Kein Job, sondern Berufung
Ein Sonntagvormittag am Chiemsee, zwischen Bernau und Rimsting, bedeckt, schwül-warm, Doris und Karl gehen ihre Tour. Die beiden sind als Chiemsee Ranger unterwegs. Gekleidet in der Rangerkluft – dunkelblaues T-Shirt und Käppi, ein großes „Chiemsee Ranger“ auf dem Rücken, Dienstausweis um den Hals und Informationsmaterial in den Taschen – sind sie gut zu erkennen: „Hallo, Grüß Gott“, „Kann ich Ihnen weiterhelfen?“, „Noch einen schönen Tag“, „Wären Sie bitte so nett und steigen hier von Ihrem Rad ab und schieben es – hier ist Fußgängerzone, da vorne geht es weiter“ oder auch „Hier haben Chiemseevögel ihre Nester im Schilf. Bitte leinen Sie Ihren Hund an, damit er sie nicht aufschreckt und damit vertreibt.“ Mit einem Lächeln im Gesicht, aufmerksam die Umgebung beobachtend wandern Doris und Karl am Uferweg entlang und sprechen die Leute an, unterhalten sich. Die Reaktionen: Freundliches „Zurück-Grüßen“, ein kurzes „Danke für den Hinweis“, aber auch Fragen zur Natur, wo es was Schönes zu sehen gibt, wo man Brotzeit machen kann.
„Ich war wirklich überrascht, dass die Reaktionen so überwiegend positiv sind. Ich hatte mit mehr schwierigen Gesprächen gerechnet“, erklärt Doris, die erst seit diesem Jahr bei den Chiemsee Ranger ist. Doris, bei einer Versicherung tätig, leitet Wandergruppen, unterrichtet Yoga und ist beim Bund Naturschutz engagiert, ist gerne Chiemsee Ranger. „Der Chiemsee ist einfach ein Magnet. Hier tummeln sich im Sommer am Wochenende so viele Menschen, da macht eben nicht jeder alles richtig, da gibt es viele Fragen. Hier kann ich helfen, dass der Chiemsee lebenswert bleibt“, erklärt sie. „Viele wissen nicht, dass ein Wiesenbrüter, der vielleicht zehnmal am Tag durch einen Hund aufgeschreckt wird, sein Gelege nicht mehr warm halten kann und es dadurch aufgegeben wird oder dass der Frauenschuh eine geschützte Orchideenart ist und natürlich nicht gepflückt werden darf. Da sind viele dann dankbar, dass wir sie darauf hinweisen und informieren können.“
Karl, schon im zweiten Jahr und damit von Anfang an dabei, kann nur bestätigen, dass es durchwegs entspannte, angenehme und für beide Seiten gewinnbringende Gespräche sind, die die Chiemsee Ranger führen. „Natürlich haben wir auch die, die uns einfach ignorieren oder die ihren Hund schon seit 15 Jahren ohne Leine im Naturschutzgebiet laufen lassen und es nicht verstehen wollen. Aber wir haben auch die, die ein Erinnerungsfoto mit uns schießen“, erzählt er. „Das Gespräch muss positiv sein und immer sachlich bleiben. Wir sind die Vermittler in Sachen Natur und im Auftrag der Gemeinde unterwegs. Wir wollen ja, dass die Touristen weiter zu uns kommen und alle – auch die Einheimischen – ihre Natur genießen können. Dazu tragen wir Chiemsee Ranger ein bisschen bei.“ Doris und Karl sind sich einig, dass alle profitieren, wenn die Radler und Spaziergeher gut miteinander umgehen und wenn alle, die am Chiemsee unterwegs sind, gut zur Natur sind. „Es muss ein Miteinander zwischen den Menschen und den Menschen und der Natur sein, nur so funktioniert es“, meint das Ranger-Team. Neben den Naturgesprächen, den Hinweisen und Hilfestellungen jeglicher Art, profitieren die Gemeinden von den Rückmeldungen der Ranger, die über die Projektleitung gesammelt weitergegeben werden. So bleibt auch der übervolle Mülleimer und die beschädigte Sitzbank nicht unbemerkt.
Doris und Karl sind heute gemeinsam zu Fuß unterwegs. Sie sind kein festes Team, das gibt es bei den Rangern nicht. Je nach Zeitplanung finden sich die Teams zusammen. „Das ist aber auch gut so“, erklärt Karl. „Nachdem wir eine bunte Gruppe bezüglich Berufen und Hobbies sind, lernen wir auch untereinander viel voneinander.“ So haben die Chiemsee Ranger Tierärzte, einen Diplom Ingenieur im Bereich der Landschaftspflege und -ökologie, Naturschützer, Sportler und viele andere Interessen in ihren Reihen. Karl selber ist Betriebsprüfer und kann seine Erfahrung in der Gesprächsführung gut einbringen. „Ich bin auch immer zu Fuß unterwegs, pro Einsatz gehe ich etwa 13 Kilometer. Ich finde für mich, dass ich vieles so aufmerksamer aufnehmen kann. Das finde ich als Ranger wichtig.“ Doris ist bei ihren Einsätzen auch immer wieder mit dem Rad unterwegs. „So dient man optisch natürlich auch gleich als Vorbild, wenn das Rad durch die Fußgängerbereiche am See entlang geschoben wird.“ So unterschiedlich sie sind, die Liebe zur Natur und zum Chiemsee eint die Ranger – und dass es für sie kein Job, sondern eine Berufung ist.
Die insgesamt 17 Chiemsee Ranger sind freiberuflich im Auftrag des Abwasser- und Umweltverbandes Chiemsee (AUV) unterwegs und erhalten für ihren Dienst eine Ausbildung in Sachen Natur rund um den Chiemsee, Kommunikation und Erste Hilfe. Der AUV hat das Projekt unter Leitung von Susanne Mühlbacher-Kreuzer Anfang 2023 ins Leben gerufen. Im Jahr 2024 wurde das Projekt aufgrund der positiven Resonanz und Erfahrungen weitergeführt. Die Gemeinden Rimsting, Gstadt am Chiemsee, Seeon-Seebruck, Chieming, Grabenstätt, Übersee, Bernau und Prien sind mit an Bord. Die Chiemsee Ranger sind bei gutem Wetter noch bis zum Ende der Sommerferien unterwegs.
Text und Foto: Yvonne Feichtner
Chiemsee Ranger: links Karl Büttner, rechts Doris Bönisch