Kultur

Trachtenberatung für Musikbund Ober- und Niederbayern

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Es gibt gute Neuigkeiten! MON-Mitgliedsvereine (Musikbund Ober- und Niederbayern) können jetzt eine individuelle und kostenlose Trachtenberatung in Anspruch nehmen. Alexander Karl Wandinger, Trachtenfachberater des Bezirks Oberbayern, verriet der »BiB« im Interview, wie das abläuft und worum es dabei geht.

Blasmusik in Bayern: Herr Wandinger, Sie bieten Trachtenberatung für MON-Mitgliedsvereine an …

Alexander Karl Wandinger: Ich bin Trachtenfachberater des Bezirks Oberbayern, das ist der Ausgangspunkt. Das bedeutet: Jeder, der sich in Oberbayern für das Thema Tracht interessiert und beraten werden möchte, ist bei mir richtig – ob das nun Museen, Vereine, Musikkapellen oder auch Privatpersonen sind. Es gibt übrigens auch in den anderen Bezirken Bayerns Trachtenberatungen, mit denen ich in gutem Austausch stehe.

Wie läuft so eine Beratung normalerweise ab?

Das kann ich so pauschal nicht beantworten, denn die Beratung ist immer ganz individuell. Es gibt auf jeden Fall ein Erstgespräch, in dem ich viele Dinge wissen möchte: Was sind das für Leute, die sich für die Tracht interessieren? Wo kommen die her? Wer spielt da mit? Ist das eine Jugendkapelle oder sind das ältere Leute? Wie ist die Kapelle aufgebaut, welche Spielgelegenheiten gibt es? Was tragen die Musikerinnen und Musiker jetzt? Sind sie damit zufrieden oder nicht? Wollen sie nur einzelne Teile der aktuellen Vereinskleidung verändern oder mehr? Oder wollen sie sich ganz neu einkleiden? Mit wem ich dieses Gespräch führe, ist ganz unterschiedlich. Manchmal ist es die ganze Vorstandschaft, manchmal ein größerer Kreis, manchmal nur der Trachtenwart. Jeder Verein funktioniert anders und ist anders strukturiert. Dem muss natürlich auch die Beratung Rechnung tragen.

In der Folge und mit den gewonnenen Erkenntnissen kann ich dann auf die Wünsche und Vorstellungen der Kapelle eingehen. Von mir wird niemand hören »ihr kommt aus diesem oder jenem Ort, darum schaut Eure neue Tracht so oder so aus«. Eine Tracht muss zeitgemäß sein und immer zu den Menschen passen, die sie anziehen. Es gibt nicht die richtige Tracht. Aber jede Tracht kann die Gruppe motivieren, den Zusammenhalt stärken oder überhaupt erst entstehen lassen. Zeitgemäß heißt: Im Lauf von Jahrzehnten – und eine Vereinskleidung muss nicht selten 30 Jahre lang halten – ändern sich natürlich verschiedene Schönheitsvorstellungen. Darum muss man in der Beratung flexibel darauf eingehen, welche Traditionen es gibt, aber auch, was heute zeitgemäß ist und was der Gruppe guttut. Ein Verein auf dem Land kann beispielsweise ganz anders funktionieren und andere Bedürfnisse haben als ein Verein in einem städtischen Umfeld.

Am Ende können wir auch passende Bezugsquellen für Stoffe oder Trachten nennen. Für das Einholen von Angeboten und die Auftragserteilung ist dann aber jeder Verein selbst zuständig.

Können Sie auch bei der Erschließung von Fördergeldern helfen?

Nein. Früher gab es ein Förderprogramm des damaligen Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, das über den Bayerischen Landesverein für Heimatpflege abgewickelt wurde, aber dieses Programm gibt es nicht mehr. Heute müssen sich die Vereine vor Ort nach Zuschüssen umschauen und können zum Beispiel bei der örtlichen Sparkasse, bei größeren Firmen, der Kommune, dem Landkreis oder bei Privatpersonen vorstellig werden. Es wäre toll, wenn ein solches Programm neu aufgelegt würde.

Wie beurteilen Sie die Bedeutung von Tracht in der heutigen Zeit? Lederhose und Dirndl gehören zum Festzeltbesuch selbstverständlich dazu, andererseits hört man auch immer wieder vom »Trachtenfasching« beim Oktoberfest …

Na ja, die richtige und die echte Tracht gibt es nicht. Tracht ist immer eine Mode einer bestimmten Zeit und einer sozialen Schicht, die wir heute mit (vermeintlichen) Traditionen, Zugehörigkeit und Regionalität verbinden. Tracht kann eingrenzen, aber auch ausgrenzen. Das Schönheitsempfinden spielt eine große Rolle – und natürlich das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein. Da spielt also auch viel Emotion mit. Tracht ohne Emotion ist überhaupt nicht vorstellbar.

