Gastronomie

Die größte Kunstuhr der Welt tickt wieder beim Gocklwirt am Simssee

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„In Bayern gehen die Uhren anders“ – diesen Satz hört man oft, wenn es um bayerische Lebenseinstellungen und Eigenarten geht. Dass es in Bayern auch eine Uhr gibt, die in der Welt einmalig ist, das ist einem genialen Oberpfälzer Erbauer zu verdanken. Die größte Kunstuhr der Welt arbeitet nach langer Umbauphase wieder in neuem Glanz. Zu sehen und zu bestaunen ist die „Welt-Uhr“ beim Gasthaus Gocklwirt in Stephanskirchen am Simssee. Dorthin kam sie nach abenteuerlichen Zeiten ehe  sie der  Gocklwirt Anton Rietz erwarb.

Gebaut hat das 5,35 Meter breite, drei Meter hohe und 1.250 Kilogramm schwere Meisterwerk der Bauernsohn Josef Greß aus Trosendorf im oberpfälzischen Landkreis Cham. Von 1879 bis 1881 war Greß drei Jahre mit Unterstützung seines Bruders Baptist unermüdlich und erfinderisch tätig. Die Uhr verfügt über 50 handgefertigte Figuren und sie ist aus 470 Zahnrädern und Einzelteilen zusammengesetzt. Insgesamt 14 Zifferblätter zieren die Uhr, sie zeigen die Zeiten der größten Städte Europas sowie Datum, Monat und Schaltjahre an. Die Mammut-Uhr hat unter anderem folgende Bauteile und Botschaften: Minuten- und Viertelschläger, die vier Menschenalter (Kind, Jüngling, Mann und Greis), den Schutzgeist (für die ersten drei Menschenalter), eine Musik-Uhr, die nach Beendigung des Läutens zwei Stücke spielt, die sieben heidnischen Gottheiten, die vier Jahreszeiten, die zwölf Sternzeichen (jedes bleibt einen Monat sichtbar), eine Weltkugel, die sich alle 24 Stunden um ihre Achse dreht, Sonne, Mond und Sterne, das Leiden Christi (jeden Tag zwei Stationen für die insgesamt 14 Stationen), Christus und die 12 Apostel (welche alle 12 Stunden vor Christus vorbeischreiten, jeder Apostel verneigt sich, nur der Judas nicht und Christus segnet sie) und der Hahn, der dreimal kräht, wenn die Apostel an Christus vorbeikommen.

Drei Jahre von der Außenwelt abgeschlossen – Fertigstellung 1881

Um dieses riesige Gesamt-Werk zu schaffen, zog sich der Erbauer in drei Jahre vollständig von der Außenwelt zurück, die Überbeanspruchung führte zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen – und er musste sich auch schwer verschulden.  Als Josef Greß  nur kurze Zeit nach seiner Werks-Vollendung im Jahr 1881 verstarb, nahm sich sein Bruder Johann Baptist Greß des Erbes an. 30 Jahre war er in deutschen Städten und auf großen Märkten zu Vorführungen unterwegs. Der Transport erfolgte in 30 Kisten mit Pferdefuhrwerken und mit der Bahn. Als Johann Baptist Greß 1918 kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs verstarb, kam die Uhr nach Friedberg bei Augsburg. Die Witwe schenkte sie ihrem Neffen und die Kunstuhr landete in einem Abstellraum. Als sie dort zufällig vom Hohenpeißenberger Bergmann Ludwig Hartinger im Jahr 1928 entdeckt wurde, brachte dieser zusammen mit dem alten Uhrmacher Fuchs die Welt-Uhr mit großem Aufwand wieder auf Vordermann. Bis 1933 ging Hartinger mit der Uhr wieder auf Reisen, im Zweiten Weltkrieg versteckte er sie und als er 1956 ins eigene Haus in Wiechs bei Bad Feilnbach zog, hatte er wieder Platz für das Wunderwerk, das alsdann Besucher aus dem In- und Ausland anzog. Aus Altersgründen gab er im Jahr 1972 die Kunstuhr an Anton Rietz, Gastwirt in Weinberg bei Baierbach am Simssee ab. Der „Gocklwirt“ hatte sich 16 Jahre lang in Verhandlungen um den Erwerb bemüht. Seither präsentiert er die Rarität in einem eigenen Raum, kümmert sich um das Fortbestehen und bietet Vorführungen ab 10 Personen oder nach Vereinbarung an. Nähere Informationen gibt es beim Gocklwirt am Weinberg, Telefon 08036-1215 oder im Internet www.gocklwirt.com.

Fotos: Hötzelsperger – Die größte Kunstuhr der Welt – zu sehen beim Gocklwirt am Simssee


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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