen, um mögliche Störungen zu vermeiden.
Ziel des Biodiversitätsprojektes ist es, durch den Gewinn weiterer, extensiv bewirtschafteter Flächen den Lebensraum für Wiesenbrüter wie Bekassine oder Kiebitz zu verbessen. Auf geeigneten Flächen sollen nach Möglichkeit Flachwasserzonen, sogenannte Seigen, angelegt werden, um das Gebiet für diese Arten attraktiver zu machen.
„Es wäre wünschenswert“, so Alfermann, „wenn noch weitere Landwirte bereit wären, ihre Streuwiesen wieder extensiver zu bewirtschaften bzw. grundsätzlich wieder zu nutzen.“ Da heutzutage eine Bewirtschaftung von Streuwiesen für viele Landwirte nicht mehr rentabel ist, werden immer mehr Flächen nicht mehr gemäht. Ohne die traditionelle Herbstmahd entwickeln sich Streuwiesen aber zu Waldgesellschaften, in denen die typischen lichtbedürftigen Pflanzen- und Tierarten keine geeigneten Lebensbedingungen mehr vorfinden. Eine angepasste landwirtschaftliche Nutzung bildet deshalb den Schlüssel zur Erhaltung der Streuwiesen und ihrer Artenvielfalt.
Das Vertragsnaturschutzprogramm, ein Förderprogramm des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, honoriert die pflegliche Bewirtschaftung dieser Wiesen und auch weiterer ökologisch wertvoller Lebensräume. Eigentümer oder Bewirtschafter, die Interesse am Vertragsnaturschutzprogramm oder am Biodiversitätsprojekt haben, können sich bei Manuela Müller von der unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim (Telefon 08031 392 6405) melden.
Bericht: Landratsamt Rosenheim (www.landkreis-rosenheim.de, Twitter: @Kreis_Rosenheim)