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Rohdorfer Bauernhausmuseum: Ein Traktor „Marke Eigenbau“

Das Rohrdorfer Bauernhausmuseum im Achentaler Heimathaus hat eine große Besonderheit: Dort wird nichts aufgehübscht und auf (fast) neu getrimmt, bis es ausgestellt wird. Bei allem, was zu sehen ist, soll man den Eindruck haben: Bauer, Bäuerin und Gesinde kamen gerade eben zur Brotzeit heim vom Feld, ihre Gerätschaften haben sie nur kurz abgelegt, bevor sie damit weiterarbeiten werden.

Klar, dass man auch bei der neuesten Errungenschaft nicht anders verfuhr, einem Traktor aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch beim ihm war das Ziel seiner Restaurierung nicht, ihn wie neu aussehen zu lassen. Das wäre dem Gefährt auch nicht gerecht geworden, denn auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte sich da jemand auf dem Schrottplatz ein paar Teile zusammengeholt, um sich daraus selbst so etwas wie ein Auto zu bauen.

Dabei trügt dieser Eindruck gewaltig. In den dreißiger Jahren waren Traktoren für die meisten Landwirte unerschwinglich. Eine Marktlücke war es da, aus alten Fahrgestellen neue Zugmaschinen aufzubauen. Auch diese „Selbstbau-Traktoren“ waren teuer, 2000 bis 3000 Reichsmark musste man dafür aufwenden, zu Zeiten als ein Fabrikarbeiter einen durchschnittlichen Monatslohn von etwa 130 Reichsmark hatte. Für einen „richtigen“ Traktor aber wäre gut das Vierfache fällig gewesen.

Auch der Rohrdorfer Traktor, soweit sind die Museumsleute mit ihren Recherchen mittlerweile, ein Produkt aus einer Kleinserie, hergestellt, so weit man bisher weiß, von einer kleinen Firma für Landwirtschaftstechnik aus Au bei Bad Feilnbach. Die verwendeten Motoren waren dabei meist kleine Dieselaggregate des ehemaligen Motorenwerks in Sendling. Das Besondere am Rohrdorfer Traktor: er wurde auf dem Fahrgestell eines Horch-Automobils aufgebaut, das 1928 das Werk verließ. Bei den Autos waren damals Fahrgestell und Fahrzeugaufbau noch völlig getrennt, die Zeit noch nicht lang vorbei, als sich die betuchten Käufer auf dem Fahrgestell einen nach ihren Wünschen gefertigten, individuellen Aufbau setzten ließen. Die Fahrgestelle waren damit die tragenden Teile des ganzen Fahrzeugs und entsprechend robust. Auch das mit ein Grund, dass der Traktor bei der Familie von Franz Gemmer noch bis in die Achtziger Jahre im Einsatz war, wenn auch zuletzt nur noch als stationärer Antrieb einer Säge.

Ursprünglich aber war der Traktor, dank seiner originalen Autobereifung und dank des Horch-Getriebes als sogenannter Schnell- oder Straßentraktor einzusetzen. Der Zweck solcher Fahrzeuge war nicht in erster Linie der Einsatz als schwerer Schlepper auf dem Feld, sondern als vergleichsweise schnelle Zugmaschine: Dreißig Stundenkilometer waren auf der Straße gut zu erreichen, der Traktor aber dennoch zumindest auf Grünlandflächen und Feldern einzusetzen. Für die Familie Gemmer, die damals, 1938, in der Nähe von Bad Feilnbach noch eine Molkerei besaß, ein geradezu ideales Fahrzeug, um mit ihm die Milch von den Bauern einholen zu können.

Dass der Traktor heute wieder läuft und an besonderen Tagen im Hof des Bauernhausmuseums seine Runden zieht, ist ein Verdienst nicht nur von Museumsleiter Peter Fortner, sondern vor allem auch von Sepp Spiel und Andreas Gnan. Sepp Spiel ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Dieselmotoren des einstigen Sendlinger Motorenwerks, der mit seiner Erfahrung viel zur Wiederbelebung beitragen konnte. Andreas Gnan schließlich der Mann, der in monatelanger liebevoller Tüftelei alles wieder im wahrsten Wortsinn gängig machte. Behutsamkeit war schon deshalb gefragt, weil man ja neue Teile nur dann anfertigen wollte, wenn es gar nicht anders ging, wie zum Beispiel bei der Zylinderkopfdichtung. Bei allem anderen versuchte man die originalen Teile nur funktionstüchtig zu machen, nicht aber zu ersetzen. Ein Abenteuer, das immer wieder von Rückschlägen begleitet war, „denn oft haben wir geglaubt, dass der Motor jetzt so weit sei, dass er anspringen müsste, nur um dann festzustellen, dass es doch noch ein Eck weiter fehlte“ wie Andreas Gnan sagt.

Am Ende aber war man erfolgreich:  Der Traktor ist fahrbereit und dennoch im Grunde bis auf die kleinste Schraube im Originalzustand – eben genau so, als schriebe man das Jahr 1938 und hätte ihn nach der Feldarbeit nur kurz abgestellt.

Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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