Rede des zweiten Bürgermeisters von Rosenheim, Daniel Artmann, zum Volkstrauertag 2020
Liebe Rosenheimerinnen und Rosenheimer,
es sind außergewöhnliche Zeiten, die wir durchleben und die uns zwingen, in vielerlei Hinsicht neue Wege zu gehen.
Heuer können wir nicht wie sonst den in den Weltkriegen gefallenen Soldaten und den zivilen Opfern, die diese Kriege gefordert haben, zusammen durch eine feierliche Ehrung gedenken. Meiner Generation ist zum Glück erspart geblieben, was unsere Großeltern, Urgroßeltern und deren Elterngeneration in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gleich zwei Mal mit allem damit verbunden Schmerz und Leid erfahren mussten:
die Grausamkeiten in den Schützengräben des 1. Weltkriegs, die Barbarei in den Schlachten und den Flächen-Bombardements bis hin zu den Häuserkämpfen des 2. Weltkriegs, das Sterben in den Lazaretten, das Bangen und die Trauer der Eltern, Ehefrauen und Kinder. Das Leid, das ganze Genrationen prägte, kennt meine Generation bestenfalls noch aus Erzählungen im Familienkreis. Und doch lässt sich daraus bis heute das Grauen erahnen, das unsere Vorfahren über Jahre der kriegerischen Barbarei hinweg erleben und durchleben mussten. Wir sollten auch daran denken, dass Kriege noch nie vor den Alten, Schwachen und Kindern Halt gemacht haben. Sie fallen Bombenangriffen zum Opfer, werden gefangen genommen oder durch Flucht und Vertreibung ihrer Heimat beraubt.
Gerade angesichts des lähmenden Entsetzens, das uns alle vor wenigen Tagen nach den Terroranschlägen in Paris, Nizza und Wien befallen hat, müssen wir uns klar sein, dass unschuldige Frauen und Männer auch in den Konflikten der Gegenwart zu Opfern werden. Zu Hass, Fanatismus, Nationalismus – den Erzübeln des 20. Jahrhunderts – treten heute fanatische Religionskrieger hinzu. Deshalb ist der Volkstrauertag ein würdiger Anlass, den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die Fanatismus in Afrika und Afghanistan bekämpfen und der dortigen Bevölkerung ein Stück Sicherheit geben, herzlich für ihren Einsatz zu denken. Ebenso den Polizistinnen und Polizisten, die im Ausland Sicherheitskräfte ausbilden.
Wir verneigen uns in Trauer vor denen, die dabei ihr Leben lassen mussten.
Der Volkstrauertag, der heute leider vielen Menschen als solcher gar nicht mehr präsent ist, sollte jeden von uns dankbar und demütig machen: Dankbar, dass wir in Frieden leben dürfen. Demütig im Wissen darum, dass jeder von uns jederzeit ins Fadenkreuz der Anschläge von Fanatikern oder Amokläufern geraten kann. Auch wenn das Leben in der Corona-Zeit mit allerlei Verzicht, Einschränkungen und Mühen verbunden ist – das alles ist nichts im Vergleich zu Kriegen und der Verwicklung in Anschläge. Deshalb sind wir gerade heute aufgerufen, unsere Werte der Freiheit, des friedlichen Zusammenlebens der Völker und der Zusammenarbeit in Europa hochzuhalten und gegen Demagogen, nationalistische Einpeitscher und religiöse Fanatiker mit aller Entschiedenheit zu verteidigen.
In diesem Sinne ist der Volkstrauertag nicht nur ein Tag des ehrenden Gedenkens. Er ist auch ein Tag der Mahnung an uns, unserer Verantwortung gerecht zu werden, damit auch kommende Generationen in Freiheit und Frieden leben können.
Lassen Sie uns dieser Verantwortung gerecht werden.
(Das Video der Kranzniederlegung am städtischen Friedhof Rosenheim sehen Sie hier.)