20 strahlende junge Erwachsene und ihre Familien, Lehrer der Abiturfächer und auch Lehrer der ersten Jahrgangsstufen fanden sich Ende Juni zusammen, um den besonderen Moment der Übergabe der Abiturzeugnisse an die Abiturientinnen und Abiturienten der Freien Waldorfschule Chiemgau zu feiern. Mit einem Augenzwinkern begrüßte Schulleiterin und Deutschlehrerin Evelyn Bukowski die Absolventen:
„Heute Abend ist die letzte Gelegenheit als Lehrerin, Versäumnisse im Unterricht nachzuholen.“ Anhand des mittelalterlichen Versromans Parzival wolle sie in die Zukunft schauen: „Parzival muss eine Entwicklung durchlaufen: Vom naiven Jüngling reift er zum edlen Ritter. Wie Parzival starten Sie nach einer überaus behüteten Schulzeit mit einem Rucksack voller Liebe ausgestattet übermütig hinaus ins Leben. Auf seinem zunächst etwas holprigen Lebensweg lädt Parzival, ohne es zu wollen, auch Schuld auf sich. Das wunderbare jedoch ist, dass er die Möglichkeit bekommt, alles wieder gut zu machen. Und er nimmt Hilfe an.“ Von Herzen wünschte Bukowski den Abiturienten die Möglichkeit, zu erfahren, wer sie wirklich sind. „Dass Sie auch bei Irrwegen, die wir alle oft genug einschlagen, immer wieder die Möglichkeit bekommen, diese zu korrigieren. Dass Sie Menschen an Ihrer Seite haben, die Ihnen helfen, Ihre Lebensaufgaben zu finden, zu erkennen und zu ergreifen.“
Nachdenklich wurde Bukowski als sie in ihrer Rede die gegenwärtigen Herausforderungen ansprach: Kriege, viraler Hass und antidemokratische Bewegungen. Sie hoffe, dass die Schulzeit sie gut gerüstet habe für die künftigen Aufgaben des Lebens. Auf dieses Bild bezog sich auch Wolfgang Kölbel, Klassenbetreuer und Mathematiklehrer: „Wie Sie wissen, streben wir nach einer umfassenden Bildung der Persönlichkeit unserer Schülerinnen und Schüler und wünschen uns, dass Sie mit einer Rüstung und nicht bloß im Rüstungsunterhemd ins Leben gehen.“ Das hoffe er, auch mit der Mathematik geschafft zu haben, denn sie sei in ihrer ganzen Tiefe eng verwoben mit uns als Menschen, besitze eine eigene Schönheit und eine Wahrheit, die nur ihr eigen ist. „Ich fühle ein großes Glück, wenn ich erleben darf, dass Schüler bessere Ideen haben als ich selbst. Und es erfüllt mich mit Dankbarkeit, Teil Ihres schulischen Entwicklungsweges gewesen zu sein.“
Der Weg an der Waldorfschule ist für 20 junge Erwachsene beendet. Doch wohin gehen die Wege weiter? Für viele führen sie erst einmal auf Reisen: Marokko, Island, Nepal, Frankreich. Die Zeit soll auch genutzt werden, um sich über Ideen, die man über ein Studienfach hat, klarer zu werden. Elias Walter denkt über Psychologie und Naturwissenschaften nach, Frieda Ladwig über Veterinärmedizin, Mascha Hoffmann-Kuhnt über Medizin und Johannes Glanz über Lehramt, doch das hat für ihn noch Zeit, sein großes Hobby ist die Musik. Dieses Hobby oder vielleicht sogar schon Berufung führt Max Larson nach Wien, zum Studium der Musikproduktion. Drei bis vier Jahre beschäftigt er sich bereits damit, der kreative Freiraum, der ihm von der Waldorfschule dafür geboten wurde, war für ihn sehr wertvoll.
„Finden Sie immer wieder den Weg zu uns zurück, und lassen Sie uns teilhaben, wie es Ihnen ergeht in der Welt, in Ihrem Leben“, so Bukowski und Kölbel.
Bericht und Foto: Freie Waldorfschule Chiemgau / Braun – Nun soll es hinaus in die Welt gehen: Die 20 Abiturienten der Freien Waldorfschule Chiemgau.