Wie schlechte Menschen gute Dinge und gute Menschen schlechte Dinge tun.
Brooklyn 1996, der 14-jährige Bobby Santovasco wirft mit seinem Freund Zeke zum Zeitvertreib von einer Brücke Steine auf Autos. Was als Wette beginnt, endet mit dem Tod der 19-jährigen Amelia. Den Steinewerfern gelingt die Flucht, die Tat bleibt ungesühnt – eine Tragödie für Amelias Vater Jack Cornacchia. Er kann sich nicht damit abfinden, dass sie sterben musste, während widerliche Typen ungestraft davonkommen, und sorgt künftig als Rächer kleiner Leute, denen Schlimmes widerfahren ist, für Gerechtigkeit. Als er fünf Jahre später bei einem Schreibkurs Lily Murphy kennenlernt, bekommt sein Leben wieder einen Sinn. Jack weiß nicht, dass Lily die Stiefschwester von Bobby ist, der jetzt für den Anlageberater Max Berry arbeitet. Max, der mit einem betrügerischen Schneeballsystem kleinen Leuten ihre Ersparnisse abluchst, bunkert in seinem Tresor gerade eine Tasche von Charlie French mit massenhaft Knete und Tüten mit Heroin. Als Jack den Auftrag bekommt, Max zur Strecke zu bringen, trifft er auf Bobby, der den Tresor von Max ausgeraubt hat, um mit seiner Freundin aus Brooklyn abzuhauen.
In William Boyles Roman geht es um das Schicksal bedauernswerter Existenzen. Der Autor ist in Brooklyn aufgewachsen, kennt die Verhältnisse des dortigen Prekariats. Der präzise Beobachter hat ein Auge fürs Detail, erzählt ohne Verklärung von den verlorenen Hoffnungen und schwierigen Orientierungsversuchen seiner Protagonisten und verbindet dabei glänzend Milieu-Beobachtung und spannungsreiche Dramaturgie. Weniger ein Kriminalroman als ein überzeugendes amerikanisches Gesellschaftsporträt, lebendig, abgründig, aber nicht ohne Humor – sehr empfohlen für aufgeschlossene, weniger zart besaitete Leserinnen und Leser.
William Boyle, Shoot the Moonlight Out
Polar Verlag , 2023, 380 S., 13,00 €
ISBN/EAN: 9783948392772
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