Noch mehr, noch höher, größer, weiter. Wenn nur Wachstum und Profit im Vordergrund stehen, haben Naturschutz und Gemeinwohl oft das Nachsehen. Doch wie kann sinnvolles Wirtschaften in Zukunft aussehen?
Am 25. Juli fand zu diesem Thema ein Vortrag am Samerberg statt, mit dem Titel: „Auf die Wirtschaft kommt es an: Wachstum first oder Gemeinwohl first?“. Theo Schneider vom BUND Naturschutz Rosenheim und Harry Colshorn, Biolandbauer und Vorstandsvorsitzender der Gemeinwohl-Ökonomie Bayern, zeigten, wie es gehen kann.
Unser Bewusstsein ist geprägt von Problemen. Damit sich etwas verbessern kann, muss sich etwas ändern: Eine Wende muss her. Nur entsteht oftmals der Eindruck, dass nicht das Wohl der Bürger im Vordergrund steht, sondern der Profit, frei nach dem Motto „Herausholen was geht“! Die Politik beschäftigt sich seit Jahren mit der Agrar-, der Energie- oder der Verkehrswende. Planungen und Entscheidungen orientieren sich allerdings in der Regel nur am weiteren Wachstum. Wohin das führe, verdeutlichte Schneider mit ein paar Beispielen aus der Region: Die Abbauarbeiten im Steinbruch Überfilzen am Heuberg dauerten noch an, obwohl die Sichtgrenze von 758 Höhenmetern längst überschritten war. Erst eine Klage der Gemeinde konnte sie stoppen. Naturschutzgebiete wie in Eggstätt-Natzing müssen Gewerbegebieten Platz machen, und durch den hohen Flächenverbrauch kommt es bei starken Regenfällen zu Überschwemmungen. Angeblich umweltfreundlich soll das Tetrapack-Recycling in Redenfelden sein. Durch die fehlende Überdachung gelangen allerdings Mikroplastikpartikel in die Umwelt.
Ein „Riesenwachstum“ findet momentan im Bereich Digitalisierung statt. Funkmasten müssen gebaut, Hard- und Software entwickelt werden. Die Strahlung nimmt zu. Über die Risiken von WLAN und Endgeräten spricht allerdings kaum jemand. Vorsorge findet, wenn überhaupt, nur im privaten Bereich statt. Ein Schutz von außen fehlt. Aufklärung erfolgt durch Ehrenamtliche und wird dadurch zur Nebensache, wie Schneider erklärte.
Dem derzeit noch entscheidungsbestimmenden Profit- und Konkurrenzdenken stellte Harro Colshorn die besser zukunftstaugliche Idee eines ethisch-ökologischen Wirtschaftssystems entgegen: Geimwohl first!
Bereits 1972 hat der Club of Rome einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass Wachstum begrenzt ist. Sinnvolles Wirtschaften kann also nicht allein daran ausgerichtet sein. Die Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung setzt sich für ein ethisches Wirtschaftsmodell ein. Das Wohl von Mensch und Umwelt wird zum obersten Ziel, nicht die Vermehrung von Geld. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Veränderungshebel auf wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene. Es ist kein Traum und keine Utopie, sondern eine wahre Alternative. Die Menschen haben ein Recht darauf, im wahrsten Sinne des Wortes, denn in der Bayerischen Verfassung, Artikel 151, steht: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesonders der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle.“ Diesen Auftrag haben eigentlich alle Kommunen und Unternehmen, wird vielerorts nur nich gelebt. Diejenigen, die sich dahingehend engagieren, erstellen eine sogenannte Gemeinwohl-Bilanz, die Erfolg nach neuen Maßstäben misst: Nicht der Finanzgewinn ist das Ziel, sondern die Sinnoptimierung. Bewertet werden Aspekte wie Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung. Punkte werden nur für Aktivitäten vergeben, die über die Erfüllung des gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen.
In der Region setzen sich bereits folgende Unternehmen für eine Gemeinwohl-Ökonomie ein: EM-Chiemgau in Stephanskirchen, Lebensraum Holz GmbH in Bad Aibling, Bioland-Gärtnerei ‚Am Hainerbach‘ in Bruckmühl oder das Katholische Kreisbildungswerk Traunstein e.V.. Auch große Unternehmen sind aktiv, beispielsweise der Sportarikelhersteller vaude, die Spardabank München oder die Krankenversicherung BRK Provita. Eine Gemeinwohl-Gemeinde im Landkreis gibt es noch nicht.
Auf die Frage „Was haben wir davon?“, meinte Colshorn, dass dann die Gemeinde ihren Auftrag, für die Gemeindebürger da zu sein, ernst nehmen würde. „Wir leben hier und wollen ein gutes Zusammenleben“ – auch die Nachfolgegeneration. Man muss auch nicht sofort eine Bilanz erstellen, die doch sehr umfangreich ist. Es reicht, mit ein paar Themen zu beginnen, zum Beispiel bei der Betriebsmittelbestellung auf nachhaltige Produkte zu achten. „Jedes Sämchen auf dem Weg zu einer besseren Welt zählt.“
Mehr Informationen unter: http://bayern.ecogood.org oder www.ecogood.org
Bericht: Marianne Quelle – Fotos: Frank Schulze
http://www.bayern.ecogood.org funktioniert nicht, muss wohl bayern.ecogood.org (ohne www) heißen.
Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben den Link korrigiert.