Kirche

Chiemgauer Hilfe für Ternopil in der Ukraine

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Die Hilfe aus Südostbayern für die Diözese Ternopil in der Ukraine geht weiter. Wassyl Semenjuk, Metropolit der Diözesen Ternopil, Lemberg und Iwano-Frankiwsk und Erzbischof der Diözese Ternopil / Ukraine war mit Pater Volodymyr Firman und Pater Vasyl Shafran im Gasthaus Kampenwand in Aschau einen Abend lang zu Gast beim Helferkreis für die Diözese Ternopil-Ukraine und berichtete den Mitgliedern des Vereins über die neuesten Entwicklungen im Westteil derUkraine.

„Die Ukraine ist Schild und Schutz für Europa, sie schützt die Ostflanke Europas vor Russland“. Eindringlich erzählte der Erzbischof vom alltäglichen Krieg in der Ukraine, der in Deutschland weitestgehend aus den aktuellen Schlagzeilen verschwunden ist. „Der Krieg ist zwar rund 1000 Kilometer von uns entfernt im Donbass in der Ostukraine, aber er trifft auch uns im Westen des Landes an jedem einzelnen Tag. Etwa eine Million Menschen sind mittlerweile aus den umkämpften Gebieten geflohen und müssen auf unserem Staatsgebiet untergebracht und versorgt werden. Für diese vielen Menschen gibt es nicht ausreichend Arbeit, so müssen viele zur Saisonarbeit nach Polen gehen, um sich und ihre Familien erhalten zu können. Jeder Euro der vom Staat für den Krieg verwendet werden muss, steht ihm für den weiteren Aufbau des Landes in Frieden nicht zur Verfügung“. Still und betroffen lauschten die Zuhörer den Erzählungen von Bischof Semenjuk und Pater Firman, der mittlerweile zwei Dutzend Einsätze als Kriegspfarrer an der Front hinter sich hat. „Der Krieg in der Ostukraine ist für Russland ein Erprobungsplatz für neueste Waffen- und Kriegstechnik, rund drei bis vier Divisionen reguläre Soldaten der russischen Armee sind als Kämpfer und Spezialisten auf der Seite der Separatisten ohne Kennzeichnung im Einsatz. Unsere Streitkräfte hätten die Möglichkeit und die Befähigung das verlorene Territorium durch einen großräumigen Angriff wieder zu besetzen, aber damit ziehen wir sofort die gesamten regulären russischen Streitkräfte auf uns. Denen könnten wir wohl auf Dauer keinen erfolgreichen Widerstand entgegensetzen. Wenn jetzt General Winter und General Schlamm für die kommenden Monate den Oberbefehl im Krieg übernehmen, werden sich die Fronten ohnehin kaum verschieben und die Frontlinien und alles Weitere im Donbass wird weitestgehend einfrieren und statisch verbleiben“.

Auch auf die Diözese Ternopil hat der Krieg seit seinem Beginn unmittelbare Auswirkungen: viele Kriegsheimkehrer sind durch das Geschehen stark traumatisiert, sie leiden an der sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und finden nach dem Ende der Wehrdienstzeit nicht mehr in die geordnete Zivilgesellschaft zurück. Die Anzahl der Selbstmorde ist gegenüber der Vorkriegszeit überdurchschnittlich angestiegen, dabei sind unverhältnismäßig viele ehemalige Soldaten mit betroffen. Da der Staat keine organisierte Hilfe anbietet, nimmt die Diözese Ternopil diese PTBS-Patienten zusammen mit ihren Familien in ihren Einrichtungen auf und versucht sie über einen längeren Zeitraum durch geeignete Maßnahmen ins Zivilleben zurück zu führen. „Gerade die Einbindung und Mitbehandlung der Familien ist ganz wichtig, sie führt dazu, dass alle Betroffenen wieder zusammengeführt werden“. Die guten Kontakte der Diözese nach Deutschland helfen verwundeten Soldaten zu einer Behandlung ihrer Verletzungen in deutschen Krankenhäusern.

