Wirtschaft

Bayerisches Handwerk: weniger Umsatz

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Bayerisches Handwerk macht 2023 real vier Prozent weniger Umsatz – Peteranderl: „Der Fokus der Bundesregierung muss jetzt voll auf die Wirtschaft gerichtet werden“

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird weiterhin von einem äußerst schwachen Konsum- und Investitionsklima geprägt, das keine Impulse für eine nachhaltige Erholung liefert. Zusammen mit den hohen Zinsen und der negativen Entwicklung der Baukonjunktur ergibt sich auch für das Handwerk eine weiterhin schwierige Gemengelage. „In der Konjunkturumfrage der Handwerkskammern für das 4. Quartal 2023 haben 36 Prozent der bayerischen Handwerksbetriebe ihre Lage als gut und weitere 44 Prozent als befriedigend bewertet. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Verschlechterung um 4 Punkte“, sagt Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).

42 Prozent der Befragten berichteten von einer schwächeren Nachfrage im Vergleich zum Vorquartal. Obwohl dieser Wert saisonal bedingt immer relativ hoch ist, lag er 5 Punkte über dem des Vorjahres und sogar doppelt so hoch, wie zum gleichen Zeitpunkt 2019. Vor allem im Bauhauptgewerbe und im Ausbauhandwerk verfestigt sich der Abwärtstrend immer mehr. Etwas besser schätzten dagegen das Kfz-Handwerk, die Lebensmittelhandwerke und die verbrauchernahen Dienstleister ihre Situation ein. Dass die Auslastung der bayerischen Handwerksbetriebe trotz der schlechten Gesamtlage nur um 1 Punkt auf durchschnittlich 78 Prozent zurückging, liegt an den immer noch ordentlichen Auftragsbeständen. Zum Jahresende 2023 hatten die Betriebe im Durchschnitt noch Aufträge für 8,6 Wochen in ihren Büchern. Im langfristigen Vergleich ist dieser Wert zwar respektabel, liegt aber um 0,9 Wochen unter dem Vorjahresniveau. Im Bauhaupt- (minus 2,1 Wochen) und Ausbaugewerbe (minus 2,0 Wochen) war der Rückgang deutlich höher. Laut ifo-Institut verzeichnete zuletzt mehr als jedes fünfte Unternehmen im Wohnungsbau Auftragsstornierungen. Vor der Corona-Pandemie hatte dieser Wert stets im niedrigen einstelligen Prozentbereich gelegen. Ein weiterer Grund für die vergleichsweise hohe Auslastung ist auch, dass die Belegschaften im bayerischen Handwerk seit 2021 schrumpfen: Nach BHT-Schätzungen waren im bayerischen Handwerk 2023 im Jahresdurchschnitt rund 954.000 Menschen tätig. Verglichen mit dem Vorjahr ist das ein Minus von 0,8 Prozent. Positive Signale gab es dagegen vom Ausbildungsmarkt. Nach vorläufigen Zahlen wurden im bayerischen Handwerk 2023 rund 27.800 neue Ausbildungsverhältnisse erfasst. Im Vorjahresvergleich ist das ein Plus von 1 Prozent. Die Investitionsneigung im bayerischen Handwerk lag im 4. Quartal 2023 unverändert bei 38 Prozent. Auch bei der Zahl der Handwerksbetriebe gab es keine Veränderung: 209.500 lautete der Stand zum Jahresende 2023.

Gut 40 Prozent der befragten Betriebe berichteten im 4. Quartal 2023 von gestiegenen Einkaufspreisen. Am Jahresanfang hatte dieser Wert noch bei über 70 Prozent gelegen. „Der Kosten- und Preisdruck im Handwerk bleibt aber weiter hoch und stellt unserer Betriebe vor große Herausforderungen. Aufgrund der schwachen Nachfrage haben sie derzeit nur wenig Spielraum bei der Preissetzung“, betont der BHT-Präsident. Weniger als einem Viertel der Befragten gelang es im Berichtzeitraum, ihre gestiegenen Kosten zumindest teilweise an die Kunden weiterzugeben. Für das Gesamtjahr rechnet das bayerische Handwerk mit einem nominalen Umsatzwachstum von 4,5 Prozent auf 150,9 Milliarden Euro. Nach Abzug der Preissteigerung verbleibt unterm Strich ein reales Minus von etwa vier Prozent. Dies stellt den stärksten Rückgang im Handwerk seit der Finanzkrise 2008/2009 dar. Peteranderl: „Unsere Betriebe mussten das dritte Jahr in Folge reale Umsatzverluste hinnehmen. Das verdeutlicht die tiefe konjunkturelle Krise, in der sich das Handwerk aktuell befindet.“

