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Geschichte der Bad Endorfer Gebirgsschützen

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Wann hat man schon einmal die Möglichkeit, dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama, internationalen Staatspräsidenten sowie dem Bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer Aug´ in Aug´ gegenüberzustehen, waren sich die Schützen der Kompanie und die Mitglieder der Musikkapelle Bad Endorf zu Beginn einer atemberaubenden Geschichte einig.

Wie alles begann?

Per Zufall warf Hauptmann Josef Entfellner an einem Abend Ende Mai 2015 einen Blick auf die Internetseite der Bayerischen Staatskanzlei und staunte nicht schlecht, als dort zu lesen war, dass der Wirtschaftsgipfel der mächtigsten Staaten der Welt in München stattfindet, ebenso wie ein Teil des G7-Treffens mit den wichtigsten Regierungschefs. Rein intuitiv übersandte der Hauptmann gegen 23 Uhr eine E-Mail an die Staatskanzlei München sowie an den Landeshauptmann der Gebirgsschützen Karl Steininger mit der Mitteilung, dass die Wirtschaftsbosse der Welt doch auch etwas von der Bayerischen Kultur kennen lernen sollten. Dem fügte er sogleich den Hinweis hinzu, dass die Endorfer Gebirgsschützen „Gewehr bei Fuß“ stünden –  sofern dies gewünscht sei. Schon am nächsten Tag war die Antwort da: Man sei interessiert, wünsche mindestens 40 Schützen, einige Marketenderinnen sowie eine 30-köpfige Musikkapelle. Entfellner bestätigte sofort, ohne zu wissen, ob er in der Kürze der Zeit eine passende Blasmusikkapelle auftreiben könnte. Zudem galt die Auflage, dass alle Beteiligten von der Bundespolizei und den strengen amerikanischen Zollbehörden auf „Herz und Nieren“ sowie andere etwaige Untaten überprüft werden müssten.

Was dann in den nächsten Tagen passierte, machte selbst den lebenserfahrenen Endorfer Hauptmann sprachlos. Der zur Hilfe gerufene Oberleutnant Peter Freund trommelte sofort alle verfügbaren Schützen zusammen. „An diesem Tag liefen die Telefondrähte heiß“, erzählt Entfellner unter Lachen. An die 80 Gespräche waren nötig, um alle Personen zu kontaktieren und die benötigten Daten zu beschaffen. Mit großer Anspannung wurde das Prüfergebnis der Sicherheitsbehörden erwartet: Alle 43 Schützen und 33 Musiker waren ohne „Fehl und Tadel“. Und so fuhren am Sonntag, 7. Juni 2015 zwei Busse aus Bad Endorf nach München – besetzt mit Gebirgsschützen in voller Montur und ausgestattet mit Fahne, Waffen und Säbel, die Marketenderinnen Theresa, Alexandra und Regina mit vollen Schnapsfässchen sowie den Musikern der Musikkapelle Bad Endorf –, um den mächtigsten Wirtschaftsgrößen der Welt ihre Ehrerbietung zu erweisen. Zum großen Defilee im Brunnenhof der Münchner Residenz hatte Ministerpräsident Horst Seehofer hochrangige Gäste wie den Generalsekretär der UN Ban Ki-Moon, den Weltbank-Präsident Jim Yong Kim und amerikanische, japanische sowie Wirtschaftsbosse der EU eingeladen. Unter Leitung der Münchner Protokollabteilung sowie unter Teilnahme der Polizei wurde das Empfangs-Prozedere unter allen erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen vor Ort bis ins letzte Detail geprobt.

„Kompanie habt acht – Augen gerade aus“ – lautete der Befehl zur Aufstellung am „Roten Teppich“ von Oberleutnant Peter Freund an seine Kameraden. Ministerpräsident Seehofer schritt die Endorfer Formation zu den Klängen des Bayerischen Defiliermarsches ab und ließ es sich nicht nehmen, mit dem ein oder anderen zu plaudern. Danach flanierten die Staatsgäste durch das Endorfer Ehrenspalier. Manch Staatsmann war von dem präsentierten Brauchtum derart beeindruckt, dass er sich ehrwürdig vor der Fahne verneigte. Als Anerkennung und Dank wurden die rund 75 Chiemgauer von der Staatskanzlei auf eine Brotzeit mit Bier ins Hofbräuhaus eingeladen. Doch damit nicht genug: Zu den Klängen der Bad Endorfer Musikkapelle marschierten alle geschlossen durch die Marstallstraße ins Hofbräuhaus – ein Festzug, den die Endorfer mit Verwunderung, aber auch mit Stolz genossen, begleitet von viel Polizei und Blaulicht sowie unter den staunenden Augen der beobachtenden Fußgänger. Denn die umliegenden Straßen waren allesamt gesperrt; auch Straßenbahnen, Taxis und der sonstige Verkehr stand komplett still. „Ins Hofbräuhaus fielen wir förmlich ein. Die dortige Musikgruppe kapitulierte schnell ob der Übermacht der Endorfer Blasmusik“, umschreibt Hauptmann Entfellner die Situation. Die Musiker und die Schützen wurden schnell zu begehrten Fotomotiven. Der Andrang war groß, die Musiker spielten auf Tischen und Fensterbrettern. Die Stimmung war am Brodeln – Gäste aus aller Welt tanzten und feierten zu den Klängen der Endorfer Musikanten.