Im Sommer veranstaltete die Diözese zahlreiche Sommerlager für Kinder aus der Ostukraine. Hier sei bei vielen der jungen Gäste und ihren Lehrern ein regelrechter Kulturschock zu sehen gewesen, berichtete Bischof Semenjuk. „Sie kommen in eine andere Welt“. Der mehr westlich geprägte Lebensstil im Westen der Ukraine sei den Kindern aus dem sowjetisch geprägten tausend Kilometer entfernten Osten aus dem Donbass weitestgehend unbekannt, vor allem das Verhalten zu Vertretern der Kirche oder das Benehmen in einer Kirche oder kirchlichen Einrichtungen sei ihnen vollkommen unbekannt. Auch ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Sowjetunion sei die Mehrzahl nicht getauft und habe keinen Zugang zum Christentum, weder zum russisch orthodoxen ihrer Heimatregion noch zum ukrainisch griechisch katholischen Zweig der Westukraine. „Noch 100 Jahre nach dem Ende der beiden Kaiserreiche von Österreich-Ungarn und Russland bestehen in den Köpfen die ehemaligen Grenzen fort, die sich heute quer durch die Ukraine ziehen“.

Der Helferkreis für die Diözese Ternopil stellte Bischof Vasyl Semenjuk 3000 Euro speziell für die Unterstützung der Betreuung von PTBS-Patienten und von Schüleraufenthalten zur Verfügung.

Der Besuch des Chores der Ternopiler Seminaristen im Frühsommer im Chiemgau war wieder sehr erfolgreich. „Die Seminaristen waren sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft im Chiemgau“, so Bischof Semenjuk. „Auch für sie war es ein Besuch in einer vollkommen anderen Welt“. Aus dem Erlös der Konzerte und der Spenden wurde die Heizung und Energieversorgung der Seminargebäude weiter verbessert und die Abhängigkeit vom russischen Erdgas weiter verringert. Neben den bestehenden Solaranlagen setzen die Verantwortlichen jetzt auf eine Versorgung mit Strohpellets. Die Energiekosten konnten damit erneut um 30 Prozent abgesenkt werden. Die Anlage ist mittlerweile in der gesamten westlichen Ukraine bekannt und dient dort als eines der ersten Vorzeigeobjekte für die Nutzung erneuerbarer Energien.

Das Seminar betreut aktuell 152 Priesteramtskandidaten, ukrainische Priester sind in vielen Ländern Südeuropas und sogar in Afrika im seelsorgerischen Einsatz.

Der Erlös des Weihnachtsmarktes auf der Fraueninsel soll auch in diesem Jahr wieder Pater Firman für die Durchführung der landwirtschaftlichen Projekte der Diözese Ternopil zur Verfügung gestellt werden. Die Rinderzucht in der ehemaligen Kolchose von Ternopil floriert. Mittlerweile ist der Stall voll und es sind dort 120 Rinder mit entsprechender Nachzucht untergebracht. Eine weitere Stallung der ehemaligen Kolchose wurde renoviert, dort werden Schweine gezüchtet. Die Stallung ist so groß, dass dort 180 Schweine gezüchtet werden können. Nach entsprechender Mast werden die Tiere verkauft.

Die Bäckerei für die Zubereitung von Pelmeni – landesüblichen Maultaschen – im Ort Hnylowody floriert. Mit fünf Arbeitskräften begann der Betrieb, mittlerweile sind elf Frauen hier fest angestellt. Für jede der Arbeiterinnen, erklärte Pater Shafran, würden Rentenbeiträge bezahlt, was in der Ukraine nicht selbstverständlich sei.

Als nächstes Projekt plant der Helferkreis eine erneute Beteiligung beim Christkindlmarkt auf der Fraueninsel im Advent, die Vorbereitungen dafür sind bereits weitgehend abgeschlossen; darüber hinaus werden weitere Mitglieder gesucht. Der Jahresbeitrag für die Mitglieder ist auf einen Betrag ab zwölf Euro festgelegt, 250 Euro beträgt die Übernahme einer Patenschaft für einen Seminaristen zum Priesterstudium. Es sind keine großen Beträge. Aber in der Gesamtheit der Beiträge und der Spenden ist es dem Verein immer wieder möglich, Anstoßhilfe nach seinem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu leisten. Den Menschen in der Ukraine eine Perspektive zu geben und Anschubhilfe zu leisten ist das Vereinsziel. Auskunft erteilen die erste Vorsitzende Katharina Schmid, Telefon 08052-5578 und Schriftführer Dieter Karnstädt, Telefon 08051-2484.

Bericht und Foto: Heinrich Rehberg  – Die beiden Vorsitzenden des Helferkreises für die Diözese Ternopil-Ukraine Katharina Schmid und Fritz Tischner übergeben 3000 Euro an Wassyl Semenjuk, Metropolit der Diözesen Ternopil, Lemberg und Iwano-Frankiwsk und Erzbischof der Diözese Ternopil / Ukraine, Pater Vasyl Shafran (links) und Pater Volodymyr Firman (zweiter von rechts)

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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