Angesichts der negativen Rahmenbedingungen zeigen sich die bayerischen Handwerkerinnen und Handwerker für die kommenden Monate wenig optimistisch: Nur 6 Prozent erwarten eine Verbesserung, 61 Prozent eine gleichbleibende Geschäftslage. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Minus um 3 Punkte. Im Bauhauptgewerbe sind die saisonal ohnehin verhaltenen Erwartungen pessimistischer als im vergangenen Jahr: Für das 1. Quartal 2024 rechnen 55 Prozent (Vorjahr: 62 Prozent) mit besseren oder zumindest gleichbleibenden Geschäften. Optimistischer sind das Kfz-Handwerk (70 Prozent, plus 4 Punkte), das Gesundheitshandwerk (82 Prozent, plus 16 Punkte) und die verbrauchernahen Dienstleister (75 Prozent, plus 6 Punkte). Für das Gesamtjahr 2024 wird im bayerischen Handwerk ein nominales Umsatzwachstum von 3 Prozent erwartet. Die Beschäftigung könnte im Idealfall stabil bleiben.

„Der Fokus der Bundesregierung muss jetzt voll auf die Wirtschaft gerichtet werden“, fordert der BHT-Präsident, „am wichtigsten sind verlässliche Rahmenbedingungen. Wir brauchen eine umfassende Verbesserung der Standortbedingungen.“ Dazu gehört auch eine sichere, nachhaltige Energieversorgung zu dauerhaft wettbewerbsfähigen Preisen. Deutschland als große Wirtschaftsnation müsse dabei den Blick für alle Technologien offenhalten, betont Peteranderl: „Der Aufstieg Bayerns zum starken Wirtschaftsstandort war maßgeblich mit einer Verbesserung der Energieversorgung verbunden. Deshalb ist auch eine Ertüchtigung der Infrastruktur, wie der Ausbau der Stromnetze, dringend erforderlich. Unsere Energiepolitik muss den Realitätscheck bestehen.“ Weiter fordert das bayerische Handwerk, dass nicht nur das produzierende Gewerbe von der Senkung der Stromsteuer auf das EU-Minimum profitiert. Der BHT-Präsident: „Auch wichtige energieintensive Branchen wie Textilreinigungen oder Betriebe des Kfz-Handwerks brauchen Entlastung. Hier muss auf einen fairen Wettbewerb geachtet und eine klare Linie gefahren werden.“

Auch in der Steuerpolitik sieht das bayerische Handwerk dringenden Reformbedarf: „Die letzte grundlegende Unternehmenssteuerreform liegt 15 Jahre zurück. Erforderlich ist unter anderem eine Entlastung bei der Einkommensteuer. Der sogenannte ‚Mittelstandsbauch‘ muss begradigt und der Solidaritätszuschlag komplett abgebaut werden. Jede zusätzliche Besteuerung aus der Substanz ist für unsere Betriebe in der derzeit angespannten Lage existenzgefährdend“, betont Peteranderl. Der BHT-Präsident kritisiert angesichts der schwächelnden Wirtschaft vor allem fehlenden Mut und Tempo der Bundesregierung: „Es ist Zeit, zu machen. Den vielen Absichtserklärungen aus Berlin müssen zeitnah Taten folgen. Gerade für das Bau- und Ausbauhandwerk ist es jetzt extrem wichtig, dass das von der Bundesregierung im vergangenen Jahr vorgelegte 14-Punkte-Programm umgesetzt wird. Dies muss auch vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage absolute Priorität haben.“

Zur Standortstärkung zählt auch der spürbare Abbau von Bürokratie. Peteranderl kritisiert in diesem Zusammenhang, dass der Referentenentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz IV deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt. Zahlreiche Vorschläge, die das Statistische Bundesamt im Rahmen einer Verbändeabfrage als leicht umsetzbar eingestuft hat, fehlen. „Hier muss dringend nachgebessert werden. Alleine in Bayern benötigen in den kommenden Jahren 22.000 Handwerksunternehmen eine neue Chefin oder einen neuen Chef. Wenn es nicht gelingt, beispielsweise bei den vielen Dokumentations- und Nachweispflichten deutlich zu kürzen, werden sich künftig immer weniger Handwerkerinnen und Handwerker für die Selbstständigkeit entscheiden. Dann fehlen sie als Übernehmer eines bestehenden oder Gründer eines neuen Betriebs“, erklärt der BHT-Präsident. Nun liege es am Gestaltungswillen der Ampel-Koalition: „Wir haben in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit.“

Bericht: Bayerischer Handwerkstag – Foto: pixabay


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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