Kardinal Reinhard Marx hat hervorgehoben, dass Menschen Aufmerksamkeit, Gesehenwerden und Gehörtwerden brauchen, um ein erfülltes Leben zu führen. „Wir brauchen einander, wir brauchen den Blick des Anderen“, sagte der Erzbischof von München und Freising im Festgottesdienst zur traditionellen Jugendkorbinianswallfahrt am Samstagnachmittag im Freisinger Mariendom, die heuer unter dem Leitwort „Hört uns. Seht uns. Glauben leben“ stand. „Keiner kann wirklich Mensch werden, erfülltes Menschsein haben, wenn nicht jemand da ist, der mich anschaut und sagt, ich mag dich, du bist gut. Ich geh mit dir“, so Marx.
Der Erzbischof erinnerte an die Berufung des Propheten Jeremia. Dieser hört den Ruf Gottes und zweifelt, ob er geeignet sei. „Ich bin noch so jung, was soll ich machen? Da sind doch viel Bessere, da sind doch die Stärkeren, die Größeren, die Erwachsenen“, so erzählte der Kardinal. Doch Gott antworte: „Du bist nicht zu jung. Du bist jemand. Du kannst etwas. Ich bin bei dir.“ Marx hob hervor: „Ich geh mit dir – das ist die stärkste Botschaft, die man bekommen kann.“ Wenn Menschen einander zusicherten, füreinander da zu sein, gebe das „Rückenwind“, sagte der Kardinal. „Das ist die wirkliche Kraft, die unser Leben trägt, wenn wir im Miteinander spüren: Ich werde angesehen. Ich werde gehört, mir wird vertraut. Jemand verspricht, mir, dass er mit mir geht.“ Es sei eine Revolution im Leben, wenn jemand sage „ich liebe dich“ und der andere antworte: „Ich dich auch“. Marx erläuterte: „Da entsteht eine neue Welt und eine neue Kraft, ohne die wir nicht leben können und leben wollen. Wir können nicht glücklich werden ohne dieses Miteinander.“
Für ihn sei ein „schönes Bild für die Kirche“, wie in der biblischen Geschichte über den blinden Bettler Bartimäus, der zunächst nicht beachtet wird, „die Jünger endlich begreifen“, dass dieser von Jesus gerufen werde. Marx sagte: „Hab Mut, steh auf, er ruft dich! Das ist der Auftrag der Kirche. Das ist der Auftrag der Jugendarbeit, der Seelsorge, dass wir den Menschen sagen: Hab Mut, steh auf, er ruft dich!“ Das wünsche er sich von der Kirche. „Brüder und Schwestern nennen wir uns, und das sollte immer wichtig sein, dass wir gerade auf die schauen, die übersehen werden.“ Den mehr als 1.300 Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zu Ehren des Diözesanpatrons auf den Freisinger Domberg gepilgert waren, wünschte er, dass sie immer wieder Menschen begegneten, die ihnen diesen Mut zuriefen, ermunterte sie jedoch zugleich, auch selbst diese Rolle einzunehmen: „Versucht immer wieder auch selber jemanden zu werden, der andere anschaut und ansieht, der anderen Mut macht!“
Rund 200 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ermöglichten heuer Wallfahrt, Festgottesdienst und anschließendes Jugendfest auf dem Domplatz, im Dommuseum und im Domgymnasium. Dort erwarteten die Pilger und Pilgerinnen 45 geistliche, künstlerische, sportliche und kulinarische Angebote. Die Wallfahrt der katholischen Jugend ist traditionell der Auftakt zur Korbinianswoche im Erzbistum München und Freising. Im Jahr 1942, mitten im Weltkrieg, machten sich am Namenstag des Heiligen Korbinian erstmals junge Leute auf den Weg nach Freising und beteten für ein Leben in Frieden. Mit der diesjährigen Korbinianswoche endet das Jubiläumsjahr der Erzdiözese anlässlich „1300 Jahre Korbinian in Freising“, die mit einem Festgottesdienst am Sonntag, 24. November, im Münchner Dom ihren Abschluss findet. Der Heilige Korbinian, der als Wanderbischof den christlichen Glauben in Altbayern verkündete und um 730 in Freising starb, ist Patron des Erzbistums. (glx)
Bericht: Erzbischöfliches Ordinariat – Foto: Hötzelsperger (im Dom zu Freising)