Vor einigen Jahren veranstaltete der Verein Kunst und Kultur zu Hohenaschau, der bald sein 35jähriges Bestehen feiern kann, eine viel beachtete Ausstellung mit drei Künstlern der Leipziger Schule. Zwei der erfolgreichsten Künstler, nämlich Sebastian Speckmann und Claus Georg Stabe folgten der diesjährigen Einladung erneut und brachten einen Freund und Kollegen, nämlich Claas Gutsche mit, der ebenfalls aus der Leipziger Schule hervorging.
So kommt in den schönen Ausstellungsräumen neben der Festhalle in Hohenaschau diesmal die Grafik in den verschiedensten Ausprägungen zu ihrem Recht. Da sind feinste Linolschnitte mit großer Ausdruckskraft von Sebastian Speckmann zu bewundern und ein Sammelsurium von unterschiedlichen grafischen Techniken wie Lithografie, Lichtdruck und besonders der Arbeit mit dem Kugelschreiber von Claus Georg Stabe. Bei der sehr gut besuchten Vernissage stellte die Kunsthistorikerin bei ihrer Einführungsrede fest, dass die Grafik im Unterschied zur Malerei „ihre Langsamkeit und die Endgültigkeit der Linie“ auszeichnet. Gut zu sehen ist das zum Beispiel bei Class Gutsche, (Jahrgang 1982, lebt und arbeitet in Berlin) in seinem Linolschnitt „Collapse“. Geboren in die letzten Ausläufer der DDR, setzt sich der Künstler oft mit Architekturen und Denkmälern der sozialistischen Zeit auseinander, hier dem ehemaligen Kongresszentrum in Bulgarien, das 1981 eingeweiht wurde. Gusches Arbeit aber zeigt den heutigen Zustand des Gebäudes, das seit 1989 keinerlei Funktion mehr hatte, das Dach durchbrochen, marode, wie das politische System, das es symbolisiert.
Gänzlich anders aber sind Gutsches kleinformatige Arbeiten im zweiten Geschoß. Den Mahnmalen sozialisticher Architektur stehen die poetischen, mehrfarbigen Unikatdrucke mit Tusche wie „Suburbia“ oder „Nostalgia“ gegenüber, die den Betrachter mit Sonnenuntergängen, reiner Landschaft und Urbanität durch Oberleitungen konfrontieren, die das Bild queren. In den Werken von Sebastian Speckmann (1982 in Wolfen geboren, studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und der Royal Academy of Arts, London, lebt heute in Leipzig) treffen oft mehrere Welten aufeinander, die real nicht an einem Ort oder zur gleichen Zeit existieren könnten. Er bringt Versatzstücke aus den verschiedensten Quellen zusammen – dem eigenen Fotoarchiv, Büchern, Zeitschriften etc..
Bei seiner sehr großformatigen Arbeit „Wurf“ gleich im Eingangsbereich nicht zu übersehen, kombiniert er Motive aus den unterschiedlichsten Holzstichen aus dem 19. Jahrhundert. Der Kopf stammt von einem Engel oder einer Dame, der kleine Kopf einem Bauernstich, das üppig drapierte Gewand antiken Vorlagen. Details dieser Fundstücke fügt er so zusammen, dass die Welt gewissermaßen aus den Fugen gerät – die gefühlmäßige Realität wohl vieler Betrachter. Auch in vielen seiner anderen Bilder suggeriert er dem Betrachter die Aussichtslosigkeit der bestehenden Situation, zum Beispiel bei seiner Serie über Nordirland beim Bild „No Surrender. The Protestants“, wo vor einer trostlosen Stadtkulisse Kinder spielen, die durch den Qualm eines brennenden Haufens Schutt zu sehen sind. Ein Junge springt über das Feuer, im Hintergrund sind die Konturen eines Kirchturms zu sehen.
Einen eigenen Bildkosmos betritt der Betrachter bei den faszinierenden, außerordentlich zeitaufwändig herzustellenden „Kugelschreiber-Bildern“ von Claus Georg Stabe . Die Zeilengrafik entsteht mit Hilfe des Kugelschreibers auf Papier. Je nach Andruck des Stiftes entstehen dichte, feste und hellere Zeilen und wechselnde, sich überlagernde
Tinten ergeben ein sublimes, spannendes Kolorit. Langsam taucht man in seine Arbeiten ein und nähert sich Stabes Poesie, der man sich kaum zu entziehen vermag. Die Linie dehnt sich Zeile für Zeile aus und entwickelt dabei eine Eigendynamik. Erst entwickelt sich eine Fläche, dann ein Raum, der gleichsam vibriert ähnlich einem Klang.
Also drei, wirklich sehenswerte, völlig unterschiedliche Positionen der zeitgenössischen Grafik, die hier wechselseitig kommunizieren. Kuratiert wurde die Ausstellung wieder, wie jede der Präsentationen seit 1991, von dem Aschauer Maler Rudolph Distler, dem es immer ein Anliegen war, nicht nur professionelle Künstler zu präsentieren, die im Scheinwerferlicht des Kunstmarkts stehen, sondern auch herausragende Absolventen aus den Kunstakademien, um ihnen ein Forum zu bieten und Gelegenheit, ihre Werke zu verkaufen.
Die Ausstellung neben der Festhalle in Hohenaschau ist bis Sonntag, 13. Oktober, nur an den Wochenenden geöffnet. Freitags und samstags von 16 bis 19 Uhr, sonntags von 14 bis 19 Uhr, Telefon 08052/958854.
Bericht und Bilder: Christiane Giesen
Der großformatige „Wurf“ von Sebastian Speckmann, bei dem Sebastian Speckmann Motive unterschiedlichster Holzstiche aus dem 19. Jahrhundert verarbeitete.
Eine der Arbeiten mit Kugelschreiber von Claus Georg Stabe.
„Suburbia“, Linolschnitt mit Tuschezeichnung von Claas Gutsche.