Am Gedenktag der heiligen Barbara, dem 4. Dezember, schneidet traditionell die Frau des Hauses Zweige von frühblühenden Obstbäumen und stellt sie im warmen Zimmer ins Wasser.
Zeigen sich an Weihnachten erste Blüten, soll das Glück fürs kommende Jahr bedeuten und je reicher die Blüte, desto größer der Segen für Haus, Menschen und Tiere. Aber nicht nur das: Die Blütenzweige wurden auch als Orakel verwendet, galt der Barbaratag doch als ein wichtiger Lostag für zukünftige Ereignisse, ebenso wie als Wetterlostag: „Steht Barbara im Klee, kommt ’s Christkind im Schnee.“ Ganz nüchtern schlossen die Bauern vom Blütenreichtum der Zweige auf die Obsternte des nächsten Jahres, und das zu Recht: „Die Sache ist nicht ohne Grund, denn da sich sowohl die Blatt- als Blüthenknospen für das nächste Jahr schon im Herbst ansetzen, kann man auch aus der größeren Anzahl der einen oder der anderen auf mehr oder minder Obst schließen.“
Junge Frauen gaben jedem einzelnen Zweig, den sie hoffnungsfroh ins Wasser stellten, den Namen eines Verehrers und beobachteten, welcher als erster anfing zu blühen oder welcher die meisten Blüten hervorbrachte. Das deuteten sie als Hinweis auf den künftigen Bräutigam. Oder jedem Mädchen wurde ein Zweig zugeordnet und aus dem ersten Aufblühen oder der Anzahl der Blüten schloss man darauf, welche als erste heiraten würde. In manchen Regionen Österreichs steht jeder Zweig für ein Familienmitglied und wessen Zweig am schönsten blüht, der soll am meisten Glück im nächsten Jahr haben. Zweige, die im Wasser dürr werden und weder Blüten noch zumindest Blätter austreiben, gelten als Zeichen für kommendes Unglück.
Natürlich gab es strenge Vorschriften, wie die Zweige zu schneiden waren – so konnte man sich immer noch damit trösten, dass man diese Regeln nicht korrekt eingehalten hatte, für den Fall, dass die Zweige nicht das erhoffte Ergebnis brachten: In der Nacht auf den Barbaratag musste eine Frau vor Sonnenaufgang schweigend die Zweige schneiden. Kein Strahl der aufgehenden Sonne darf darauffallen. Anderswo hieß es, das Schneiden müsse während des Vesperläutens am Vorabend erfolgen.
Die Tradition, Barbarazweige ins Haus zu holen, tritt auch als Vorläuferin des Christbaumbrauches auf, wie es überhaupt das Bedürfnis der Menschen seit jeher ist, sich die dunkle Jahreszeit mit grünender und blühender Natur zu verschönern. Früher versicherten sich die Menschen so der Fruchtbarkeit, die in der Natur offenbar nur ruhte und die im Frühling wiederkehren würde. Es war nicht nur üblich, einzelne Zweige abzuschneiden – ganze Bäume holte man sich ins Haus! „‚Die Gewohnheit, am Barbaratage (4. Dezember) Bäume in die Stube zu stellen, um solche am Weihnachtsabend, zur Freude der Kinder, als ein Christgeschenk, mit allerlei Zuckerwaren und andern zu behängen, ist in ganz Franken noch stark gebräuchlich … Die gewöhnlichste Art der Bäume zu diesem Gebrauche sind Weichsel und wilde Kirschenbäume, auch junge Tannen und Fichtenbäume bey geringen Leuten, die sich solche selbst hohlen; auch werden Hollunderstauden von blauen oder weißen Hollunder dazu gebraucht.‘ So steht es in einem fränkischen Journal vom Jahre 1795.“
Die Legende der heiligen Barbara
Wie viele weibliche Heilige war Barbara der Legende nach jung, klug und wunderschön. Angeblich lebte sie um das Jahr 300 herum in Nikomedia, heute in der Türkei gelegen, doch die Forschung hält sie als historische Person für nicht belegt.
