Wie der Frasdorfer Ortsheimatpfleger Rupert Wörndl berichtet, befindet sich in manchen Frasdorfer Bauernhäusern noch irgendwo eine alte Hellebarde. Kaum einer weiß heute, was es damit für eine Bewandnis hat. Die Hellebarde war eine ziemlich grausame Waffe aus der Zeit vor der Erfindung von Schusswaffen. Sie wurde vom Fußvolk hauptsächlich im 14. und 15. Jahrhundert verwendet. Sie ist eine Mischform von Hieb- und Stichwaffe. Der Haken diente dazu, einen Reiter vom Pferd zu reissen. Heute kennt man sie noch als Paradewaffe, wie sie etwa die Schweizer Garde im Vatikan benutzt.
Mehrere Jahrhunderte später wurden die Hellebarden, auch „Kirawachta“ genannt, einem anderen Verwendungszweck zugeführt. Sepp Aiblinger, der in Hintergschwendt (Gemeinde Aschau i. Ch.) daheim ist, hat nachfolgende Aufzeichnung über die Kirchenwacht in seinem Heimatort überlassen, die er 2002 nach Erzählungen von Walburga und Maria Wernberger gemacht hat:
„Nach dem Ersten Weltkrieg, in einer Zeit, als es noch kaum Jemanden mit einem eigenen Auto gab, waren die meisten Menschen in unserer Gegend am Sonntag Vormittag mit dem Kirchgang ausgelastet. Vor allem, wenn man, wie die Gschwendtner eine volle Stunde zur Kirche zu gehen hatte. Wenn um 8.30 Uhr der Hauptgottesdienst begann, musste man um 7.30 Uhr außer Haus gehen. Der Gottesdienst dauerte dann bis 10 Uhr. Wenn man dann nach der Kirche noch etwas zu erledigen hatte, was in dieser Zeit ganz normal war, kam man bestenfalls um 11.30 Uhr nach Hause. In dieser Zeit war dann die Hausfrau und Mutter, die das Mittagessen zu kochen hatte, alleine zuhause. Herumvagabundierende Banditen machten sich diese Zeit am Sonntag Vormittag zunutze und überfielen Bauernhöfe, die abseits der engeren Dorfgemeinschaft standen. Um diesem Missstand der Unsicherheit entgegen zu wirken, wurde vielerorts eine Kirchenwacht eingeführt. Die Aufgabe des eingeteilten Streifengängers war es, in einem festgelegten kleinen Gebiet jeden Hof zu kontrollieren und anzufragen, ob alles in Ordnung sei. Das Betreten des Hauses ohne Grund war nicht erlaubt. Der Streifengänger, der sich vor Ort gut auskannte, kam ans Küchenfenster, klopfte an und stelle sich mit den Worten: „De Kirawacht is da“, vor. Die Hausfrau antwortete dann, dass bei ihr alles in Ordnung sei. An manchen Küchenfenstern gab es dann auch ein kleines Schnäpschen und der Kirchenwächter ging weiter. Eingeteilt waren vorwiegend die Knechte der Bauern, die diesen Dienst auch nicht ungern erledigten. Als äußeres Zeichen dieses hoheitlichen Streifendienstes trug der diensthabende Kirchenwächter eine alte Hellebarde oder eine Spieß mit sich. Damit man keinen Dienstplan aufstellen musste und doch jeder genau wusste, wann er an der Reihe war, wurde die Hellebarde bei dem Anwesen abgegeben, das am nächsten Sonntag dran war. Es gab somit keine Ausrede vom Vergessen. In den Jahren 1933/34 wurde dieser Streifendienst eingestellt. Das „lichtscheue Gesindel“ war ja sowieso verschwunden. So blieb der Kirchenwächter, sprich Hellebarde, einfach beim letzten diensthabenden Hof stehen. Auf manchen Bauernhof soll es noch so ein altes Instrument vom Kirchenwächter geben, ohne dass man weiß, woher dieses alte Zeug stammt.“
Im Samerberger Heimatbuch schreibt Josef Rieder, dass sich dort um 1930 die Kirchenwacht aufgelöst hat. Aus Frasdorfer Sicht merkt Rupert Wörndl an: Bei den „Hinteren Berghäusern“ gab es auch so eine Runde, die Tauern, Soilach, Stätt und Ried umfasste. Man erzählte, dass der diensthabende Kirchenwächter gelegentlich auch zu Notfällen im Stall eingesetzt wurde, etwa wenn gerade eine Kuh zum Kälbern war. Die dazugehörende Hellebarde, der „Kirawachta“, ist beim Jakl in Tauern noch erhalten geblieben. Auch beim Fischer in Ginnerting hat sich eine solche Waffe erhalten. Zur Kirchenwacht Ginnerting gibt es im Frasdorfer Gemeindearchiv sogar ein amtliches Dokument: 1844 bewilligte das Herrschaftsgericht Hohenaschau in Prien der Ortschaft Ginnerting, dass die Kirchenwacht von nur zwei Männern gehalten und besorgt werden dürfe. Unterschrift: Gigl, Herrschaftsrichter. Vorher waren anscheinend mehrere Männer für die Runde, die vermutlich die ganze Frasdorfer Sonnseite umfasste, eingeteilt. Es darf angenommen werden, dass es dabei gelegentlich an dem nötigen Ernst gefehlt hat. Sonst hätte man wohl kaum keinen richterlichen Beschluss gebraucht.
Bericht und Bilder: Rupert Wörndl, Ortsheimatpfleger der Gemeinde Frasdorf