Kultur

Museumsforum Dachau: erste Bilanz

Ende September vergangenen Jahres ist der Bezirk Oberbayern dem Zweckverband Dachauer Galerien und Museen beigetreten, der das Museumsforum Dachau entwickeln möchte. Und seit mehr als einem halben Jahr kümmert sich Dr. Nina Möllers als neue Gründungsdirektorin um die Planungen: Zeit, um eine erste Bilanz zu ziehen. Im Interview berichtet sie, was sich inzwischen getan hat und wie ihre ersten Visionen für das geplante Arbeits- und Industriekulturmuseum des Bezirks Oberbayern im Museumsforum aussehen.

Die ersten Monate als neue Gründungsdirektorin des Museumsforums Dachau waren sicherlich intensiv. Sind Sie schon richtig angekommen?

Die Vielschichtigkeit der Perspektiven ist tatsächlich überwältigend. Inzwischen herrscht zum Glück eine gewisse Klarheit. Ich habe eine To-do-Liste und kann sortiert in den Prozess starten. Mein Auftrag ist eindeutig: Ich soll ein tragfähiges Konzept für das Museumsforum Dachau entwickeln. Und das geht weit über das Inhaltliche hinaus, sondern umfasst auch betriebliche, finanzielle und personelle Aspekte. Damit in fünf Jahren hoffentlich eine Entscheidung für das Konzept fällt.

Eine Menge Aufgaben – haben Sie dafür personelle Unterstützung?

Ab August sind wir ein kleines Aufbauteam, dann bekomme ich zwei neue Mitarbeiterinnen für das Museumsforum. Zum einen eine Assistenzkraft, die sich auch um das Veranstaltungsmanagement kümmern soll, und zum anderen eine wissenschaftliche Mitarbeiterin für das geplante Museum für Arbeits- und Industriekultur – für mich sehr wertvoll!

Apropos Arbeits- und Industriekultur: Welche Ideen haben Sie für das geplante Museum des Bezirks Oberbayern?

Inhaltlich gesehen ist für mich klar, dass wir stark vom Menschen als arbeitendem Wesen ausgehen werden. Da stellen sich ganz viele Fragen: Wie prägt Arbeit unser Leben? Wie war die zeitgeschichtliche Rezeption in der Vergangenheit, was bedeutet Arbeit heute und wie könnte die Entwicklung in der Zukunft aussehen? Davon ausgehend können wir ein Programm entwickeln. Eine andere Leitplanke ist die Industriekultur in Oberbayern. Das heißt: Was ist typisch und wie hat sich die Industriekultur in dieser Region entwickelt? In Bayern geht der Blick ja immer nach Nordbayern, wo es bereits Museen zu dem Thema gibt. Aber genau das ist eine Chance: Wir würden mit unserem neuen Museum zur Arbeits- und Industriekultur in Oberbayern eine echte Lücke füllen.

Welche Stücke könnten in dem Museum gezeigt werden?

Sammlungstechnisch gibt es bisher noch wenig. Aber von der früheren MD-Papierfabrik, in die das Museumsforum Dachau einziehen soll, sind noch einige Objekte vorhanden. Außerdem denke ich an Sammlungen anderer Museen, Leihgaben, Objekte aus stillgelegten Fabriken oder von Privatsammlern. Das Problem ist, dass Erinnerungsstücke aus der Industriekultur oft als nicht wichtig genug erachtet wurden, um sie aufzuheben. Sie wurden dann entweder weggeworfen oder – wenn möglich – verkauft. So sind beispielsweise Maschinen aus der früheren MD-Papierfabrik nach Indien gegangen. Andere Sachen stehen eventuell noch in irgendeiner Garage herum – an die kommen wir vielleicht mit einem Aufruf heran.

Die Arbeits- und Industriekultur soll ja Teil des Museumsforums Dachau sein. Welche Vision schwebt Ihnen hierfür vor?

Bislang gibt es tatsächlich noch keine Kulturinstitution in Oberbayern, die sich so intensiv mit dem Thema Arbeit beschäftigt. Das Museumsforum könnte in dieser Hinsicht eine große Bereicherung für die Region sein: als Ort, an dem man über Programme Raum schafft für Diskussionen über aktuelle Fragen. Zum Beispiel zum Bürgergeld, den Wert der Arbeit, das Grundeinkommen, die Bedeutung von Care- und Sorgearbeit, die Nicht-Arbeit… Momentan gibt es ja eine große Zersplitterung in der Gesellschaft. Ich sehe im Museumsforum die Chance, Menschen zusammenzubringen.

Und wie wollen Sie die verschiedenen Museen im Forum zusammenführen? Die Bandbreite ist ja groß, von Landschaftsmalerei über Volkskunde bis zu zeitgenössischer Kunst…

Ich bin mir sicher, dass ein moderner Ansatz möglich ist. Im geplanten Museumsforum können wir an einem authentischen Ort den Wandel von der vorindustriellen Zeit über die industriell geprägte Arbeit bis zur Post-Industrialität darstellen und einen Rahmen über die einzelnen Häuser spannen. Indem wir zum Beispiel zeigen, wie mit Beginn der in Oberbayern lange Zeit gehemmten Industrialisierung eine Antimodernisierungsbewegung eingesetzt hat, in deren Kontext auch die Dachauer Künstlerkolonie mit ihrer Landschaftsmalerei entstanden ist. Oder indem wir deutlich machen, wie sich Menschen heute künstlerisch mit dieser Thematik auseinandersetzen. Stichwort „Industrie und Idyll“.  Damit können wir auch ein überregionales Publikum anlocken.

Die finanzielle Ausgangslage für kulturelle Einrichtungen hat sich zuletzt nicht gerade verbessert. Macht Ihnen das Sorgen?

Leider wird in Hinblick auf die Kultur oft zu kurzfristig gedacht. Aber man muss bedenken, was man zurückbekommt, zum Beispiel auch mit dem geplanten Museumsforum Dachau. Hier könnte ein Knotenpunkt für eine nachhaltige Kooperation zwischen Stadt und Land entstehen, ein Bildungsort für Schulen und ein Ort der Inklusion. Das wären wirklich langfristige Werte.

Interview: Ulrike Graßl – Bildrechte: Bezirk Oberbayern/Peter Bechmann

Redaktion

Toni Hötzelsperger

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