Ihr Vater, „heidnischen“ Glaubens, soll sie während seiner Abwesenheit in einen Turm eingeschlossen haben, um sie am Heiraten zu hindern. In dieser Zeit soll sie durch einen Priester, den sie als Arzt ausgab, getauft worden sein. Eine andere Version erzählt, Johannes der Täufer sei ihr erschienen und habe ihr die Taufe gespendet. Wieder andere wollen wissen, Barbara habe ihren Vater um den Bau eines Bades gebeten, das dann in Form eines Turmes erbaut worden sei. Barbara habe dann aber statt der vorgesehenen zwei Fenster drei einbauen lassen als Zeichen für die Dreifaltigkeit und habe überdies mit den Fingern ein Kreuz in den feuchten Putz gedrückt. Dem Vater habe sie nach der Entdeckung gestanden, dass sie Christin sei, woraufhin sie dem wütenden Vater nur durch ein Wunder entkommen sei. Sie floh in die Wüste, ein Felsen tat sich auf und ließ sie passieren und sie fand Unterschlupf in einer Höhle bei einem Hirten. Dieser verriet sie jedoch an den Vater, woraufhin der Hirte zu Stein wurde und seine Schafe zu Heuschrecken. Der Vater übergab sie an den römischen Statthalter, der sie foltern ließ und schließlich, als sie alle Martern überlebte, zur Enthauptung verurteilte. Der grausame Vater vollzog das Urteil eigenhändig und wurde im gleichen Moment vom Blitz erschlagen. In ihren letzten Stunden soll sie sich an einem blühenden Kirschbaumzweig erfreut haben: In ihrem Kerker habe sie einen verdorrten Zweig gefunden und mit Wasser benetzt, woraufhin der Zweig Blüten trieb, und Barbara diesen Vorgang mit ihrem Leben und Sterben in Bezug setzte: „Du schienst tot, aber bist aufgeblüht zu schönem Leben. So wird es auch mit meinem Tod sein. Ich werde zu neuem, ewigem Leben aufblühen.“Die Verehrung der heiligen Barbara
Die Verehrung der Heiligen Barbara
Der Kult der heiligen Barbara gelangte über Byzanz schon um 1000 nach Venedig und nach Spanien. Seit dem 14. Jahrhundert wird sie im deutschen Sprachraum verehrt, zuerst wohl als Patronin der Bergleute. Ihre Flucht durch den Felsen und in eine Höhle mag der Grund dafür gewesen sein, ebenso wie der tödliche Blitz am Ende der Geschichte. Ihr Name bezeichnet bis heute manche Gruben im Bergbau, an ihrem Gedenktag werden Andachten und Feiern in Bergbaugebieten abgehalten. Auch als Schutzheilige der mit Waffen und Pulver hantierenden Soldaten gilt Barbara, dazu hat vielleicht ihr Attribut beigetragen: Sie wird meist mit dem Turm aus ihrer Legende abgebildet, der wohl fälschlicherweise für ein Kanonenrohr gehalten wurde. Sie gilt auch – wegen des Blitzes – als Beschützerin vor Blitz und Unwetter und wird um eine gute Sterbestunde angefleht. Ihre wichtigen Patronate und ihre Beliebtheit bei den Menschen ließen sie zu einer von nur drei Frauen im Reigen der 14 Nothelfer und Nothelferinnen werden: „Margarethe mit dem Wurm, Barbara mit dem Turm und Katharina mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madl“. Ergänzt um die vierte wichtige Heilige, Dorothea, bilden sie die virgines capitales, die „vorzüglichen“ oder Haupt-Jungfrauen.
Die heilige Barbara hat ursächlich nichts mit dem Blühzweig zu tun. Ihr Tag wurde fürs Schneiden der Zweige vermutlich aus der Erfahrung heraus gewählt, wie lange es dauert, bis Blüten erscheinen. Erst allmählich wurden der Barbaralegende dann die Teile mit den blühenden Zweigen hinzugedichtet. Das weihnachtliche Aufblühen mitten im Winter wird aus christlicher Sicht natürlich mit dem Wunder der Geburt Jesu in Beziehung gesetzt: So wie mitten im Winter Blüten an einem Baum erscheinen, so ist Jesus als Retter in die Dunkelheit der sündigen Menschheit geboren.
Am besten geeignet sind Zweige frühblühender Sträucher und Obstbäume: Die Tradition bevorzugt Kirschbaumzweige, geeignet sind aber auch Zwetschge oder Schlehe, ebenso wie Forsythie und Zierjohannisbeere, die erst im 20. Jahrhundert in unsere Gärten kamen. Kirschzweige, wissen die Fachleute, blühen lieber, wenn sie vorher zumindest ein paar Tage strengem Frost ausgesetzt waren. Falls die Temperaturen bis zum Barbaratag also zu mild waren, soll man die geschnittenen Zweige ein, zwei Tage in den Tiefkühlschrank legen, um sie dann bei Zimmertemperatur zum Leben zu erwecken.
Entnommen aus dem Buch:
- Autor: Dorothea Steinbacher
- Titel: Wenn’s draußen finster wird. Bräuche und Legenden für die Winterzeit
- Aufmachung: 192 Seiten, durchgehend vierfarbig
- ISBN: 978-3-466-37224-9, Kösel Verlag 2020