Natürlich gibt es Unterschiede: Die Tracht in einem Trachtenverein ist relativ klar festgelegt. Dann gibt es aber auch die »allgemeine« Trachtenmode, die alles mögliche sein kann – von eher konservativ bis total wild. Ich wehre mich da gegen die Einstufung in »echt« und »nicht echt« oder »gut« und »schlecht«. Die Frage lautet vielmehr: Hat die Tracht einen Bezug zur jeweiligen Region? Hat sie einen Bezug zu den Menschen und ihren Schönheitsvorstellungen? Das ändert sich natürlich auch im Lauf der Zeit. Was wir heute als »Tracht« bezeichnen, hat sich schließlich historisch gesehen mit jeder Generation verändert. Und zwar zum Teil komplett! Das heißt: »Tracht« ist eine Idee, ein Konstrukt – allerdings ein wunderschönes. Es ist so ähnlich wie mit der Volksmusik: Es gibt nicht die Volksmusik. Ebenso wenig, wie es die Blasmusik gibt. Das Repertoire einer heutigen Blaskapelle hat mit dem Repertoire von 1970 oder 1960 oder 1920 oder 1890 nicht mehr viel zu tun, ebenso wenig wie die Besetzung. Wir haben in allen Bereichen eine permanente Entwicklung, deshalb müssen wir verschiedene Dinge immer wieder neu »verhandeln«.

Ich würde es so ausdrücken: Die Tracht ist ein lebendiges Kulturgut, das wir mit Hintergrundwissen, mit Schönheitsvorstellungen und mit Freude immer wieder neu weiterentwickeln dürfen. Das ist eine sensible Aufgabe, aber es lohnt sich, sich dieser Aufgabe zu stellen. Und das ist eine große Leidenschaft von mir.

Das heißt aber auch, man kann relativ wenig falsch machen, oder?

Das würde ich so nicht sagen. Man kann durchaus viel falsch machen, wenn man schlechte Qualitäten auswählt oder nicht spürt, was die Gruppe braucht. Oder indem nicht auf Nach­haltigkeit geachtet wird. Trachtenberatung ist schon ein komplexes Thema, das darf man nicht unterschätzen.

Aber es geht nicht so sehr darum, »nichts falsch« zu machen, sondern »etwas richtig« zu machen! Es geht um die Freude an der Musik und um die Freude an der Kleidung, am Gewand. Wenn am Ende der Beratung steht, dass die Musikerinnen und Musiker sagen: »Wow! Wir spielen super, wir haben eine tolle Gemeinschaft und wir schauen auch noch gut aus«, dann ist das Ziel erreicht. Das gilt übrigens unbedingt auch für den Nachwuchs! Ich stelle immer wieder fest, dass »gut ausschauen« für die Nachwuchsarbeit elementar wichtig ist!

Aber Kleidung und Gewand werden in ihrer Wirkmächtigkeit überhaupt häufig unterschätzt: Man ist es einfach gewohnt, ein Gewand zu ­haben. Doch wenige machen sich wirklich Gedanken darüber, wo es herkommt. Oder wenige wissen davon, wo ihr Gewand herkommt und welche Gedanken man sich bei der Auswahl gemacht hat. Aber genau diese Beschäftigung mit der Kleidung bewirkt etwas bei den Menschen.

Von daher freue ich mich wirklich sehr, dass wir mit dem MON so unkompliziert zu dieser neuen Kooperation gelangt sind. Und natürlich würde ich mir wünschen, dass die Beratung, die wir anbieten, nicht nur zu einem schönen Gewand führt, sondern auch zu einer echten Beschäftigung mit der Tracht. Glauben Sie mir: Es lohnt sich!

Herr Wandinger, vielen Dank für das informative Gespräch!

Interview: Martin Hommer, Foto: Verena Schlecht

Weitere Informationen: www.mon.bayern/informationen/trachtenberatung#c

Kontakt: Alexander Karl Wandinger, Trachtenfachberatung des Bezirks Oberbayern, Prinzregentenstraße 14, 80538 München, E-Mail: alexander.wandinger@bezirk-oberbayern.de

 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

Beiträge und Fotos sind urheberrechtlich geschützt!