Natur & Umwelt

Forschungsprojekt zum Wisent geht weiter

Veröffentlicht von Günther Freund

Nach der Untersuchung eines Kadavers im Nationalpark Šumava folgt Fortsetzung im Nationalpark Bayerischer Wald.

Wildtierkadaver sind Hotspots der biologischen Vielfalt und spielen eine zentrale Rolle in Ökosystemen. Um den ökologischen Wert von Aas in verschiedenen Lebensraumtypen besser zu verstehen, beteiligte sich der Nationalpark Šumava an einem Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Bayerischer Wald, dem Tiergarten Nürnberg und der Universität Würzburg. Im Rahmen dieses Projekts wurde Ende Juli 2024 zum ersten Mal in Mitteleuropa der Kadaver eines Wisents in Tschechien gezielt untersucht und überwacht.

 Im Sommer wurde im Nationalpark Šumava ein Wisentkadaver ausgelegt. Die hohe Aktivität an Insekten lieferte dem Forschungsteam aufschlussreiche Erkenntnisse. (Foto: Christian von Hoermann/Nationalpark Bayerischer Wald)

Der 2023 im Nürnberger Zoo tierschutzgerecht getötete männliche Wisent wurde mit behördlicher Genehmigung in den Nationalpark Šumava transportiert. Zwei Monate lang dokumentierte ein Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Christian von Hoermann von der Universität Würzburg unterstützt von Jens Schlüter von der Nationalparkverwaltung den Verwesungsprozess. Für die Studie wurden Kamerafallen, Insektenfallen und mikrobiologische Analysen eingesetzt.

„Eine wichtige Entdeckung war der erstmalige Nachweis der Schmeißfliege Chrysomya albiceps im Šumava-Nationalparkgebiet“, erklärt von Hoermann. Diese Art, die ursprünglich in Südamerika, Mittelamerika und Westindien beheimatet ist, breite sich in Mitteleuropa zunehmend aus. „Sie zeichnet sich durch das aggressive Fressverhalten ihrer Larven im zweiten und dritten Entwicklungsstadium aus. Ihr Vorkommen auf 930 Metern über dem Meeresspiegel am Wisentkadaver ist für uns von ökologischer Bedeutung.“ Denn die Anwesenheit der räuberischen Maden kann einen Einfluss auf die Gemeinschaftsstruktur der Schmeißfliegen am Wildkadaver haben. „Die Maden der Chrysomya albiceps fressen Maden anderer Schmeißfliegenarten. Nachdem die invasiven Arten oft keinen vergleichbaren Prädationsdruck erfahren, könnte dies das Artengefüge der hier heimischen Schmeißfliegenarten längerfristig beeinflussen.“

Aufgrund der gewinnbringenden Untersuchungen geht das Forschungsprojekt, das vom Tiergarten Nürnberg unterstützt wird, nun auf bayerischer Seite weiter. Jüngst wurde ein toter Wisent im Nationalpark Bayerischer Wald ausgelegt.

Der Wisentkadaver im Bayerischen Wald mit Kolkraben. (Fotofallenbild Nationalpark Bayerischer Wald)

Aufgrund ihrer Größe und Biomasse seien Wisentkadaver besonders wertvoll für die Artenvielfalt, so von Hoermann. „Sie bieten Lebensraum und eine Nahrungsquelle für eine Vielzahl von Organismen – von Bakterien und Pilzen bis hin zu Insekten und aasfressenden Wirbeltieren.“ Außerdem tragen Kadaver zur Bodenfruchtbarkeit bei und fördern das Pflanzenwachstum durch die Wiederverwertung von Nährstoffen. Da der Wisent in der Region seit über 200 Jahren ausgestorben ist, biete er einzigartige Möglichkeiten zur Erforschung der ökologischen Rolle großer Pflanzenfresser. „Studien wie diese sind nicht nur für die ökologische Forschung, sondern auch für die angewandten Biowissenschaften und den Artenschutz wertvoll“, so der Forscher.

Pressemitteilung Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald

 

 

 


Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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