Begabte Nachwuchs-Diebin plant einen großen Coup, den Diebstahl der Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Die überdrehte Gaunerkomödie ist ein großes Lesevergnügen.
Beverly Kaczmarek erlebt, abgesehen davon, dass ihre komplette Verwandtschaft aus Kriminellen besteht, eine ganz normale Kindheit. Ihre Hobbys sind allerdings etwas unsolide: sie verknotet die Schnürsenkel fremder Leute unter dem Tisch und bricht Mercedes-Sterne ab. Der Kaczmarek-Familienclan, eine legendenumwobene Verbrecher-Dynastie mit dem Oberhaupt Opa Sylvester, legendärer Panzerschrankknacker, ist stolz auf die begabte Nachwuchs-Diebin, deren Brüder es mit dem Entwenden von Fabergé-Eiern aus der St. Petersburger Eremitage sogar in die internationale Presse geschafft haben. Beverly gibt ihr Bestes, um ähnliche Meriten zu erwerben. Bei einem Einbruch in ein Berliner Museum lässt sie zwei Wedgwood-Vasen mitgehen, weshalb ihr Kriminalkommissar Ference Hotfilter auf den Fersen ist. So richtig befriedigt sie das aber noch nicht, jetzt muss es ein ganz großes Ding werden. Sie beschließt, etwas wirklich Spektakuläres zu stehlen: die Quadriga auf dem Brandenburger Tor.
Michel Decar präsentiert mit seinem zweiten Roman nach „Tausend deutsche Diskotheken“ (BP/mp 18/933) eine wunderbar überzeichnete Geschichte voller Situationskomik, Ironie und Sarkasmus, mit schrägen Charakteren und durchgeknallten Schurken aus einem Milieu, in dem Diebstahl die einzige Möglichkeit ist, zu bekommen, was einem zusteht. Der Autor glänzt dabei mit aberwitzigen Ideen und abgefahrenen Dialogen. Lange Passagen haben mit der Handlung nichts zu tun, vergegenwärtigen aber trotz aller Überspitzung aktuelle gesellschaftliche Auswüchse, verschmitzte Deutschland-Befunde oder auch den gegenwärtigen Turbo-Kapitalismus.
Buchprofile-Rezension von Günther Freund
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Michel Decar, Die Kobra von Kreuzberg, ULLSTEIN HC, 2021, 208 S. 22,00 € (inkl. MwSt.)
ISBN/EAN: 9783550200946