Land- & Forstwirtschaft

Regierungspräsidentin in Sachrang zu Gast

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Was man kennt, das schätzt man und was man selber schätzt, das liebt man“, so die Regierungspräsidentin von Oberbayern Maria Els bei ihrem Besuch in Sachrang. „Schweiß und Energie zahlen sich immer aus und ich freue mich, dass wir heute bei diesem Besuch den Blick auf das Wesentliche gelenkt bekommen, was wir so im Alltag nicht unbedingt zu sehen bekommen“. Die Regierungspräsidentin kam ins Bergsteigerdorf nach Sachrang, um sich direkt an Ort und Stelle über das Bergbauernmodell „Artenvielfalt durch Landwirtschaft“ zu informieren, das hier seit über drei Jahren läuft.

Diplom-Biologin Christiane Mayr, die federführende Beauftragte bei der Regierung von Oberbayern wies in ihrer Einleitung zum Thema Biodiversität auf die Anforderungen hin, die im Oberen Priental seit der Umsetzung des Programms durchgeführt werden. In vielen Regionen der Alpen und auch Oberbayerns steht die Berglandwirtschaft vor großen Herausforderungen, wenn es um den Erhalt der traditionellen Kulturlandschaft geht. So werden infolge des Strukturwandels in der Landwirtschaft schwierig zu bearbeitende Flächen Zug um Zug aufgegeben oder nur noch unzureichend und extensiv bewirtschaftet. Doch nicht nur Kulturlandschaft, auch wertvolle Lebensräume, die Heimat für eine Vielzahl bedrohter Tier- und Pflanzenarten sind, gehen dabei schleichend und für immer verloren. Die Sachranger Bergbauern selbst waren es, die durch das von ihnen initiierte Biodiversitätsprojekt „Artenvielfalt durch Landwirtschaft – das Bergbauernmodell Sachrang“ diesem Prozess entgegenwirken wollten. In engem Schulterschluss mit dem Naturschutz sind sie dabei, durch gezielte Pflegemaßnahmen die Schönheit ihrer heimatlichen Kulturlandschaft und Artenvielfalt wiederherzustellen und bewusst zu erhalten – ein Weg, der auch für andere Regionen der oberbayerischen Alpen beispielgebend sein könnte.

Und dann ging es zu einem knapp dreistündigen Rundgang um den Sachranger Kirchturm ab ins Gelände. Bergbauer Sebastian Pertl wies an einem Aussichtspunkt auf die verschiedenen Möglichkeiten der Bauernarbeit in Tirol und Oberbayern hin: während auf der Tiroler Seite noch auf 1000 Meter Gülle ausgebracht werde und die Bergwiesen intensiv als wertvolle Wiesen genutzt würden, verkrauten und verbuschen auf der bayerischen Seite die Almflächen, weil der Weidedruck der wenigen Kalbinnen nicht groß genug sei, um eine intensive Beweidung zu garantieren. Die unterschiedliche staatliche Förderung der Bergbauern könne hier ganz deutlich am einfachen Beispiel im Gelände gesehen werden – auf der einen Seite ist es grün, auf der anderen braun. Dabei strebten die Sachranger Bergbauern gar nicht das Tiroler Modell mit Intensivlandwirtschaft bis über 1000 Meter an, sondern wollten mit ihren Mitteln die vorhandenen Weideflächen frei vom Fremdbewuchs halten und damit die Artenvielfalt der Almwiesen schützen und erhalten. Das gelinge nur durch harte und intensive Handarbeit, durch Schwenden der heranwachsenden Büsche und durch die Ausrottung des überwuchernden Adlerfarns. Dafür stünden aber keine Arbeitskräfte mehr zur Verfügung und so könne man zusehen, wie sich der Wald Stück um Stück der Almkulturlandschaft zurückhole. Mit einer kleinen Vorführung berggeeigneter Maschinen zeigten die Bergbauern von Mitterleiten, wie Adlerfarn gemäht und an Ort und Stelle gemulcht werden kann. Die Haltung von Schafen und Ziegen auf diesen Almflächen sei grundsätzlich möglich, diese müssten aber intensiv gehütet werden, eine Aufgabe für die es keine Arbeitskräfte gebe.

Bergbäuerin Monika Pfaffinger wies darauf hin, dass das Auftreten des ersten Wolfes in dieser vom Menschen gemachten Kulturlandschaft ihr Ende bedeute: „Wir Bauern hier im Sachranger Tal haben im Gegensatz zu früher nicht mehr genügend Vieh, um die vorhandenen Almflächen intensiv bewirtschaften und beweiden zu können. Wir sind auf Pensionsvieh aus der Region angewiesen, das wir im Sommer in Pflege nehmen. Mit dem Verlust des ersten Stücks Vieh durch einen Wolfsriß wird jeder verantwortungsvolle Bauer seine Tiere abziehen und nach Hause holen, damit ist die Beweidung und der Erhalt der Almen am Ende. Die empirischen Wolfsforschungen im menschenleeren Alaska und Nordkanada lassen sich nicht auf das dicht besiedelte Mitteleuropa übertragen, der Wolf bedeutet das Ende der Almwirtschaft. Schutzmaßnahmen sind Illusion, weder Zäune, noch scharfe Hunde werden ihn von den Herden abhalten können“.

Regierungspräsidentin Maria Els war sehr interessiert an all diesen ganz speziellen Informationen, die in dieser Dichte und von den Betroffenen so genau aufbereitet in keiner Behörde vorliegen. „Das ist eine ganz tolle Geschichte – Hut ab vor allen Beteiligten“, zog sie als Resümee. Zum Abschluss der Almbegehung besuchte die gesamte Gruppe noch den Sachranger Dorfladen. Hier hatten die Verantwortlichen die Ausstellung zum Sachranger Bergbauernmodell „Region in Aktion“ aufgebaut, die sie den europäischen Abgeordneten erstmals im März 2016 im europäischen Parlament in Brüssel gezeigt hatten. Mit einer kleinen Brotzeit aus heimischen Produkten endete die Veranstaltung am Dorfladen.

Fotos und Bericht: Heinrich Rehberg

Regierungspräsidentin von Oberbayern Maria Els bei ihrem Besuch in Sachrang mit Bürgermeister Peter Solnar von Aschau, Sennerin Martina Bauer und Bergbauer Sebastian Pertl

Regierungspräsidentin von Oberbayern Maria Els bei ihrem Besuch in Sachrang mit Bürgermeister Peter Solnar von Aschau, dem Leiter der Tourist Info Aschau Herbert Reiter und Sennerin Martina Bauer

Diplom-Biologin Christiane Mayr erklärt oberhalb von Mitterleiten den Vegetationsverlauf und die fließenden Grenzen zwischen Wald und Wiesenflächen

Bergbauer Sebastian Pertl erklärt das Tiroler und das oberbayerische Bergbauernmodell

Auf schmalen Pfaden im Bergbauernland

Begrüßung durch Bürgermeister Peter Solnar

„Region in Aktion“ mit dieser Ausstellung präsentierte sich Aschau vor zwei Jahren in Brüssel von links  Regierungspräsidentin von Oberbayern Maria Els mit Bürgermeister Peter Solnar von Aschau und der dritten Bürgermeisterin Monika Schmid

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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