Der Freistaat Bayern setzt einen wuchtigen Akzent für mehr Tierwohl. Wie in der Regierungserklärung von Agrarministerin Michaela Kaniber im letzten Jahr angekündigt, startet Bayern ein eigenes bayerisches Tierwohlprogramm. Die Ministerin hat jetzt die Eckpunkte 2022 für den Bereich Zuchtsauen vorgestellt. Der Freistaat geht damit in Sachen Tierwohl voraus und wartet nicht auf den Bund. „Mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und kann niemals von den Bäuerinnen und Bauern allein gestemmt werden. Für uns ist klar: Mehr Tierwohl ist für die Akzeptanz der Nutztierhaltung in der Verbraucherschaft elementar. Darin liegt die Lizenz zur Produktion. Wir warten deshalb nicht länger auf den Bund, sondern bieten jetzt unseren Nutztierhaltern konkrete Unterstützung an. Wir schlagen die Brücke zwischen den Erwartungen der Gesellschaft auf der einen Seite und der konkreten Umsetzung in den Ställen“, so Kaniber. Und weiter: „Das ist ein maßgeschneiderter Einstieg, um Betriebe auf dem Weg zu mehr Tierwohl zu unterstützen. Wir bieten dazu konkrete Perspektiven, und zwar so, dass Betriebe diesen Weg auch mitgehen können.“
Ein Plan zum Umbau der Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl liegt in Berlin seit letztem Jahr auf dem Tisch. Die Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) hat ihn erarbeitet und vorgelegt. Das Konzept war in fast allen Parteien auf breite Zustimmung gestoßen. Auch Bayern hatte den Plan gutgeheißen und unterstützt. Der Koalitionsvertrag erwähnt den Borchert-Plan mit keiner Silbe. Besonders ernüchternd sind in diesen Tagen die aktuellen Signale aus der FDP und damit aus der Berliner Ampelkoalition. Offenbar lässt die Bundesregierung die guten Vorschläge der Borchert-Kommission zum Umbau der Tierhaltung endgültig fallen.
Anlässlich der Vorstellung ihres eigenen neuen Tierwohlprogramms forderte sie jetzt die Bundesregierung erneut auf, die Vorschläge der Borchert-Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung schnellstmöglich umzusetzen. „Es kann doch nicht sein, dass fertige, breit mitgetragene Konzepte auf dem Tisch liegen und Berlin diese Vorschläge ignoriert. Bayern lässt im Gegensatz zur Bundesregierung die Nutztierhalter nicht im Regen stehen und geht nun entschlossen voran. Unsere Tierhalter können und wollen nicht weiter auf diese Bundesregierung warten“, so Kaniber.
Das neue Programm „BayProTier“ bietet zwei Stufen an: Zum einen die Komfortstufe für den Einstieg in mehr Tierwohl, die über gesetzliche Standards hinaus geht und zum zweiten die Premiumstufe mit erhöhten Förder-sätzen für noch deutlich höhere Standards. „So schaffen wir einen maßgeschneiderten Einstieg, um möglichst viele Zuchtsauenbetriebe auf den Weg zu bringen und ihnen Perspektiven zu bieten“, erläuterte die Landwirtschaftsministerin. Die mit dem Programm geförderten Tierwohlmaßnahmen gehen deutlich über die gesetzlichen Standards hinaus. „Bayern greift die gesellschaftlichen Erwartungen auf, lässt die Bauern aber damit nicht allein. Wir schaffen in Bayern die Rahmenbedingungen, die unsere Landwirte vom Bund schmerzlich vermissen“, stellte die Ministerin fest.
Neben einer attraktiven Investitionsförderung, die zumindest einen Teil der erhöhten Investitionskosten für Tierwohlställe ausgleicht, kommt nun mit „BayProTier“ flankierend noch in diesem Jahr, ein eigenes bayerisches Tierwohlprogramm hinzu, das den erhöhten Aufwand für Tierwohl im laufenden Betrieb ausgleicht. Die Genehmigung durch die EU-Kommission wird jetzt eingeleitet, damit noch im Sommer gestartet werden kann, zunächst mit Fokus auf die Zuchtsauen und die Ferkelaufzucht.
Wesentliche Vorgaben des völlig neuen Programmes sind beispielsweise mehr Platz für die Tiere, mit Stroh eingestreute Liegeflächen oder die Möglichkeit des Auslaufs ins Freie. Der modulartige Aufbau des Programms ermöglicht es, dass Verbesserungen beim Tierwohl auch in einzelnen Haltungsbereichen (Deckstall, Wartestall, Abferkelstall, Ferkelaufzucht) bei Zuchtsauen und der Ferkelaufzucht honoriert werden können. Hauptziel von BayProTier ist es, mithilfe gestufter Prämien pro Tier die höheren laufenden Kosten zum Beispiel für Stroheinstreu oder die Mehrarbeit für mehr Tierwohl auszugleichen. „Mit unserem Programm stellen wir sicher, dass das Geld genau dort ankommt, wo die Kosten für mehr Tierwohl entstehen – nämlich in den Betrieben. Es honoriert Tierwohlleistungen, die der Markt alleine nicht honoriert“, so Kaniber.
Bayern hat bereits attraktive Weideprämien für Rinder, Schafe und Ziegen. Nun wird Zuchtsauenhaltern ein neues Angebot für eine Tierwohlhaltungsprämie angeboten. In den folgenden Jahren soll das Programm dann – sofern die Bundesregierung nicht endlich selbst aktiv wird – auf weitere Nutztierarten wie die Rinder- und die Schweinemast ausgeweitet werden. Kaniber betonte dazu: „BayProTier ist keine ‚Feuerwehrmaßnahme‘, sondern ein langfristig angelegtes Tierwohlprogramm für diejenigen Betriebe, die ihre Zukunft in der Nutztierhaltung sehen und bereit sind, den Weg zu mehr Tierwohl mitzugehen. Alle Marktteilnehmer sind gefordert, ihren Teil zu leisten, so auch der Lebensmitteleinzelhandel. Am Ende müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher mitmachen und mehr Tierwohl an der Ladentheke honorieren. Reine Lippenbekenntnisse reichen hier nicht aus, heimisches Tierwohlfleisch muss auch gekauft werden.“
Bericht: Bayer. Landwirtschaftsministerium – Foto: Birgit Gleixner/ StMELF