Doch auch mit dieser Gaudi war die Sache für die Endorfer Schützen noch nicht vorbei – es folgte der zweite Paukenschlag. Der amerikanische Präsident Barack Obama hatte persönlich darum gebeten, dass seine Verabschiedung am Münchner Flughafen Franz-Josef Strauß von einer Delegation der Gebirgsschützen begleitet würde. Die Staatskanzlei sowie Landesvorsitzender Karl Steininger griffen kurzerhand auf die Endorfer Kompanie zurück. Und so konnte Josef Entfellner bereits am Sonntagabend erneut seine Mannen fragen, ob sie auch am darauffolgenden Montag Zeit für diese ehrenvolle Aufgabe hätten – „für einen ganz normalen Werktag, an dem keiner bislang Urlaub eingereicht hatte“, erläutert er die Hektik dieser Tage. Beinahe alle sagten sofort zu. Was dann folgte war auch für die Endorfer Gebirgsschützen spannend und überaus interessant. Pünktlich fand sich die Kompanie am Tag des Abschieds mit den Marketenderinnen an einem speziell abgeriegelten Bereich im Flughafen zu einem überaus gründlichen Check-in der amerikanischen Sicherheitsexperten ein. Personen, Kleidung, Charivari und Ranzen – alles wurde genaustens untersucht. Allein die Fahnenstange wurde dreimal durchleuchtet. Der silberne Miederschmuck der Marketenderinnen bestand die Kontrolle nicht und sollte abgelegt werden. Doch diese weigerten sich vehement – und schließlich kamen sie damit durch. Und in dem ganzen Tohuwabohu gelang es ihnen zudem, die Schnapsfässchen durch die Sicherheitszone zu schmuggeln.

Im Bereich der Startbahn erblickte der Hauptmann allerorten hinter Hindernissen verschanzt Unmengen von Scharfschützen und Sicherheitskräften. Hauptmann Entfellner hatte alle Schützen eingeschworen, die Hände niemals zu verdecken, keine schnellen und hektischen Bewegungen zu machen und nicht in irgendeiner Form aus der Reihe zu treten, denn die Scharfschützen kennen zum Schutz des amerikanischen Präsidenten nur den finalen Schuss, schärfte er seinen Kameraden ein. „Die Anspannung war enorm“, beschreibt Entfellner die Atmosphäre.

Dann um 17.30 Uhr ging es los. Oberleutnant Peter Freund dirigierte die Formation vor der Treppe zur „Air Force One“ (Präsidentenflugzeug). Lautstark und spektakulär landeten drei riesige Marine-Hubschrauber neben dem Flugzeug. Die Türen gingen auf – und nichts geschah.

Dann flog ein kleiner Hubschrauber an – und endlich, Barack Obama trat aus der Tür. Abgeschirmt von unzähligem Sicherheitskräften schritt er voran. Bestens aufgelegt wich er vom vorgeschriebenen Protokoll ab – zum Entsetzen der Security. Ruhig nahm er sich die Zeit, jedem einzelnen Gebirgsschützen die Hand zu schütteln und ihm einige Worte zu widmen. Ein erhabenes Gefühl, so Entfellner. Obama besitze eine unbeschreibliche Aura – er sei eine sympathische, wie beeindruckende Persönlichkeit, schwärmt Entfellner von dem Moment. „Es war mir eine große Ehre, von so viel bayerischer Kultur verabschiedet zu werden“, sagte der amerikanische Präsident schließlich auf der Gangway, bevor er lachend ins Innere der „Air Force One“ verschwand.

„Als die Maschine abhob, spürte man, wie viel Anspannung ob der höchsten Sicherheitslage auf allen Verantwortlichen und Beteiligten wie auch auf uns gelegen hatte“, gestand Entfellner. „Gott sei Dank ist alles gut gegangen“, seufzte auch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann, während er sich bekreuzigte. Und wie es der Brauch ist, trank er das erste Stamperl aus dem Fass des geschmuggelten Marillenschnapses. Ehe man sich versah, versammelten sich die gesamten Sicherheitskräfte sowie die amerikanischen und deutschen Scharfschützen – zum Teil noch immer vermummt und bewaffnet – um die oberbayerische Delegation, um sich nach der gelungenen Abwicklung der vergangenen Tage erleichtert und mit einem Prosit ein Gläschen zu genehmigen. „Die drei Fasserl waren in kürzester Zeit geleert“, so Entfellner, dem das Erlebnis sowie die Hochspannung dieser Tage ebenso wie seinen Kameraden noch lange in Erinnerung geblieben ist – bis heute.

Entfellners großer Dank gilt an dieser Stelle allen Schützenkameraden, den Marketenderinnen, den Musikern der Musikkapelle Bad Endorf sowie dem Busfahrer für dieses einmalige, gemeinsam erlebte Ereignis.

Foto: Entfellner Text: Petra Wagner | Text-Fabrik


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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